und pflügen, er hat vom Vater das Säen gelernt und von der Mutter das Hacken. Das Leben macht ihm Spaß, er wird den Hof schon in die Höhe bringen, das tut er!
Er pfeift.
Am Straßenrand richtet sich eine verwahrloste, lange Gestalt auf, zerlumpt der Anzug, verwüstet das Gesicht. Das ist keiner der unseligen Flüchtlinge, das ist ein Verkommener, ein Penner, ein Lump. Die versoffene Stimme krächzt: »He, Jung, nimm mich mit in die Stadt!«
Kuno Kienschäper ist beim Klange dieser Stimme zusammengezuckt. Er möchte aus dem behaglichen Toni einen Galopp herausholen, aber dafür ist es zu spät, und so sagt er mit gesenktem Kopf: »Sitz auf – nee, nicht hier bei mir! Hinten kannst du aufsitzen!«
»Warum nicht bei dir?«, krächzt der Mann herausfordernd. »Bin dir wohl nicht fein genug?«
»Schafskopp!«, ruft Kuno mit angenommener Grobheit. »Weil du hinten auf dem Stroh weicher sitzt!«
Der Mann fügt sich brummend, kriecht hinten auf den Wagen, und Toni fängt jetzt an, ganz von selber zu traben.
Der Kuno hat den ersten Schreck darüber verwunden, dass er da seinen Vater, nein, ausgerechnet den Barkhausen aus dem Straßengraben auf den Wagen hat laden müssen, ausgerechnet er, ausgerechnet den! Aber vielleicht war das gar kein Zufall, vielleicht hat der Barkhausen ihm aufgelauert und weiß genau, wer ihn da fährt.
Kuno schielt über die Schulter nach dem Mann.
Der hat sich ins Stroh gestreckt und sagt jetzt, als habe er den Blick des Jungen gespürt: »Kannste mir wohl sagen, wo hier in der Drehe ein Junge wohnt, aus Berlin, muss so um die sechzehn sind? Hier um die Drehe rum muss er wohnen …«
»Hier um die Drehe rum wohnen noch viele Berliner!«, antwortet Kuno.
»Das hab ich gemerkt! Aber das mit dem Jungen, wo ich meine, das ist ein Spezialfall – der ist nicht evakuiert damals im Kriege, der ist getürmt von seine Eltern! Haste von so ’nem Jungen mal gehört?«
»Nee!«, lügt Kuno. Und nach einer Pause fragt er: »Wissen Sie denn nicht, wie der Junge heißt?«
»Na ja, der heißt Barkhausen …«
»Einen Barkhausen gibt’s hier in der Drehe nicht, das müsste ich wissen.«
»Das ist komisch!«, sagt der Mann, tut, als müsse er lachen, und stößt dem Jungen die Faust schmerzhaft zwischen die Schultern. »Und ich hätt darauf geschworen, ein Barkhausen sitzt hier auf dem Wagen!«
»Da hätten Sie falsch geschworen!«, antwortet Kuno, und jetzt, da die Gewissheit da ist, schlägt sein Herz ruhig und kalt. »Ich heiß nämlich Kienschäper, Kuno Kienschäper …«
»Nee, aber so wat!«, tut der Mann erstaunt. »Der, wo ich suche, heißt nämlich auch Kuno, Kuno-Dieter nämlich …«
»Ich heiße bloß Kuno Kienschäper«, sagte der Junge. »Und dann: wenn ich wüsste, ein Barkhausen sitzt auf meinem Wagen, dann drehte ich die Peitsche um und prügelte den Kerl so lange, bis er runter wäre von meinem Wagen!«
»Nee, so wat! Nee, so wat! Jibt’s denn so wat?«, wunderte sich der Penner. »Ein Junge, der den eigenen Vater vom Wagen prügelt?«
»Und wenn ich den Barkhausen runtergeprügelt hätte«, fuhr Kuno Kienschäper unbarmherzig fort, »dann führe ich in die Stadt zur Polizei und sagte denen: Passt auf, ihr! Da ist ein Mann hier in der Drehe, der kann nichts wie Faulsein und Stehlen und Schaden stiften, der hat gesessen, der ist ein Verbrecher, den langt euch!«
»So wat wirste doch nich machen, Kuno-Dieter«, rief Barkhausen nun wirklich erschrocken aus. »Du wirst mir doch nicht die Polente auf den Hals hetzen! Jetzt, wo ich endlich mal wieder raus bin aus dem Bunker und mir richtig gebessert habe? Ich hab ein Zeugnis vom Paster, ich hab mir wirklich gebessert, und ich fass nischt Verbotenes mehr an mit meine Hände, det schwör ick dir! Aber ick hab gedacht, wo du ’n Gut hast und so in der Fettlebe sitzt, dass du deinen alten Vater auch mal ein bisschen bei dir ausruhen lässt! Es jeht mir jarnich jut, Kuno-Dieter, ich hab’s auf der Brust, ich muss mal ’n bisschen pausieren …«
»Dein bisschen Pausieren, das kenn ich!«, rief der Junge erbittert aus. »Ich weiß, wenn ich dich nur für einen Tag in unser Haus lasse, so machst du dich breit und bist nicht wieder wegzukriegen, und mit dir ist Unfriede und Unglück und Schmarotzerei ins Haus gezogen. Nein, jetzt machst du, dass du von meinem Wagen runterkommst, sonst drehe ich wirklich die Peitsche um!«
Der Junge hatte den Wagen halten lassen und war von ihm abgesprungen. Jetzt stand er da, die Peitsche in der Faust, zu allem bereit, um den Frieden des neuerworbenen Heims zu verteidigen.
Der ewige Pechvogel Barkhausen sagte kläglich: »Das wirste doch nich machen! Deinen eigenen Vater wirste doch nich schlagen!«
»Du bist ja gar nicht mein Vater! Das hast du mir früher leider oft genug gesagt!«
»Det is doch een Witz jewesen, Kuno-Dieter, vasteh det doch bloß!«
»Ich hab keinen Vater!«, schrie der Junge, rasend vor Zorn. »Ich hab eine Mutter, und ich fang ganz von Frischem an. Und wenn da Leute kommen von früher und sagen dies und das, dann prügele ich sie so lange, bis sie mich zufrieden lassen! Ich lass mir mein Leben nicht von dir verderben!«
Er stand so drohend da mit der erhobenen Peitsche, dass der Alte wirklich Furcht bekam. Er kroch vom Wagen und stand nun auf der Straße, feige Angst im Gesicht.
Feige drohend sagte er: »Ick kann dir viel Schaden machen …«
»Darauf hab ich gewartet!«, rief Kuno Kienschäper. »Auf das Betteln folgt das Drohen, so ist es immer bei dir gewesen! Aber das sage ich dir, das schwör ich dir zu: Von hier fahre ich direkt zur Polizei und erstatte Anzeige, dass du mir gedroht hast, unser Haus anzuzünden …«
»Det ha ick ja jarnich jesagt, Kuno-Dieter!«
»Aber gedacht hast du daran, das habe ich deinen Augen angesehen! Da geht dein Weg! Und merke dir, in einer Stunde sind die von der Polizei hinter dir her! Mach also, dass du schnell fortkommst!«
Kuno Kienschäper stand noch so lange auf der Straße, bis die verschlissene Gestalt zwischen den Kornfeldern verschwunden war. Dann klopfte er dem Braunen Toni auf den Hals und sagte: »Was, Toni, wir lassen uns von so einem nicht noch mal das Leben verpfuschen? Wir haben’s neu angefangen. Wie die Mutter mich in das Wasser gesteckt und mit ihren eigenen Händen allen Dreck von mir abgewaschen hat, da hab ich mir’s geschworen: Von nun an halte ich mich alleine sauber! Und das wird gehalten!«
In den nächsten Tagen wunderte sich Mutter Kienschäper manches Mal, dass der Junge so gar nicht vom Hofe zu kriegen war. Sonst war er immer der Erste bei der Feldarbeit gewesen, und jetzt wollte er nicht mal die Kuh auf der Weide tüdern. Aber sie sagte nichts, und der Junge