Martin Lipp

Examens-Repetitorium Familienrecht


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ist gemäß § 104 Nr. 2, wer sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, sofern nicht der Zustand seiner Natur nach ein vorübergehender ist. Die Anordnung der Betreuung ist auf die Geschäftsfähigkeit des Betreuten ohne Einfluss. Trotz erheblicher Zweifel an der Geschäftsfähigkeit kann eine partielle Geschäftsfähigkeit für die Eheschließung gegeben sein.[22] Selbst bei einer partiellen Geschäftsunfähigkeit kann der Betroffene für die Eingehung einer Ehe geschäftsfähig bleiben, wenn er insoweit zu der notwendigen Einsicht und freien Willensbestimmung fähig ist (sog. Ehegeschäftsfähigkeit[23]). Für die Ehegeschäftsfähigkeit kommt es darauf an, ob der Eheschließende in der Lage ist, das Wesen der Ehe zu begreifen und insoweit eine freie Willensentscheidung zu treffen. Bei der Ehegeschäftsfähigkeit geht es um ein besonderes „Rechtsgeschäft“, dessen Inhalt mehr als sonstige typische Rechtsgeschäfte von in der Gesellschaft fest verankerten Vorstellungen geprägt wird. Es muss deshalb im Einzelfall geprüft werden, ob sich die Beeinträchtigung der Geistestätigkeit auch auf die Ehe erstreckt und ob der Ehewillige insoweit die notwendige Einsichtsfähigkeit besitzt und zur freien Willensentscheidung in der Lage ist, mag diese Einsichtsfähigkeit auch für andere Rechtsgeschäfte fehlen (…). Nach § 104 Nr. 2 sind für die Beurteilung der Geschäftsfähigkeit nicht so sehr die Fähigkeiten des Verstandes ausschlaggebend, als die Freiheit des Willensentschlusses.[24] Eine Person, die in der Lage ist, ihren Willen frei zu bestimmen, deren intellektuelle Fähigkeiten aber nicht ausreichen, um bestimmte schwierige rechtliche Beziehungen verstandesmäßig zu erfassen, ist deswegen noch nicht geschäftsunfähig.“

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      Schon nach bisherigem Recht „sollte“ eine Ehe nicht vor Eintritt der Volljährigkeit eingegangen werden. Allerdings konnte einem Minderjährigen nach § 1303 Abs. 2 a.F. auf seinen Antrag durch das Familiengericht Befreiung vom Erfordernis der Ehemündigkeit erteilt werden, wenn er selbst das 16. Lebensjahr vollendet hatte und sein zukünftiger Ehepartner volljährig war. Widersprach der gesetzliche Vertreter des Antragstellers dem Antrag, so durfte das Familiengericht die Befreiung nur erteilen, wenn der Widerspruch nicht auf triftigen Gründen beruht (§ 1303 Abs. 3 a.F.). Erteilte das Familiengericht die Befreiung, so bedurfte der Antragsteller zur Eingehung der Ehe nicht mehr der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters.

      Zweiter Teil Eheschließung und Eheaufhebung§ 3 Eheschließung › IV. Fehlerquellen im Einzelnen › 2. Eheverbote

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      Das Eheverbot der Doppelehe ist Ausdruck des in unserem Kulturkreis selbstverständlich gewordenen Prinzips der Monogamie (vgl. § 172 StGB). Eine Doppelehe ist nach § 1314 Abs. 1 Nr. 2 aufhebbar, soweit keine Heilung nach § 1315 Abs. 2 Nr. 1 eintritt. Antragsberechtigt ist jeder Ehegatte und die zuständige Verwaltungsbehörde, die sogar antragsverpflichtet ist (§ 1316 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3: „soll“).

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      Ein russisches Paar hatte 1984 in Russland die Ehe geschlossen; diese war auf Antrag der Ehefrau 1995 in Moskau geschieden worden. Nach wenigen Monaten heiratete sie in Deutschland einen deutschen Mann. Ein Jahr später wurde das Moskauer Scheidungsurteil für unwirksam erklärt und im selben Jahr diese Ehe erneut und endgültig geschieden. Der frühere (russische) Ehemann beantragte nun Aufhebung der mit dem deutschen Partner geschlossenen Zweitehe, weil – rechtlich zutreffend – seine (frühere) Frau im Zeitpunkt der zweiten Eheschließung (1995) noch mit ihm verheiratet war. Die Vorinstanzen gaben dem Antrag statt.

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