nichts zu wissen schien, war ich außer mir und begegnete ihm sehr kurz. Er bemerkte das nicht einmal, er schien ganz in Gedanken verloren.
Am Abend dachte mein Vater, dass ein wenig Musik ihm eine Zerstreuung machen würde. Ich hatte in Albert’s Gegenwart noch nicht gesungen. Meine Harfe war erst Tages zuvor angekommen. Vor Ihnen, der Meisterin, darf ich mich freilich nicht rühmen, dass ich in der Musik etwas leisten kann. Sie werden aber wenigstens sehen, liebe Porporina, dass ich eine hübsche Stimme habe, und dass es mir, an natürlichem Geschmack nicht fehlt. Ich ließ mich bitten, ich hatte mehr Lust zu weinen, als zu singen. Albert sagte kein Wort. Endlich gab ich nach, aber ich sang sehr schlecht, und Albert hatte die Grobheit, nach einigen Takten hinauszugehen, als ob ich ihm die Ohren zerrisse. Ich musste meinen ganzen Stolz zusammennehmen, um nicht in Tränen auszubrechen, und um mein Stück zu beendigen ohne die Saiten meiner Harfe zu sprengen. Meine Tante war ihrem Neffen nachgegangen, mein Vater war eingeschlafen, mein Onkel stand an der Tür und erwartete die Rückkunft seiner Schwester, um nach Albert zu fragen. Nur der Abbé blieb übrig, um mir Komplimente zu machen, die mich aber noch mehr ärgerten als die Achtlosigkeit der anderen.
– Mein Cousin scheint die Musik nicht zu lieben, sagte ich zu ihm.
– Im Gegenteil, er liebt sie sehr, entgegnete er, aber jenachdem …
– Jenachdem man singt, fiel ich ihm in die Rede.
– Jenachdem er gestimmt ist, fuhr er fort, ohne sich außer Fassung bringen zu lassen; manchmal tut ihm die Musik wohl, manchmal wehe. Sie haben ihn sicherlich so ergriffen, dass er in Besorgnis war, nicht an sich halten zu können. Und sein Weggehen ist schmeichelhafter für Sie, als die größten Lobsprüche.
Die kriechende Artigkeit dieses Jesuiten hatte so etwas tückisches und hämisches, dass sie mir ganz abscheulich war. Aber ich wurde bald davon befreit, wie Sie gleich hören werden.
11.
Am folgenden Tage hatte meine Tante, die immer nur spricht, wenn ihr Herz bewegt ist, den unglücklichen Einfall, sich in eine Unterhaltung mit dem Abbé und dem Kaplan einzulassen. Und da es außer der Liebestätigkeit für die Ihrigen, welche ihre Seele beinahe ganz ausfüllt, nur noch einen einzigen Gegenstand auf der Welt gibt, an dem sie eine Zerstreuung findet, nämlich ihren Familienstolz, so verfehlte sie nicht, diesen zu kitzeln, indem sie sich über ihren Stammbaum verbreitete und den beiden Priestern erklärte, dass unser Geschlecht das reinste, edelste und herrlichste in Deutschland, sonderlich durch die weibliche Linie wäre. Der Abbé hörte ihr mit Geduld und der Kaplan voll Ehrfurcht zu, als Albert, welcher gar nicht auf das Gespräch geachtet zu haben schien, plötzlich ihr in die Rede fiel.
– Sie scheinen sich, gute Tante! sagte er, über die Vorzüge unserer Familie einige Vorspiegelungen zu machen. Es ist wahr, dass der Adel und die Würden unserer Vorfahren in eine ziemlich ferne Vergangenheit hinaufreichen, aber eine Familie, die ihren Namen einbüßt, ihn gewissermaßen abschwört, um den Namen einer Geschlechts- und Glaubensfremden anzunehmen, hat das Recht verloren, sich mit dem Alter ihres Verdienstes und ihrer Treue gegen das Vaterland zu brüsten.
Diese Anmerkung war dem Stiftsfräulein sehr unangenehm; aber da der Abbé die Ohren gespitzt zu haben schien, glaubte sie etwas entgegnen zu müssen.
– Ich bin nicht deiner Meinung, liebes Kind! sagte sie. Es hat sich sehr oft begeben, dass berühmte Häuser mit gutem Rechte, um sich noch berühmter zu machen, ihrem Namen den eines mütterlichen Zweiges beigesellt haben, um nicht ihre Erben der Ehre zu berauben, die ihnen durch die Abkunft von einer ruhmvoll entstammten Frau zukommt.
– Aber auf unsern Fall lässt sich dieser Satz nicht anwenden, versetzte Albert mit einer Beharrlichkeit, die bei ihm nicht gewöhnlich war. Ich begreife die Vereinigung zweier berühmten Namen sehr wohl. Ich finde es in der Ordnung, dass eine Frau ihren Namen dem ihres Gemahls beigesellt auf ihre Kinder vererbe. Aber die völlige Unterdrückung dieses letzteren Namens scheint mir eine schwere Beleidigung von Seiten der Frau, welche sie bewirkt, eine Nichtswürdigkeit von Seiten des Mannes, der sie sich gefallen lässt.
– Du gehst auf sehr alte Geschichten zurück, Albert! sagte das Stiftsfräulein mit einem tiefen Seufzer, und wendest den Satz noch falscher an als ich. Der Herr Abbé könnte glauben, wenn er dich hört, dass irgend einer unserer Ahnen männlicher Seits einer Nichtswürdigkeit fähig gewesen wäre; und da du Dinge so gut kennst, von denen ich dich kaum unterrichtet glaubte, so hättest du eine solche Bemerkung in Betreff politischer Ereignisse … die Gott sei Dank, einer schon sehr fernen Zeit angehören … nicht machen sollen.
– Wenn meine Bemerkung Ihnen unangenehm ist, so will ich die Sache erzählen, um unsern Ahn Withold, den letzten Podiebrad, von jedem Tadel, der sein Andenken beflecken könnte, zu reinigen. Es scheint meine Cousine zu interessieren, setzte er hinzu, da er bemerkte, dass ich große Augen machte, als er sich in eine seiner philosophischen Richtung und seiner schweigsamen Gewohnheit so ganz und gar nicht entsprechende Verhandlung einließ. Erfahren Sie denn, Amalie! dass unser Urgroßvater Wratislav erst vier Jahre alt war, als seine Mutter von Rudolstadt ihm die Schmach glaubte auferlegen zu müssen, seinen wahren Namen, den Namen seiner Väter, den Namen Podiebrad, mit diesem sächsischen Namen zu vertauschen, den wir beide jetzt führen, Sie ohne zu erröten und ich, ohne stolz darauf zu sein.
– Es ist wenigstens eine ganz unnütze Sache, sagte Onkel Christian, dem dies Gespräch sehr unbehaglich zu sein schien, dergleichen alte Geschichten aufzuwärmen.
– Mir scheint, entgegnete Albert, dass Tante auf viel ältere Geschichten zurückgegangen ist, indem sie uns die Heldentaten der Rudolstadt erzählte, und ich begreife nicht, warum einer von uns, der sich zufällig daran erinnert, dass er von böhmischer und nicht von sächsischer Abkunft ist, dass er eigentlich Podiebrad und nicht Rudolstadt heißt, etwas gar so Unziemliches tun müsste, wenn er von Ereignissen redet, die immer doch nicht weiter als hundert und zwanzig Jahre rückwärts liegen.
– Ich wusste wohl, bemerkte der Abbé, der Alberten mit einiger Spannung zugehört hatte, dass Ihre berühmte Familie in der Vorzeit mit dem königlichen Geschlechte Georgs Podiebrad zusammenhing, aber das wusste ich nicht, dass sie in so gerader Linie von ihm abstammt, um den Namen derselben zu führen.
– Das kommt daher, sagte Albert, dass meine Taute, die sich so trefflich auf Stammbäume versteht, für gut befunden hat, den alten, ehrwürdigen