Bevor die portugiesische Flotte am 2. September nach Portugal aufbrach, wurde der Graf von Viana, João Pedro de Menezes, als Gouverneur von Ceuta eingesetzt. Als Besatzungstruppe wurden knapp 3000 Mann mit einigen Schiffen zurückgelassen. Am 6. September 1420 wurde Ceuta – in Übereinstimmung mit einer Bulle Papst Martins V. – in den Rang einer bischöflichen Diözese erhoben.
Die Besetzung Ceutas stellte sich freilich bald als eine schwere Bürde heraus: Dauernde Überfälle der Mauren auf die Stadt machten den portugiesischen Besatzern das Leben schwer. Zwischen 1418 und 1420 wurde Ceuta von einer starken muslimischen Streitmacht belagert, sodass König Johann gezwungen war, seinen Sohn Prinz Heinrich mit einer Entsatzexpedition wieder nach Nordafrika zu schicken. Und obwohl die Mauren daraufhin nicht in der Lage waren, die Stadt zurückzuerobern, brachten Belagerung und ständige Überfälle die Portugiesen um die erhofften Vorteile. Dies galt vor allem auch in wirtschaftlicher Hinsicht, denn der muslimische Handelsschwerpunkt verlagerte sich nach 1415 von Ceuta auf andere Städte in Nordafrika, was zur Folge hatte, dass die Bemühungen der Portugiesen, von Ceuta aus den Sahara-Handel in den Griff zu bekommen, zum Scheitern verurteilt waren.24
Der Beginn der Atlantikerkundungen
Unter den gegebenen Umständen war es den Portugiesen verwehrt, von ihrem Stützpunkt Ceuta aus weiter nach Nordafrika vorzudringen. So führten nicht zuletzt die Enttäuschungen, die man in dieser Angelegenheit hinnehmen musste, am portugiesischen Hof zu einem Umdenken, was die weiteren Expansionspläne betraf. Die nunmehr neu eingeleitete Politik beinhaltete eine Doppelstrategie: Festhalten an Ceuta bei gleichzeitigen Vorstößen entlang der westafrikanischen Küste. Diese Politik war abgestützt durch einen nationalen Konsens: Die portugiesische Kaufmannschaft erhoffte sich hiervon ein weiteres Aufblühen von Handel und Wirtschaft, die Seeleute, darunter viele von hohem sozialen Rang, lockte die Aussicht auf Beutegewinn, andere wiederum konnten dadurch ihre Abenteuerlust befriedigen. Der Kampf gegen die Ungläubigen war ein weiteres einigendes Motiv. Und in den Kreisen der portugiesischen Dynastie dachte man in erster Linie daran, durch eine erfolgreiche Expansionspolitik das Königtum der Aviz zu stärken. Zur Leitfigur dieses Vorgehens wurde Prinz Heinrich. Unabhängig von der Frage, ob man nun ihm allein zuschreiben soll, den Anstoß für die Ausweitung des portugiesischen Herrschaftsbereichs gegeben zu haben – eine Sicht, die mittlerweile traditionell geworden ist –, bleibt festzuhalten, dass er es war, der am konsequentesten die genannte Doppelstrategie verfolgte, nämlich die Muslime sowohl von Ceuta aus als auch von See her durch Schiffsexpeditionen entlang der Küste von Westafrika anzugreifen25.
Ein erster wichtiger Schritt in diese Richtung war die Kolonisierung von Madeira und der umliegenden Inseln in den Jahren 1418–1425. Danach richtete sich der Blick Portugals erneut auf die Kanarischen Inseln, die von Kastilien als Interessengebiet beansprucht wurden.26 Im Jahr 1424 oder 1425 brach eine erste Expedition unter dem Kommando von Fernando de Castro auf, um die Inselgruppe zu besetzen. Dieses Unternehmen schlug völlig fehl: De Castro musste unverrichteter Dinge wieder umkehren. Obwohl Kastilien heftig dagegen protestierte, unternahm Portugal in der Folgezeit wiederholt den Versuch, die Kanarischen Inseln in seinen Besitz zu bringen.27
In den Jahren zwischen 1425 und 1434 sandte Prinz Heinrich auch mehrere Expeditionen aus – Zuraras Bericht zufolge insgesamt 15 –, die Befehl hatten, jenseits von Kap Bojador, der Grenze der damals bekannten Welt, Neuland zu entdecken. Aus zeitgenössischer Sicht bedeutete dies also nichts weniger, als vorzustoßen »hinaus über das Ende der Welt«.28 Indes gelang keiner dieser Unternehmungen die Umrundung jenes Kaps. Noch am ehesten erreichte dieses Ziel Fray Gonçalo Velho, als er im Jahr 1426 bis nach Terra Alta, kurz vor Kap Bojador gelegen, segelte. Diese Misserfolge ließen Prinz Heinrich jedoch keineswegs resignieren. Zurara führt seine Beharrlichkeit auf folgende Motive zurück: auf Heinrichs unermesslichen Wissensdurst und seinen Drang, unbekannte Länder zu erforschen; auf seinen Wunsch, Handelsbeziehungen mit bislang unentdeckten Regionen zu knüpfen; auf seinen religiösen Eifer, der darauf abzielte, Kontakt mit einem noch zu entdeckenden christlichen Königreich jenseits des islamisch beherrschten Nordafrikagürtels aufzunehmen und mit diesem ein Bündnis gegen die Muslime zu schließen; auf sein Bestreben, die »Heiden« zum Christentum zu bekehren; und schließlich habe Heinrich – so der Chronist – mit den Übersee-Expeditionen das Schicksal erfüllen wollen, das ihm von seinem Horoskop vorhergesagt worden sei.29
In den Jahren 1427–1432 wurden von den Schiffen Heinrichs die Azoren entdeckt und mit Portugiesen besiedelt. Danach machte sich Heinrich daran, die Kanarischen Inseln in portugiesischen Besitz zu bringen. Dazu ging er zunächst auf diplomatischem Wege vor, indem er an Kastilien die Forderung richtete, Portugal das Recht zur Besetzung dieser Inselgruppe einzuräumen. Als dies nichts fruchtete – Kastilien beharrte nach wie vor auf seiner Oberhoheit über die Inseln –, wandte sich der Prinz 1433 direkt an den Papst. Und dieser entsprach – offensichtlich in Unkenntnis der kastilischen Ansprüche – Heinrichs Ersuchen. Daraufhin erhielt Prinz Heinrich von seinem Bruder Duarte, der als Nachfolger des im August verstorbenen Johann I. den portugiesischen Thron bestiegen hatte, weitgehende Verfügungsrechte über die Kanarischen Inseln. Die geistliche Aufsicht über die Inselgruppe wurde dem Christusorden zugesprochen, dem Heinrich als regedor e governador vorstand. Die endgültige völkerrechtliche Klärung der Kanarischen Frage blieb allerdings weiterhin offen, weil der Papst auf kastilischen Druck hin die Entscheidung, die Inseln Portugal zu überlassen, wieder zurücknahm.30
Im Jahr 1434 gelang Gil Eanes endlich die seit Langem angestrebte Umrundung von Kap Bojador, das bislang als unpassierbar gegolten hatte. 1435 folgte eine zweite Fahrt Eanes’, zusammen mit Afonso Gonçalves Baldaia. Damit war eine entscheidende Barriere gefallen, denn von nun an war es für die Seefahrt zumindest in psychologischer Hinsicht leichter, über dieses Kap hinaus weiter nach Süden vorzustoßen – nicht jedoch in technischer Beziehung, da die weit ins Meer hinausragenden Sandbänke und Felsenriffe die Passage dieses Landvorsprungs für die damaligen Schiffe nach wie vor zu einem sehr riskanten Unterfangen machten. Prinz Heinrich zeigte sich mehr denn je ermutigt und entschlossen, seine Schiffe so weit wie nur möglich nach Süden Vordringen zu lassen. Mit entsprechenden Instruktionen versehen, segelte Baldaia 1436 bis Piedra de Galea (Porto do Galé), 120 leagues31 südlich von Kap Bojador auf 22°03’ N gelegen. Auf dieser Reise wurde unter anderem auch der Rio d’Ouro entdeckt.32
Der fehlgeschlagene Tanger-Feldzug von 1437
Nach Baldaias Fahrt trat in der portugiesischen Entdeckungstätigkeit eine mehrjährige Pause ein, die bis 1440 währte. Die militärischen Vorbereitungen für einen Angriff auf das marokkanische Tanger, der Tod König Duartes im Jahr 1438 und die anschließend ausbrechenden Auseinandersetzungen um die Regentschaft zwischen der Königin und Prinz Pedro banden in den Jahren 1436 –1440 alle politischen Energien Portugals.
Am meisten ins Gewicht fiel dabei das Tangerunternehmen von 1437.33 Nachdem Pläne zu einem gemeinsamen Vorgehen von Portugal und Kastilien gegen das maurische Granada an der fortdauernden Rivalität der beiden iberischen Königreiche gescheitert waren, blieb Portugal in seinem Kampf gegen den Islam auf sich allein gestellt. Wie oben gesagt, blieb die Lage um Ceuta sehr unbefriedigend, sowohl was den Handel anbelangte als auch in Bezug auf die Möglichkeit, von hier aus den Kreuzzug gegen die Ungläubigen ins Innere Marokkos voranzutreiben. In dieser Situation wollte Portugal einen neuen Anlauf nehmen zur Zerschlagung der muslimischen Bastionen in Marokko.
Entschiedener Anwalt dieser Politik, die 1436 in den Plan mündete, Tanger anzugreifen, war Prinz Heinrich. Gegen massive Widerstände innerhalb der königlichen Familie – Prinz Pedro z.B. war, sich dabei auf die negativen Erfahrungen um Ceuta stützend, ausdrücklich gegen ein solches Unternehmen34 – konnte sich Heinrich dabei auf eine bula de crusada (Kreuzzugsbulle) von Papst Eugen IV. berufen, wenn er die Überzeugung äußerte, dass ein solcher Kreuzzug »zweifellos dem Willen Gottes« entspreche und in Fortsetzung der Reconquista ein Gott wohlgefälliges Werk sei.35
Umstritten war zudem, ob für diesen Feldzug eine Sondersteuer erhoben werden durfte. Der portugiesischen Bevölkerung eine besondere Kreuzzugsabgabe aufzubürden