Heinrich Zschokke

Ausgewählte Werke von Heinrich Zschokke


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schlecht Etwas . . . . Und Du, Jüngferchen,« fuhr sie zu Epiphania gewendet mit freundlicherem Tone, indem sie geheimthuend den Kopf schüttelte, fort, »siehe Dich vor! Man muß nicht sogleich jedem zeigen, was man im Herzen oder im Sack hat. Ich darf Dir aber wohl sagen, den Du meinst, der ist's nicht, aber doch Dein Freund, trotz seiner grauen Haare, und trotz seiner dicken Schramme über die linke Backe. Er sieht auch nicht danach aus, falsche Gulden zu geben, denn er war in einem schönen Wagen nach Seon gefahren; trug ein Barettchen von schwarzem Sammet mit Goldschnüren und einen schwarzen, kostbaren Leibpelz, mit Seidenschnüren auf der Brust. Man kann nichts Vornehmeres sehen; man sollte ihn für einen Prinzen oder Schultheißen halten«

      Alle horchten bei dieser Rede mit Verwunderung auf; nur Epiphania schüttelte unzufrieden das Köpfchen und sagte: »Den kenne ich nicht; der hat Dich wohl nicht zu mir gesandt.«

      »Bist Du nicht,« sagte die Frau, »des Moosers Bruderskind?«

      »Dieser ist mein Oheim,« antwortete Epiphania und sah den Alten an.

      »So bin ich recht bei Dir. Komme, daß ich Dich allein spreche,« sagte die Botin,

      »Nein,« versetzte Epiphania, »rede offen vor allen. Ich habe mit keinem Mann in der Welt ein Geheimnis, und will es mit keinem haben.«

      Die Frau, in Verlegenheit gebracht, schien mit sich selber Rat zu halten; sie drängte sich dicht an Epiphania, der sie in's Ohr flüsterte: »Sei kein Närrchen, nimm und verbirg eilig, was ich Dir von ihm bringe. Begieb Dich nach Aarau, zum Dekan Nüsperli; dort lebst Du sicher. Dort wirst Du von dem steinreichen Herrn, von Deinem unbekannten Freunde, mehr erfahren.« Mit diesen Worten hatte sie ihr ein kleines versiegeltes Kästchen in die Hand geschoben. Epiphania legte aber dasselbe unwillig auf den Tisch. Es war von schwarzem Ebenholz, auf dem Deckel und an den Rändern künstlich mit Gold und Perlmutter ausgelegt.

      »Das ist chinesische Arbeit,« sagte Addrich, indem er die Truhe, ohne sie anzurühren, betrachtete. »Ich habe dergleichen zu Tranquebar und Batavia, doch nur in den reichsten Häusern, als kostbares Schaustück gesehen.«

      Hauptmann Renold nahm das Kästchen in die Hand und betrachtete es mit einer Miene, in welcher sich Erstaunen und eifersüchtiges Mißvergnügen nicht verbergen konnten. Besonders zog das Siegel seine Aufmerksamkeit auf sich. Es war darin ein Muttergottesbild vorgestellt, die Brust von sieben Schwertern durchbohrt. Er schüttelte den Kopf und sagte zu Epiphania: »Hier ist ein böses Zeichen. Wenn Du nicht schon besser um die Sache Bescheid weißt als Du Dich anstellst, so sage ich Dir voraus: Dir läuft ein papistischer Hasenfuß nach, der Dich bekehren oder verkehren möchte; oder das Geschenk wird Dir von einem Prälaten geschickt, der eine junge Haushälterin braucht. Sei dem wie ihm wolle, ich rate dazu, die Truhe zu öffnen. Vielleicht giebt der Inhalt nähere Auskunft.«

      »Thut, was Euch beliebt und Ihr verantworten könnet,« erwiderte die Jungfrau.

      Addrich nickte zustimmend. Gideon erbrach das Siegel und öffnete das Kästchen. Das Innere desselben war mit einem Päckchen angefüllt; dieses wiederum in Papier gewickelt, ließ beim Entfalten in zierlicher Handschrift die Worte lesen: »Mein Kind, geliebte Epiphania, ziehe nach Aarau zu Deinem Taufpaten, dem wohlehrwürdigen Herrn Dechanten Nüsperli, und verweile bei ihm, bis ich komme. Erfülle mein Wort und Dein Glück. Ich bin in dieser Welt Dein wahrhafter und getroster Freund.«

      Epiphania, obwohl sie nicht zu lesen verstand, betrachtete doch mit unruhiger Neugier alle einzelnen Züge der Buchstaben und sagte: »Stehet das auch wirklich so? Wer ist er denn? Lies seinen Namen!«

      »Er heißt Herr Ohnenamen, weil er weder Namen noch Namenszug zugefügt hat,« versetzte Gideon lachend

      »Ich beteuere,« rief Addrichs Nichte, »daß ich niemals mit einem Manne dieses Namens Bekanntschaft gemacht habe,«

      Inzwischen rollte Gideon ein zartes Gewebe vom feinsten Gespinnst aus, welches für den geringen Raum, den es einnahm, eine beträchtliche Größe hatte, und schließlich ein mit seltsam gestalteten Blumen durchzeichneter Schleier war. War die Überraschung aller groß, so wurde sie es noch mehr, als zuletzt eine Schnur helldurchsichtiger, großer, orientalischer Perlen von gelblichem Wasser sichtbar wurde, dabei in ein Papier eingeschlagen zehn venetianische Dukaten. Gideon klimperte mit diesen auf dem Tische und rief: »Zum Henker! Insgesamt echte Schildfranken! Schaut her!«

      Addrich, der mit wachsendem Befremden abwechselnd den Schleier und die Zahlperlen musterte, sagte: »Bettelei, das Gold da! Aber den Wert dieses Gewebes aus Indien, dieser Perlenschnur kann im ganzen Schweizerlande keiner beurteilen; es ist unschätzbar. Das ist ein Königsgeschenk. Faneli, Du bist an Deinem Geburtstage aus einer armen Waise ein reiches Mädchen geworden.«

      Epiphania, die eine Zeit lang mit kindischer Verwunderung bald das indische Gespinnst, bald die schimmernde Schnur beschaut und betastet hatte, schob beides zurück und sagte: »Was soll mir das? Weib, ich nehme es nicht von Dir und Deinem Unbekannten, und könnte ich ein Königreich dafür kaufen.«

      Die Frau weigerte sich, das Geschenk zurückzutragen. Man besprach die Sache, die allen mehr als rätselhaft erschien, lange. Addrich richtete eine Menge Fragen an die Überbringerin der Kostbarkeiten, ohne wegen des Absenders mehr Aufklärung zu erhalten, als er schon hatte. »Gelt,« sagte Gideon zu Epiphania mit Bitterkeit in Blick und Wort, »wenn man Dir sattsam Gewähr und Bürgschaft leisten könnte, daß Fabian der freigesprochene Spender solcher Kostbarkeiten wäre, Du würdest sie keineswegs verschmähen. Aber – so wahr Gott lebt – ich würde das Spinnenweblein alsbald in Fetzen reißen und diese blaßgelben Kirschen von Muschelglas in meiner Faust zu Staub zermalmen.«

      Er hatte diese Worte noch nicht vollendet, als man eine Stimme vernahm, die dazwischen: »Fabian! Fabian!« rief. Jeder sah bestürzt umher, dann blickte einer dem andern fragend in die Augen. Es war eine zarte, klare Stimme gewesen, gleich der eines kaum einjährigen Kindes, aber Durchdringender. Es ließ sich nicht bestimmen, von welcher Seite des kleinen Gemaches sie erschollen war. Gideon ging musternd und horchend längs den Wänden hin und schob die niedrigen Doppelfenster in ihre Falze zurück, um über die Blumengeschirre hinauszuschauen, ob sich jemand eine Neckerei erlaubt habe. Er traute sie dem kecken Fabian selbst oder dem kindisch-unbesonnenen Änneli wohl zu. Frau Käthli Gloor von Seon war blaß geworden, schüttelte sich und sagte halblaut: »Alle guten Geister loben den Herrn! Man weiß wohl, in welcher Gesellschaft man ist, wenn Ratten und Mäuse deutsch reden.« Indessen hatte Addrich weder Stellung noch Miene geändert, sondern mit der ihm eigenen widerlich freundlichen Geberde, aus welcher eine Tücke zu lachen schien, sagte er zu Epiphania: »Wozu bedarf's des Kopfbrechens, wer Dir den Schatz da sendet? Dein Schrätteli meldet sich selbst an.«

      Mit begeisterungsvollem Lächeln erwiderte die Jungfrau:

      »Spotte und läugne den Himmel mit seinen Sternen hinweg, er wölbt sich dennoch über Dir. Ich weiß, an wen ich glaube, und daß das Heer Gottes größer ist, als all die Menschenzahl aus Staub geschaffen. Das ist die Stimme, die schon zu mir geredet hat. Sage jetzt, meine Ohren hätten geträumt, Addrich.«

      Gideon, von seiner fruchtlosen Untersuchung zurückkehrend, schüttelte den Kopf und sagte: »Der Teufel will uns hier einen Schabernack spielen und lacht heimlich in die Faust dazu. Fania, ich mag von Dir nicht gotteslästerliche Sachen glauben. Doch sind mir traurige Beispiele von ehrbaren und schönen Jungfrauen bekannt, die nachmals als Hexen auf dem Scheiterhaufen brannten, welche aber damit angefangen, sich zu St. Andreasnacht in Beelzebubs Namen einzusegnen, oder sich in dessen Namen um Mitternacht auf einem Kreuzwege der Länge nach niederzulegen und die Arme kreuzweis auszustrecken, oder am St. Johannisabend Farrnsamen und Alraunen zu graben, oder andere Teufelswerke zu treiben, alles, um Geld vollauf und einen Mann zu bekommen, nach dem ihr verbuhltes Herz gelüstete.«

      Während der Hauptmann fortfuhr, in dergleichen sonderbaren Redensarten einigen abergläubigen Besorgnissen Luft zu machen, würdigte ihn Epiphania keines Blickes, sondern legte schweigend Schleier und Perlenschnur zusammen, auch die goldenen Schildfranken dazu, alles ins Kästchen, und steckte dasselbe, nachdem sie es wieder geschlossen hatte, in das Lederbeutelchen, welches ihr an der Seite vom Gürtel an einer dicken Seidenschnur herniederhing.

      »Nun will ich,« sagte sie zu der Bäuerin,