Ludwig Ganghofer

Die schönsten Heimatromane von Ludwig Ganghofer


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mein Recht ist von alter Zeit her.«

      »Ja, lieber Sohn, und dein Recht, das bleibt. Aber dem Kloster mußt du sein Recht doch auch vergönnen. Von vierzig Stück Vieh macht der Holdenzins am Michelstag vier schlachtbare Kalben. Das ist so von alter Zeit her.«

      »So? Der Holdenzins?«

      »Ja, lieber Greimold, das ist leicht gerechnet.«

      »Und daß ich von heut an Zinsen sollt wie die hörigen Grundholden –«

      »Von heut an?« warf Medardus verwundert ein.

      »Von heut an, ja! Hat Herr Friedrich, der Propst, das so geboten?«

      »Der Propst? Nein, lieber Greimold! Der hat wichtigere Sachen im Kopf als Zins und Steuer.«

      Der Bauer atmete erleichtert auf. »So weiß ich, wie ich dran bin. Herr Friedrich hätt wohl lieber mein freies Lehen als Holdengut seines Klosters. Aber noch allweil ist er gerecht zu mir gewesen. Geh heim, Bruder, und sag, daß ich ihn grüßen laß mit schuldiger Ehr!«

      »Ja, lieber Sohn, ich will’s ausrichten.« Freundlich tätschelte Medardus den Gotteslechner auf die Faust. »Aber was sag ich unserem Dekan, dem gestrengen Herrn Wernherus, der mich geschickt hat um den Michelzins?«

      »Dem sag, daß ich der freie Bauer im Gotteslehen bin.«

      »Ich sag’s ihm, gut! Aber die vier schlachtbaren Kalben, gelt, die gibst du mir mit?«

      »Bruder, jetzt hat der Spaß ein End!« Greimold wollte sich erheben.

      Medardus faßte ihn am Arm und zog ihn lachend wieder auf den Baumstock nieder. »Hitzköpfl, du! Laß doch in Ruh ein Wörtl mit dir reden! Was bist du auf einmal so bockbeinig? Warum willst du grad heuer den Michelzins nit zahlen? Du hast ihn doch allweil noch bezahlt, wie’s Brauch und Ordnung ist.«

      »Ich?« Der Bauer machte große Augen. »Wann hätt ich je im Leben dem Kloster gezinset wie ein höriger Mann?«

      »Wie’s sonst einmal gewesen ist, das weiß ich nimmer! Aber an Lichtmeß hast du deine Kuh und dreißig süße Käs gezinset, und am Michelstag im vorigen Herbst drei jährige Rinder und ein sömmeriges Kalb.«

      »Zinsmeister«, fuhr Greimold auf, »das ist gelogen!«

      Medardus warf schnell einen Blick zu den Knechten hinüber, während er gegen den Bauer beschwichtigend die Hände erhob.

      »Greimold! Lieber Mann! Wie magst du so ein böses Wörtl brauchen? Wenn ich das meinem Herren sag –«

      »Sag’s! Meinethalben!« Man sah es dem Gotteslechner an, wie schwer es ihm wurde, seine Ruhe zu bewahren. »Aber sag ihm auch, was du voraus geredet hast!«

      »Ich tat doch so was nie und nimmer sagen, wenn’s anders wär. Such dir einen schriftkundigen Mann und laß ihn nachschauen, ob’s nit klar und richtig im Holdenbuch verzeichnet steht: An Lichtmeß, Greimold der Vorderecker, hat gezinset dreißig Käslein und eine Kuh – am Michelstag, Greimold der Vorderecker, hat gezinset ein Kalb und drei jährige Rinder!«

      »Das steht im Holdenbuch?«

      »Ja, lieber Sohn, das steht!«

      Greimold erhob sich. »So hat der sell, der das geschrieben hat, wie ein Meineidiger getan und das Buch gefälscht.«Erschrocken schlug Bruder Medardus die Hände zusammen. »O Mensch! Du unglückseliger Mensch! Wie kannst du einen solchen Schimpf erheben gegen einen so frommen und gerechten Herren wie unser Dekan Wernherus?« Er preßte die Hände über die Ohren. »Das will ich nit gehört haben. Das tät ein Unglück geben.«

      Der Bauer wollte sprechen. Da stand ein Fronbot neben ihm und sagte: »Der Zinsmeister kann tun, wie er mag, kann hören oder kann sich taub stellen in seiner Gutheit. Mein Gesell und ich, wir stehen mit Eid in Pflicht und Amt. Du hast dem Kloster den Zins verweigert und hast meinem Herren gegen die Ehr geredet.« Er faßte den Bauer am Arm. »Du gehst mit uns!«

      Greimold stand mit erblaßtem Gesicht. »Jetzt merk ich, wo’s hinaus will. Ich denk an mein liebes Mädel daheim und zwing mich zu einem letzten Wörtl in Ruh. Hab ich gegen euren Herren einen Fehl begangen, so soll er mich als freien Mann, der ich bin und bleib, am Gedingtag vor den Richter rufen. Aber du, Scherg? Tu deine Hand von meinem Arm! Oder –«

      »Oder was?« klang es hinter ihm mit lachender Frage. Ehe der Bauer sich wenden konnte, hatte ihn schon der zweite Fronknecht am anderen Arm gepackt.

      »Oder das!« keuchte Greimold und schleuderte den Knecht mit wuchtigem Armschwung von sich weg. Er wollte zu dem Baum, in dem sein Messer stak. Da traf ihn von rückwärts ein Knüppelschlag in die Kniekehlen. Er stürzte zu Boden. Bevor er sich wieder aufzurichten vermochte, war ihm schon eine Seilschlinge über den Leib geworfen, und die Fronboten lagen mit den Knien über ihm. Der eine schnürte dem Bauer die Arme zusammen, der andere preßte ihm den Knebel zwischen die Zähne.

      Bruder Medardus zischelte den Knechten zu: »Flink! Im Wald da drüben seh ich ein Weibsbild kommen. Fort, ehe sie zu lärmen anhebt und die Sennleut ruft!«

      Schon klang es im Wald mit gellender Stimme: »Leut! Leut! Mordio! Leut! Sie schlagen den Hauswirt tot! Mordio, Mordio!«

      Hastig rissen die Knechte den Gefesselten vom Boden auf und suchten ihn fortzuzerren. Da taumelte einer der Fronboten zur Erde, von einem Faustschlag ins Genick getroffen. Und während der andere Knecht erschrocken den Jäger anstarrte, der diesen Schlag geführt hatte und jetzt mit dem Weidmesser die Stricke zerschnitt, die dem Bauer die Arme fesselten, kam ein Mädel aus dem Wald gerannt, das bleiche vergrämte Gesicht vom offenen Schwarzhaar umflattert. Mit einem langen Buchenast, den sie aufgerafft, begann sie wie eine Wahnsinnige auf den erschrockenen Fronboten loszuschlagen, der sich im ersten Augenblick keine Hilfe wußte und die Hiebe wehrlos auf seinen Rücken fallen ließ.

      Greimold, als ihm die Stricke von den Händen fielen, zerrte den Knebel aus seinem Mund, sprang auf den Baum zu, in den er das Messer gestoßen, und riß die Waffe an sich. »Vergelts Gott, Jäger! Und du, Ruglind, laß ihn laufen, den Schandbuben! Jetzt hab ich ein Eisen in der Hand. Sie sollen nur kommen!«

      Die Magd warf den Stecken zu Boden und wischte an ihrem Rock die Hände ab, als hätte sie schmutzige Arbeit getan. »Der Lump, der gottvergessene!« sagte sie halb atemlos. »Mich hat er ins Elend gebracht, mein Kindl hat verdursten müssen, derweil ich am Schandpfahl gestanden bin, und jetzt tat er mir noch den guten Hauswirt packen!« Sie spuckte aus und ging auf die Hütte zu, als wäre die Sache für sie erledigt. »So ein Saukerl, so ein ehrloser!«

      Man hörte Stimmen im Wald, und Greimold rief den Fronboten zu: »Ist euch der Mut vergangen? Ja? So traget nur flink euren Buckel heim! Da kommen meine Sennbuben. Die haben grobe Faust.« Mit rauhem Lachen stieß er das Messer in die Scheide, die an seinem Gürtel hing. Die beiden Knechte standen ratlos, der eine mit bleichem Gesicht, der andere, den die Magd geprügelt hatte, mit rotem Kopf. Bald musterten sie scheu den Jäger, bald wieder schielten sie zu Bruder Medardus hinüber. Der schien die Sprache verloren zu haben. Seine Hamsterbacken schlotterten, und während er am Gurt seiner Kutte nestelte, starrte er den Jäger an, als stünde ein Gespenst vor ihm, an das er nicht glauben wollte.

      Blitzenden Zorn in den Augen, trat Irimbert auf ihn zu. »Medardus! Das war ein häßliches Spiel, das du mit diesem redlichen Mann getrieben hast. Geh heim, du frommer Bruder! Du siehst wohl, dein Geschäft ist aus.«

      Erst diese Stimme schien dem Zinsmeister zu sagen, wer vor ihm stand. Wie staunend schlug er die Hände zusammen und rief mit krächzendem Lachen: »Ja, schau nur, schau! Portento simile miraculoque! Schau, da hab ich gar einen kostbaren Fund getan! Da steht’s ja vor mir, das irrende Schäflein, das dem strengen Hirten Wernherus schon mangelt einen Tag und eine Nacht. Und hat sich verwandelt in einen reißenden Wolf, der wider die eigenen Brüder beißt.«

      Ein Lächeln der Verachtung zuckte um den Mund des Jägers.

      »Meinst du mit den Brüdern die Schafe oder die Wölfe?« Fünf Männer kamen mit Geschrei gelaufen, ein alter Weißkopf und vier stämmige Burschen, der Altsenn