João de Barros

Heinrich der Seefahrer


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Angesichts dieser Maßnahmen verlegten sich viele Portugiesen auf die Handelsschifffahrt, versprach eine Betätigung auf diesem Felde doch reichen wirtschaftlichen Gewinn. Und in der Tat erlebten in den Jahren nach 1380 der portugiesische Seehandel und die Handelsflotte einen ungeheuren Aufschwung, eine Entwicklung, in deren Verlauf viel Geld in das Land strömte und die Wirtschaft Portugals insgesamt aufblühte. Auch der König, dem der Ausbau der Handelsflotte von den cortes zunächst hatte abgerungen werden müssen, zog daraus einen Nutzen, denn die Handelsschiffe, deren Größe mit der Ausweitung des Handels ständig zunahm, konnten in Kriegszeiten auch militärisch eingesetzt werden. Freilich erlitt die Flotte Portugals durch Ferdinands Dauerkrieg gegen den Rivalen Kastilien so schwere Verluste, dass sein Nachfolger auf dem portugiesischen Königsthron, Johann I. (1385–1433), Jahre brauchte, um sie wieder zu reorganisieren.13

      Das Zeitalter Heinrichs des Seefahrers

      Die Eroberung Ceutas im Jahre 1415

      Nach Beendigung des Erbfolgekrieges gegen Kastilien in der für die Portugiesen mit einem entscheidenden Sieg endenden Schlacht von Aljubarrota im August 1385 und der nachfolgenden inneren Konsolidierungsphase unter der neuen Dynastie der Aviz, die mit Johann I. an die Macht gekommen war14, schickte sich Portugal im Jahr 1415 an, seiner Expansionspolitik neue Horizonte abzustecken und über die Straße von Gibraltar hinausgreifend auf dem afrikanischen Festland Fuß zu fassen. In diesem Jahr wurde das maurische Ceuta von einem portugiesischen Expeditionskorps im Handstreich erobert, wobei Prinz Heinrich zum ersten Mal ins Rampenlicht der Geschichte treten sollte.

      Zu Beginn des 15. Jahrhunderts fand Portugal für eine aktive Afrikapolitik außerordentlich günstige Voraussetzungen vor: Kastiliens außenpolitischer Spielraum war zu der Zeit stark eingeengt durch innere Machtkämpfe mit dem Adel, und da England und Frankreich durch den Hundertjährigen Krieg15 die Hände gebunden und die italienischen Stadtstaaten in gegenseitige Rivalitäten verstrickt waren, hatte Portugal – zudem gestützt auf den endgültigen Friedensschluss mit Kastilien aus dem Jahre 1411 – Energien frei für eine erfolgreiche Südexpansion.

      Mit einem Feldzug gegen die muslimischen Mauren wollte Johann I. unter anderem Verfehlungen wiedergutmachen, derer er sich im Krieg gegen seinen »christlichen Bruder«, den König von Kastilien, schuldig gemacht zu haben glaubte. Wie uns der Chronist Zurara berichtet, meinte er, dafür am besten Buße tun zu können, »wenn er seine Hände im Blut der Ungläubigen wusch«.16 Nach reiflichem Überlegen wurde am Königshof zu Lissabon schließlich beschlossen, zu diesem Zweck Ceuta anzugreifen, die Stadt, von der aus die muslimischen Omaijaden im Jahr 711 auf die Iberische Halbinsel vorgedrungen waren. Diffie zufolge war diese Entscheidung das »wichtigste Ereignis der Regierungszeit Johanns I., wenn nicht sogar der gesamten portugiesischen Geschichte«.17 Denn die Eroberung Ceutas bildete den Auftakt zur Schaffung des portugiesischen Überseereiches, und sie war gleichsam ein Vorspiel zu den späteren Atlantikerkundungen. Freilich war König Johann dieser Entschluss alles andere als leicht gefallen: Er befürchtete, der Fall Ceutas würde das islamisch-maurische Restkönigreich Granada im Süden Spaniens, das erst 1492 von Kastilien endgültig besiegt werden sollte, vom Nachschub der Hilfstruppen aus Afrika abschneiden und dann Portugals Erzrivalen, den König von Kastilien, ermuntern, nicht nur Granada, sondern auch Portugal mit Krieg zu überziehen. In seiner Crónica de Ceuta bestätigt Zurara ausdrücklich die Bedenken Johanns, die kastilische Front zu entblößen, wenn er ihm folgende Worte zuschreibt: »Die Kastilier hassen uns abgrundtief, zumal die Erinnerung an die Niederlage, die sie gegen uns erlitten haben, noch sehr frisch ist. Es könnte deshalb sein, dass sie diese Gelegenheit ausnützen, um Vergeltung zu üben für die Erniedrigungen, die wir ihnen zugefügt haben.«18 Und obendrein befürchtete der König einen Gegenangriff der Mauren auf die südportugiesische Provinz Algarve, die diesen erst vor Kurzem entrissen worden war. Wenn solchen Befürchtungen zum Trotz schließlich dennoch entschieden wurde, Ceuta zu erobern, dann gab es hierfür – neben dem Kreuzzugsgedanken – eine ganze Reihe von gewichtigen Argumenten19: Ceuta, nach Zurara »die Blume unter den Städten Afrikas« und »Schlüssel zum Mittelmeer«20, war zu der Zeit ein sehr bedeutender Handelsplatz an der Straße von Gibraltar und Endstation verschiedener ins Innere Afrikas führender Karawanenwege. Auf einem davon gelangte man zu den dortigen sagenumwobenen Goldquellen, was auf portugiesischer Seite die Hoffnung nährte, mit der Einnahme von Ceuta den afrikanischen Goldhandel in die Hand zu bekommen. Weiter versprach man sich von der Inbesitznahme eines afrikanischen Hafens an der Straße von Gibraltar eine Stärkung der militärischen Position Portugals gegen die Mauren und einen verbesserten Schutz der Algarveküste gegen das maurische Piratenunwesen. In strategischer Hinsicht sollte Ceuta zu einem Brückenkopf ausgebaut werden, von dem aus weitere Eroberungen in Marokko Platz greifen konnten. Ferner bot ein solcher Feldzug die Möglichkeit zur Beschäftigung der portugiesischen Streitkräfte, die seit dem Friedensschluss mit Kastilien im Jahr 1441 gleichsam »arbeitslos« waren. Auch spielte hierbei die Furcht eine Rolle, dass Portugal von seinen Handelsverbindungen nach Afrika abgeschnitten würde, wenn man Kastilien allein das afrikanische Feld überließe. Ganz persönliche Beweggründe, eine Expedition gegen den maurischen Stützpunkt Ceuta zu fördern, hatten die Prinzen Duarte, Pedro und Heinrich, die Söhne Johanns I. Sie wollten sich nämlich durch eine besondere Waffentat die Ehre verdienen, von ihrem Vater zum Ritter geschlagen zu werden. Und was war hierfür besser geeignet als ein erfolgreicher Kreuzzug gegen die Ungläubigen?

      Am 25. Juli 1415 hisste die portugiesische Kriegsflotte die Segel. Sie bestand aus etwa 200 Schiffen jeder Größe und ungefähr 50000 Mann, darunter viele ausländische Söldner und Edelleute, unter anderen auch der Tiroler Dichter Oswald von Wolkenstein. Da die Portugiesen selbst nicht über genügend Schiffe verfügten, um diese Streitmacht nach Afrika überzusetzen, musste hierfür eine große Anzahl aus dem Ausland angemietet werden.21 Einige Tage später ging die Flottille in der Bucht von Lagos, an der Südspitze Portugals gelegen, vor Anker. Um die Truppe für den bevorstehenden Kampf in die richtige Stimmung zu bringen, ließ König Johann dort von seinem Hofkaplan eine zündende Kreuzzugspredigt halten, die mit den Worten endete: »Wer als Katholik und wahrer Christ nicht seine ganze Kraft zur Verteidigung des Glaubens einsetzt, ist kein echter Ritter, kein Glied Jesu Christi; er hat nichts mit ihm gemein und übertrifft an Schlechtigkeit den Ungläubigen.«22 Durch heftige Winde zeitweilig vom richtigen Kurs abgetrieben, erreichte die portugiesische Streitmacht am 14. August schließlich die Reede von Ceuta. Am nächsten Morgen erfolgte die Landung, wobei es den Portugiesen alsbald gelang, in die Stadt einzudringen. Wie Zurara schildert, übernahm Prinz Heinrich selbst die Leitung dieser Operation. Es entbrannte nun ein heftiger Kampf, Straßenzug um Straßenzug, Stadtviertel um Stadtviertel. Die Mauren waren zahlenmäßig weit überlegen, sodass die meisten von Heinrichs Leuten nach und nach ihr Heil in der Flucht suchten. Zuraras Bericht zufolge hielten nur 17 Ritter und Knappen bei Heinrich aus, und dieser kleine Haufen wehrte sich heroisch gegen die maurische Übermacht, wobei sich Heinrich durch außergewöhnlichen Mut hervorgetan haben soll. Erst als es ihm gelungen war, sich mit der Mannschaft seines Bruders Duarte, der inzwischen die Moschee von Ceuta erobert hatte, zu vereinigen, konnte der Versuch unternommen werden, die Zitadelle der Stadt zu erstürmen. Am Abend des 16. August war es dann endlich so weit: Auf der höchsten Zinne der maurischen Trutzburg wehte die portugiesische Flagge, das Banner des heiligen Vincente. Trotz heftiger Gefechte hatten die Portugiesen nach Auskunft des Chronisten insgesamt nur acht Mann verloren, »da die meisten Söldner, im Gegensatz zu den Mauren, einen Harnisch trugen«.23 Als Belohnung für ihren mutigen Einsatz und ihre Tapferkeit wurden die Prinzen Duarte, Pedro und Heinrich am 25. August von ihrem Vater, König Johann I., zu Rittern geschlagen, und zwar mit den Schwertern, die ihnen ihre Mutter kurz vor ihrem Tod – die Königin war unmittelbar vor dem Aufbruch der portugiesischen Flotte nach Ceuta verschieden – noch auf dem Totenbett überreicht hatte.

      Nach der erfolgreichen Eroberung Ceutas ergab sich die Frage, ob man die Stadt langfristig halten oder wieder aufgeben sollte. Die Ratgeber des Königs waren hierüber verschiedener Meinung. Die Rückzugsbefürworter verwiesen vor allem darauf, dass eine dauerhafte Besetzung Ceutas mehr Kosten verursache als Gewinne einbringe. Die Gegenpartei war der Auffassung, dass bei einem Rückzug die Stadt wieder den Muslimen ausgeliefert würde und diese so wieder