ist gemäß § 104 Nr. 2, wer sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, sofern nicht der Zustand seiner Natur nach ein vorübergehender ist. Die Anordnung der Betreuung ist auf die Geschäftsfähigkeit des Betreuten ohne Einfluss. Trotz erheblicher Zweifel an der Geschäftsfähigkeit kann eine partielle Geschäftsfähigkeit für die Eheschließung gegeben sein.[22] Selbst bei einer partiellen Geschäftsunfähigkeit kann der Betroffene für die Eingehung einer Ehe geschäftsfähig bleiben, wenn er insoweit zu der notwendigen Einsicht und freien Willensbestimmung fähig ist (sog. Ehegeschäftsfähigkeit[23]). Für die Ehegeschäftsfähigkeit kommt es darauf an, ob der Eheschließende in der Lage ist, das Wesen der Ehe zu begreifen und insoweit eine freie Willensentscheidung zu treffen. Bei der Ehegeschäftsfähigkeit geht es um ein besonderes „Rechtsgeschäft“, dessen Inhalt mehr als sonstige typische Rechtsgeschäfte von in der Gesellschaft fest verankerten Vorstellungen geprägt wird. Es muss deshalb im Einzelfall geprüft werden, ob sich die Beeinträchtigung der Geistestätigkeit auch auf die Ehe erstreckt und ob der Ehewillige insoweit die notwendige Einsichtsfähigkeit besitzt und zur freien Willensentscheidung in der Lage ist, mag diese Einsichtsfähigkeit auch für andere Rechtsgeschäfte fehlen (…). Nach § 104 Nr. 2 sind für die Beurteilung der Geschäftsfähigkeit nicht so sehr die Fähigkeiten des Verstandes ausschlaggebend, als die Freiheit des Willensentschlusses.[24] Eine Person, die in der Lage ist, ihren Willen frei zu bestimmen, deren intellektuelle Fähigkeiten aber nicht ausreichen, um bestimmte schwierige rechtliche Beziehungen verstandesmäßig zu erfassen, ist deswegen noch nicht geschäftsunfähig.“
b) Ehemündigkeit (§ 1303)
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Ehemündig ist, wer die natürliche, körperliche und die notwendige persönlich-charakterliche Reife aufweist, um eine Ehe einzugehen. Dabei orientiert sich das Gesetz an der Volljährigkeit (§ 2): Eine Ehe „darf nicht“ vor Eintritt der Volljährigkeit eingegangen werden (§ 1303 S. 1) und mit einer Person, die das 16. Lebensjahr nicht vollendet hat, „kann“ eine Ehe nicht wirksam eingegangen werden (§ 1303 S. 2). In letzterem Fall handelt es sich automatisch um eine Nichtehe; bei Zweifelsfällen kann das Bestehen oder Nichtbestehen der Ehe über einen Feststellungsantrag (§ 121 Nr. 3 FamFG) geklärt werden. Das Standesamt muss die Ehemündigkeit vorab klären und wird keinen Minderjährigen trauen (§ 1310 Abs. 1 S. 1). Wird die Ehe trotzdem von einer 16 oder 17 Jahre alten Person eingegangen, so ist die Ehe aufhebbar (§ 1314 Abs. 1 Nr. 1), wobei die zuständige Behörde den Aufhebungsantrag stellen „muss“ (§ 1316 Abs. 3 S. 2). Diese strikte Regelung wurde mit Wirkung zum 22.7.2017 durch das Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen[25] eingeführt, vor allem um Zwangsheiraten von eingereisten ausländischen Minderjährigen zu verhindern bzw. die Wirksamkeit zu versagen. Die Regelung ist nicht ohne Kritik geblieben, zumal ausländische Rechtsordnungen das Ehemündigkeitsalter teilweise sehr viel früher ansetzen (zu den Konsequenzen im Internationen Privatrecht vgl. Rn. 114). Dass man 16- und 17-Jährigen nun den Zugang zur Ehe ausnahmslos (insb. ohne Prüfung im Einzelfall) untersagt, kann deshalb problematisch werden, weil man ihnen damit auch alle mit der Ehe verbundenen Rechte vorenthält und damit nicht immer den bezweckten Schutz des Minderjährigen erreicht.[26]
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Schon nach bisherigem Recht „sollte“ eine Ehe nicht vor Eintritt der Volljährigkeit eingegangen werden. Allerdings konnte einem Minderjährigen nach § 1303 Abs. 2 a.F. auf seinen Antrag durch das Familiengericht Befreiung vom Erfordernis der Ehemündigkeit erteilt werden, wenn er selbst das 16. Lebensjahr vollendet hatte und sein zukünftiger Ehepartner volljährig war. Widersprach der gesetzliche Vertreter des Antragstellers dem Antrag, so durfte das Familiengericht die Befreiung nur erteilen, wenn der Widerspruch nicht auf triftigen Gründen beruht (§ 1303 Abs. 3 a.F.). Erteilte das Familiengericht die Befreiung, so bedurfte der Antragsteller zur Eingehung der Ehe nicht mehr der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters.
Zweiter Teil Eheschließung und Eheaufhebung › § 3 Eheschließung › IV. Fehlerquellen im Einzelnen › 2. Eheverbote
2. Eheverbote
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Die vom Eheschließungsrecht negativ formulierten Eheverbote[27] (§§ 1306–1308) teilen sich in so genannte trennende (bzw. dauerhafte) und aufschiebende Eheverbote. Im Gesetzestext kommt die Unterscheidung durch die Formulierung „darf nicht geschlossen werden“ (trennendes Eheverbot, §§ 1306, 1307) und „soll nicht geschlossen werden“ (aufschiebendes Eheverbot, § 1308 Abs. 1) zum Ausdruck. Der rechtliche Unterschied besteht darin, dass der Verstoß gegen trennende Eheverbote einen Eheaufhebungsgrund bedeutet (vgl. § 1314 Abs. 1), während der Verstoß gegen aufschiebende Eheverbote keine rechtlichen Konsequenzen nach sich zieht (vollgültige Ehe). Allerdings kann und muss der Standesbeamte bei Vorliegen solcher Verbote die Mitwirkung an der Eheschließung ablehnen (vgl. § 1310 Abs. 1 S. 2; §§ 13 Abs. 1, Abs. 4 S. 1, 49 PStG).
a) Verbot der Doppelehe (§ 1306)
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Das Eheverbot der Doppelehe ist Ausdruck des in unserem Kulturkreis selbstverständlich gewordenen Prinzips der Monogamie (vgl. § 172 StGB). Eine Doppelehe ist nach § 1314 Abs. 1 Nr. 2 aufhebbar, soweit keine Heilung nach § 1315 Abs. 2 Nr. 1 eintritt. Antragsberechtigt ist jeder Ehegatte und die zuständige Verwaltungsbehörde, die sogar antragsverpflichtet ist (§ 1316 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3: „soll“).
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Skurril ist außerdem das Antragsrecht der „dritten Person“ in dieser Konstellation. Geschaffen ist hier die Möglichkeit eines Ehegatten (der Erstehe), die von seinem Partner entgegen § 1306 geschlossene (spätere) Ehe zur Aufhebung zu bringen. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob diese Antragsberechtigung auch dann noch besteht, wenn die Erstehe des „Dritten“ mit dem jetzt zum zweiten Mal verheirateten Partner inzwischen bereits geschieden wurde. Einen solchen Fall hatte der BGH zu entscheiden:[28]
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Ein russisches Paar hatte 1984 in Russland die Ehe geschlossen; diese war auf Antrag der Ehefrau 1995 in Moskau geschieden worden. Nach wenigen Monaten heiratete sie in Deutschland einen deutschen Mann. Ein Jahr später wurde das Moskauer Scheidungsurteil für unwirksam erklärt und im selben Jahr diese Ehe erneut und endgültig geschieden. Der frühere (russische) Ehemann beantragte nun Aufhebung der mit dem deutschen Partner geschlossenen Zweitehe, weil – rechtlich zutreffend – seine (frühere) Frau im Zeitpunkt der zweiten Eheschließung (1995) noch mit ihm verheiratet war. Die Vorinstanzen gaben dem Antrag statt.
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Der BGH hat dem Antrag mit überzeugender Begründung nicht stattgegeben: zwar sei auch ein inzwischen geschiedener Ehegatte antragsberechtigt,[29] allerdings führe ein Verstoß gegen das Verbot einer bigamischen Ehe nur noch ex nunc zur Aufhebung, sodass ein Nebeneinander von zwei Ehen in der Vergangenheit nicht mehr verhindert werden kann. Existiert nun aber aufgrund einer zwischenzeitlichen Scheidung die Erstehe nicht mehr, kann das Ziel des Eheverbots nicht mehr erreicht werden, der „dritten Person“ durch Beseitigung der bigamischen Ehe ihre Rechtsposition aus der Erstehe zu sichern. In diesem Fall – so der BGH – muss der die Aufhebung beantragende (frühere) Ehegatte besondere, objektiv-eigene Interessen geltend machen, um die Aufhebung zu erreichen (etwa Belange der aus der Erstehe hervorgegangenen Kinder). Das Interesse an der Wahrung der staatlichen Ordnung (Grundsatz der Einehe) genüge dafür nicht. Werden solche eigenen Interessen nicht vorgetragen,