Karin Bucha

Karin Bucha Staffel 2 – Liebesroman


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sein? Sie hat einen guten Mann, ein liebevolles, zärtliches Kind, ein wunderbares Heim, und trotzdem ist das Herz vol-ler Sehnsucht.

      Sie drückt die Stirn an das Glas des bis zum Erdboden reichenden Fensters und sieht gedankenvoll den leise herabrieselnden Flocken zu.

      Sie liebt die Dämmerung, wenn die Lampen noch nicht brennen und alles von sanfter Melancholie überschattet ist. Dann kehren ihre Gedanken zu Donald, und nie weiß sie, wo sie ihn zu suchen hat.

      Bald beginnt der Fasching, doch diesmal wird sie ihn an Peters Seite erleben, wenn er sich überhaupt freimachen kann.

      Sie seufzt tief auf. Ja, Peter überläßt sie sehr viel sich selbst. Er geht in seiner Aufgabe auf. Er weiß, daß Patricia in seinem Hause wohlgeborgen ist. Aber weiß er auch, wie es in ihrer Seele aussieht? Kennt er Patricia genau? Und kennt sie Peter genau?

      Sie führen ein Eheleben ohne Höhepunkte, ohne Eifersuchtsszenen, ohne Zank und Streit und nachfolgende Versöhnung. Manchmal haßt sie Peter, wenn er ihrer so sicher ist. Dann möchte sie ihm am liebsten an den Kopf werfen, daß ihr Herz weit von ihm entfernt ist.

      Wahrscheinlich würde er sie aus seinen tiefblauen Augen entgeistert anstarren und sie dann auslachen.

      Ja, er glaubt sie glücklich! Sie müßte mehr Pflichten haben, denkt sie. Reserl nimmt ihr alles aus der Hand. Sie fühlt sich einsam, und nur Monika vermag, sie von dunklen Gedanken abzubringen.

      Monika ist glücklich und überhäuft die neue Mutti mit Zärtlichkeiten.

      Peters Zärtlichkeiten haben etwas Flüchtiges an sich, etwas Gedankenloses, und dagegen wehrt sich ihr Inneres.

      Schnell wird es draußen dunkel. Patricia tastet sich zum Lichtschalter und blickt blinzelnd in die Helligkeit. Schön ist es hier, wunderschön sogar, und sie überlegt, ob sie das alles missen möchte.

      Nein! Nicht mehr grübeln, befiehlt sie sich selbst, verläßt das Wohnzimmer, das auf die zugeschneite Terrasse mündet, und sucht ihr Schlafzimmer auf. Dort steht unter einem der breiten Fenster die alte Truhe, in der sie ihr Zigeunerkostüm verwahrt hat und noch einige Andenken an ihre Mutter, die ihr sehr kostbar sind.

      Sie kniet sich nieder und öffnet den schweren Deckel. Gleich obenauf liegt es, das Kostüm, das sie immer wieder an die glücklichen Stunden und an Donalds Küsse erinnert.

      Sie wird es endlich wieder tragen. Diesmal ist aber Peter bei ihr.

      Zärtlich streicht sie über das schwerseidene Kopftuch, über die raschelnde Seide des Rockes.

      *

      Donald Johnson ist an der Seite seiner launenhaften jungen Frau nicht glücklich geworden. Mary ist von einer Gefühlskälte, die ihn manchmal erschauern läßt. Dabei zeigt sie auch noch eine ihm unbegreifliche Eifersucht und wirft mit dem Geld nur so um sich, während er von früh bis spät angestrengt tätig ist, um seinen Besitz auf der Höhe zu halten.

      Nach einer erneuten erregten Auseinandersetzung faßt er den Entschluß, nach Deutschland zu reisen. Er freut sich wie ein Kind auf den Fasching. Nichts soll diese Freude überschatten, gar nichts. Er wird Patricia suchen. Er wird ihr alles zu erklären versuchen, was ihm, wenn er es recht bedenkt, selbst rätselhaft erscheint, nämlich seine Heirat mit Mary.

      In Deutschland angekommen, hat er seine alten Zimmer im Ring-Hotel bezogen. Ehrerbietig geleitet man den gutzahlenden Gast zum Lift. Donald fühlt sich leicht und unbekümmert wie noch nie.

      Ganz gewiß wird er Patricia wiedersehen. Mit aller Sorgfalt kleidet er sich um, nachdem er ein Bad und einen kleinen Imbiß zu sich genommen hat.

      Er pfeift vor sich hin, während er Toilette macht. Nichts erinnert ihn mehr an Johnson-House und Mary. Er lebt nur der Gegenwart und fiebert einer Begegnung mit Patricia entgegen.

      Wenn sie ihn nicht vergessen hat und ihn so liebt wie er sie, dann wird sie kommen, und zwar dorthin, wo sie beide glückliche Stunden miteinander verbracht haben.

      Als er mit seinem Äußeren zufrieden ist, geht er hinunter in den Speisesaal und bespricht sich mit dem Geschäftsführer. Er läßt einen günstig gelegenen Tisch reservieren und stellt ein Menü für zwei Personen zusammen. So sicher ist er seiner Sache.

      Der Geschäftsführer dienert, und Johnson verläßt in gehobener Stimmung das Hotel, um sich unter die fröhliche, ausgelassene Menge zu mischen.

      Indessen legt Patricia ihr Zigeunerkostüm an. Sie verwendet sehr viel Zeit auf ihr Aussehen, und immer wieder blickt sie in den Spiegel.

      Sie ist eine zauberhafte, zarte Erscheinung. Sie will auch schön sein, gerade heute.

      Dann verläßt sie ihr Ankleidezimmer und geht hinunter in das Arbeitszimmer Peters.

      Entsetzt bleibt sie an der Tür stehen.

      »Du bist noch nicht umgezogen?« fragt sie verstört.

      »Komm mal her, Liebling«, sagt er vom Schreibtisch her, und Patricia folgt wie aufgezogen.

      Er legt den Arm um ihre schmale Taille.

      »Es tut mir so leid, Kind, aber ich kann nicht mitgehen. Morgen erwarte ich Auslandsbesuch. Ich habe dringende Vorarbeiten zu leisten.«

      An jedem anderen Tage hätte sie mit Begeisterung gebeten, ihm helfen zu dürfen. Heute bleibt sie steif neben ihm stehen. Sein Arm, der sie umschlingt, ist ihr lästig.

      »Du – du kommst nicht mit?« fragt sie, und ihr stockt das Herz dabei. Wie sehr hat sie sich auf dieses Vergnügen gefreut, und nun –

      »Ich weiß, Liebling, du bist enttäuscht«, hört sie Peter wie aus weiter, weiter Ferne sagen. »Aber ich habe die Lindts gebeten, dich mitzunehmen. Sie sind glücklich darüber.«

      »Danke«, sagt sie kalt und wundert sich, daß sie überhaupt ein Wort hervorbringen kann. »Ich bleibe auch daheim.«

      »Aber Liebling!«

      »Nein, laß nur«, winkt sie ab. »Ich bleibe daheim.«

      Sie entwindet sich seiner Umarmung und geht ruhig zur Tür.

      Peter sieht hinter ihr her, schüttelt den Kopf und hat Patricia wenige Minuten später über seiner Arbeit vergessen.

      Patricia aber liegt auf ihrem Bett und krallt die Hände in die Decke. Sie schluchzt und weint. Sie ist so verzweifelt, daß sie am liebsten laut losschreien möchte.

      Gibt es für Peter überhaupt nichts anderes als Arbeit? Hat er vergessen, daß er eine junge Frau an sich gekettet hat, die auch einmal lustig unter Lustigen sein will?

      Hat sie sich wirklich nur auf den Fasching gefreut? Oder hat sie sich heimlich gewünscht, Donald zu treffen?

      Wie kommt sie überhaupt auf den Gedanken, daß Donald in Köln ist? Sie fühlt es. Ihr Herz sagt es ihr.

      Ihre Tränen rinnen unaufhaltsam. Sie ist so verzweifelt.

      *

      Donald Johnson hat mit größter Erwartung das Hotel betreten und umgehend den Speisesaal aufgesucht. Der Geschäftsführer kommt ihm lächelnd entgegen.

      »Es ist alles vorbereitet, Mr. Johnson«, sagt er und weist auf den Tisch, der mit roten Rosen geschmückt ist.

      »Mein Gast wird gleich kommen«, erwidert er, doch er ist nicht ganz davon überzeugt, nachdem er sich durch einen Rundblick vergewissert hat, daß die zauberhafte Patricia nirgends zu sehen ist.

      Mißmutig läßt er sich nieder und raucht eine Zigarette nach der anderen. Dabei leert er das Sektglas, das der Kellner vor ihn hingestellt hat. Aber der Sekt schmeckt ihm nicht.

      Die Zeit verrinnt. Donald hat nur den Eingang im Auge. Es ist ein ewiges Kommen und Gehen, doch die einzig geliebte Frau erscheint nicht.

      »Darf ich endlich servieren?« hört er neben sich den Kellner fragen. Er schüttelt den Kopf.

      »Sie brauchen überhaupt nicht aufzutragen. Mein Gast scheint verhindert