Heinrich Zschokke

Ausgewählte Werke von Heinrich Zschokke


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Geschenk aber solle unberührt bei mir liegen, bis ich wüßte wer er sei und in welchen Absichten er Dich gesandt habe.«

      »Welches Zeichen soll ich ihm aber von Dir bringen, um zu beweisen, daß ich seinen Auftrag ehrlich vollzogen habe?« fragte die Bäuerin. »Er begehrte von Deiner Hand eine geschriebene Zeile oder von Deinem Haupte eine Haarlocke.«

      »Hüte Dich, Fania,« rief der Hauptmann, »ihm den geringsten Teil Deines Körpers zu behändigen, und wäre es auch nur ein abgeschnittenes Stückchen von den Nägeln Deiner Hände. Du läufst Gefahr, daß damit durch die vermaledeite Nekromante oder schwarze Kunst ein gräulicher Mißbrauch getrieben werde, zum Nachteil Deines eigenen Leibes und Lebens.«

      Epiphania schauderte. »Wüßte ich nur, wer es empfangen soll,« sagte sie halblaut.

      Da plötzlich erklang wieder die wunderbare Stimme: »Fabian! Fabian!« Während alle, selbst Addrich, bei diesem Rufe umherblickten, jeder nach einer andern Gegend des Gemaches, nahm Epiphania eine Scheere vom Fenster, schnitt einen kleinen Teil ihres Haares ab, das sich am Halse hinter ihrem Ohre zu einer natürlichen Locke gebogen hatte, und gab es dem Weibe mit den Worten: »Den Namen führt der böse Geist nicht im Munde. Nimm hin!«

      »Ich untersage es Dir, kraft meines Rechtes über Dich!« schrie der Hauptmann. »Ich will meine Braut lieber im Sarge, als in des Satans Klauen sehen.«

      »Unsinniger!« rief Epiphania. »Sie haben so wenig Recht über mich, als Deine eigenen Klauen. Mit dem Namen des dreieinigen Gottes banne ich die Hölle, und mit den Namen Fabians die höllische Kunst, die Du an mir bewiesen hast. Gehe, gehe, Deine Fallstricke sind zerrissen, in denen Du mich zur Sünde hinabzustürzen dachtest. Du wirst meine Sinne nicht mehr mit Deinem Hauch betäuben, meine Gedanken nicht mehr mit Deinem Zauber besudeln.«

      »Bist Du wieder irrsinnig?« rief Gideon. »So wahr ich lebe, es ist Dir schon von irgend einem Unholde angethan, daß Du mich so schändlicher Dinge beschuldigst. Auf rechtem Wege geschieht es nicht, daß Deine frühere Zuneigung in so unsinnigen Haß verwandelt worden ist. Ich fürchte, die vorwitzigen Händel, in die Du Dich mit unsichtbaren Geschöpfen eingelassen, haben Dich in eine böse Stellung gebracht . . . Addrich, Du stehst an Vaters Statt; gebiete ihr, die verdächtige Truhe zurückzugeben, und fordere von diesem Weibe die Haare zurück.«

      Stolz entgegnete Epiphania: »Ich bin die Tochter von Addrichs Bruder, nicht Addrichs leibeigene Magd.«

      »Addrich,« rief Gideon, »Du hast mir Epiphanias Hand zugesagt. Es ist für mich und Dich durchaus notwendig, daß Du in ihrer Gegenwart Dich offen aussprichst und von ihr kindlichen Gehorsam forderst.«

      »Hilf, gerechter Himmel!« schrie Epiphania. »Wohin bin ich geraten, daß man mich verschenken oder verkaufen darf? Ihr irret jedoch beide. Ihr könnet mich mit Gewalt zum Kirchhof tragen, aber nicht in die Kirche bis zum Altar.«

      Da erscholl die Stimme des Unsichtbaren wieder: »Je höher die Not, desto näher ist Gott!«

      Alle wandten ihre Augen gegen das offen gebliebene Innere der Doppelfenster, wo ein buntgefleckter, niedlicher Vogel auf einem der Blumengeschirre saß, den gelben Schnabel wetzte, die purpur- und dunkelgrünschillernden Federn schüttelte und noch einmal sprach: »Je höher die Not, desto näher ist Gott!

      Die Bäuerin Käthi Gloor bekreuzte und segnete sich bei diesem Anblick; des Hauptmanns Zunge schien vom Erstaunen gelähmt; Epiphania breitete mit freudeleuchtenden Augen ihre Arme, in der Stellung bittender Liebe, gegen das Fenster aus, und Addrich verzog lächelnd das Gesicht, indem er sagte: »Seht da den Staar! Wie kam der Tausendkünstler ins Zimmer?« Er näherte sich langsam dem Fenster und lockte den Vogel mit den Worten: »Matz! Matz!« Das zierliche Geschöpf jedoch drehte das Köpfchen behend nach allen Seiten und entflatterte in die Freiheit.

      »Behüte mich Gott in Gnaden!« sagte die Bäuerin, verbeugte sich zum Abschiede grüßend gegen Epiphania und entfernte sich eiligst aus dem Zimmer mit der üblichen Redensart der Landleute: »So lebet wohl und zürnet nicht!«

      »Folge dem Weibe, begleite es nach Seon,« redete Addrich hastig den Hauptmann an. »Seon liegt den Geschäften, die Dich erwarten, nicht auf dem Wege. Mir aber ist es so wichtig als Dir, zu wissen, wer das Mädchen hier so fürstlich beschenkt hat. Lasse dem Weibe die Haarlocke; Du wirst den Mann sehen, dem sie gebracht wird. Sage, Du selbst wollest Zeugnis für die richtige Bestellung ablegen. Mache das Weib unterwegs zutraulich und offenherzig: gieb Geschäfte in Seon oder Hallwyl vor. Tummle Dich! Morgen treffen wir uns vor Aarau.«

      »Du hast Recht, bei Gott!« rief Gideon. »Der Umweg ist eine Kleinigkeit gegen den Gewinn der da zu machen ist. Verlasse Dich darauf, ich fange das Wild, und wäre es schlauer als der Fuchs bei der Falle.«

      Er gab dem Alten die Hand zum Abschiede; als er sie aber auch Epiphania bot, trat diese schaudernd zurück und sagte: »Taste mich nicht an. Ich wollte, es lägen schon zehntausend Meilen zwischen Dir und mir.«

      Er blieb eine Weile traurig und schweigend vor ihr stehen, Blicke voll Unmut und Zärtlichkeit auf sie heftend. Dann sagte er mit sichtbarer Bewegung seines ganzen Wesens: »Fania, Du hast mich blutig gekränkt. Ich habe allezeit mit hoher Achtung gegen Dich gehandelt, habe mir nie die mindeste Freiheit erlaubt. Deine Neigungen waren in Übereinstimmung mit den meinigen. Ich weiß nicht, welcher böse Geist zwischen Dich und mich getreten ist.«

      »Fabian, Fabian!« rief Epiphania mit schadenfroher Miene, als könne sie damit einen Zauber bannen, der sie zu umgarnen drohe,

      »Dieser schlimme und unnütze Bursche soll mich weniger als ein körperloser Schatten hindern, Dich festzuhalten. Ich habe andere Majestäten gesehen! Schweige von dem Lotterbuben; Dich hat eine bösere Macht gebunden. Wahre Dich! Und obschon Du mich in den Tod beleidigt hast, wisse es, ich liebe Dich noch, und fürwahr, ich halte Dich höher als mein Leben und meiner armen Seele Seligkeit. Lebe wohl! Gern oder ungern, Du bist die Meine. Dich laß ich nicht fahren, und müßte ich Dir in die höllische Verdammnis folgen. Mache Deine Vorbereitung zur Hochzeit und gedenke mein. Haben wir den Tyrannen den Garaus gespielt, sollen sich Geigen und Trompeten zum Brauttanz hören lassen. Gieb mir die Hand zum Abschied!«

      »Gieb ihm die Hand, Thörin,« sagte Addrich, als er Epiphania Gideon den Rücken zuwenden und zum Fenster treten sah, von welchem der wunderbare Vogel verschwunden war. »Gieb ihm die Hand, damit er endlich gehe und die Spur des Weibes von Seon nicht verliere.«

      »Möge er von jetzt und bis in Ewigkeit die meinige dazu verlieren,« sagte Epiphania.

      »Ei, Gideon, so laß die Grillenfängerin!« rief der Alte ärgerlich. »Es steht einem Kriegsmanne übel, beim Mädchen zu faseln, während er alle Stunde in der Lage ist, dem Feinde ins Auge schauen zu müssen. Fort mit Dir! Das Vöglein will ich Dir wohl bewahren, sorge nur für den goldenen Käfig, wohinein Du es setzest. Erbeute Dir ein Schloß in Bern, und es soll Dir nicht fehlen. Fort! Deine schädliche Säumigkeit bringt Dich um die Bekanntschaft eines Nebenbuhlers in Seon.«

      Er führte ihn während dieser Rede aus dem Zimmer der Jungfrau hinweg, die Stiege hinunter; ließ ihm kaum Zeit, den Degengurt über die Achsel zu werfen und den breiten Schwedenhut mit dem weißen Federbusch in die Stirn zu drücken. Er begleitete ihn eine Strecke aufwärts zum Berge hin, wo das Weib ging, und kehrte dann mit dem Zuruf: »Glückliche Verrichtung! Morgen auf Wiedersehn im Suhrfelde vor Aarau!« nach seinem Hause um.

      18.

       Gespräch um Mitternacht.

       Inhaltsverzeichnis

      Der Alte verschloß sich alsbald in sein Zimmer und blieb dort lange allein, obwohl es indessen finstere Nacht geworden war. Als er wieder zum Vorschein kam, warf er eine Menge zerschnittener Papiere in die Flamme des Herdfeuers, zündete die Lampe an und befahl, daß einer nach dem andern jeder von seinen Hausleuten, wie er sie der Reihe nach rufen ließe, vor ihm erscheinen solle. Er pflegte dies jedesmal zu thun, wenn er eine Reise von mehreren Tagen oder Wochen vor hatte.

      Es