sie wieder in Hollwegs Zimmer angelangt sind, schwingt sie sich auf die Lehne des Sessels, in dem Hollweg Platz genommen hat.
»Sag mal, Vater«, bringt sie stockend hervor. Man sieht ihr an, wie peinlich es ihr ist, von dem zu sprechen, was sie bedrückt. »Bin ich eigentlich arm? Können wir das Haus nach unseren Wünschen einrich-
ten?«
»Keine Sorge, Mädel, du bist reich und kannst dir alles erlauben. Ich habe ein Menschenleben nur gespart. Vielleicht unbewußt für dich.«
*
Monate sind vergangen.
Stefanie und Phil sind längst ein glückliches Paar, so glücklich, wie Hollweg es einst sein wollte.
Hollweg ist ordentlich jung geworden. Täglich geht er zu seinen Kindern hinüber. Manchmal aber ist auch Stefanie in der Klinik und steht Phil zur Seite. Mit einem nicht zu überbietenden Eifer hat sie gelernt. Sie weiß schon erstaunlich viel und ist Phil eine nicht unwesentliche Hilfe.
Er bespricht mit ihr besonders schwere Fälle und gibt viel auf ihr Urteil. Sie hat schon manche Nacht an einem Krankenbett verbracht, hat Tränen getrocknet und versucht, Leid zu lindern.
Langsam wird sie zum Mittelpunkt. Einladungen gehen ein. Hollweg, der früher diesen Dingen fast ängstlich ausgewichen ist, nimmt jetzt mit Begeisterung daran teil. Nicht genug kann er sich daran tun, seine schöne Tochter und seinen immer bekannter werdenden Schwiegersohn in den Vordergrund zu rücken.
Philipp staunt, welch großes Arbeitspensum Stefanie täglich erledigt. Wenn er sie bittet, etwas Einhalt zu tun, lacht sie ihn aus.
»Ich bin kerngesund, Phil, soll ich hinter deinem Arbeitseifer zurückstehen?«
Da läßt er sie gewähren, aber ganz einverstanden ist er nicht damit. Sie ist sehr zart, und er fürchtet für ihre Gesundheit.
Eines Tages ist es soweit. Sie sinkt einfach vor seinen Augen zu Boden. Eine lange Ohnmacht hält sie umfangen.
Der Professor kommt angestürzt. Ein befreundeter Arzt wird gerufen, und er untersucht Stefanie.
Hollweg und Philipp sitzen im Vorzimmer und warten in bedrückendem Schweigen auf sein Erscheinen und seinen Bericht.
Endlich öffnet sich die Tür. Der Arzt lächelt. »Aber verehrte Kollegen«, wehrt er sie ab, als sie ihn beinahe überfallen, »zwei so tüchtige Ärzte, und keiner ist auf die natürlichste Ursache dieser Ohnmacht gekom-
men?«
Betreten sehen sich beide an.
»Ihre Gattin erwartet ein Kind.«
Unbeschreiblich der Anblick der beiden Gesichter.
»Ein Kind! Ein Kind!«
Titanus reißt sich los und stürmt in das Schlafzimmer zu Stefanie. Aus großen leuchtenden Augen blickt sie ihm entgegen. Ihm ist seltsam zumute. Er kniet vor ihr nieder, nimmt ihre Hände und küßt sie abwechselnd.
*
Der Frühling mit seinen berauschenden Blüten ist ins Land gekehrt, und damit ist auch Stefanies schwere Stunde gekommen.
Hollweg kann nicht weg, aber Philipp geleitet seine junge Frau in eines der hohen, lichten Zimmer im Sanatorium. Ein Spezialist ist bereits aus Rom gekommen.
Philipp Titanus weicht nicht vom Lager Stefanies, die sich, von Schmerzen gepeinigt, das schwere Haar naß vom Schweiß, hin und her wirft.
»Können Sie denn gar nichts tun?« fragt er den Arzt böse.
»Noch nicht«, erwidert dieser gelassen, was Philipp an den Rand der Verzweiflung bringt.
An einem Sonntag, morgens gegen acht Uhr, kommt das Kind zur Welt. Es ist ein Mädchen.
Glücklich, erschöpft ruht Stefanie in den Kissen. Zu beiden Seiten sitzen Phil und ihr Vater. Das winzige, in Seiden und Spitzen gehüllte Wesen hat man ihr in den Arm gelegt.
»Nina soll sie heißen«, sagt sie in die Stille hinein, und die Männer sehen sich lächelnd an, als hätten sie es geahnt.
Später, als die Herren zurück zu ihrer Arbeit müssen, steht Milchen vor Stefanies Bett. Diese weist strahlend auf das Menschenkind in dem kleinen Bett.
»Da hast du sie – deine Nina.«
Milchens runzelreiches Gesicht klärt sich auf. Behutsam tastet sie über die weiche Wange des schlafenden Kindes.
»Nina«, wiederholt sie andächtig.
Von Stunde an läßt sie sich nicht mehr von Stefanies Bett und aus dem Zimmer vertreiben.
»Ich habe die Großmutter erzogen, die Mutter, und nun gehört meine Pflege dem Kind.«
Zuerst betrachtet man die Alte mißtrauisch. Doch als man bemerkt, mit wieviel Sorgfalt, Gewissenhaftigkeit und Pünktlichkeit sie ihren Dienst bei der jungen Frau und dem Mädchen versieht, da hat Milchen bei ihnen gewonnen, und keiner redet ihr mehr hinein. Selbst Stefanie wagt es nicht. Sie lächelt nur, weiß sie doch ihr Kind bei Milchen in den allerbesten Händen.
Schöner denn je, steht sie von ihrem Wochenbett auf, und langsam wächst sie wieder hinein in ihre Pflichten.
Als Stefanies Geburtstag herangekommen ist, führt Hollweg sie in Philipps Arbeitszimmer.
Sie bricht plötzlich in Tränen aus, so unverhofft trifft sie der Anblick des lebensgroßen Bildes, das Hollweg von Nina hat anfertigen lassen.
»Oh, Vater!«
Sie lehnt fassungslos weinend an seiner Schulter. Sie kann sich kaum beruhigen. Nach einem, kleinen Bild hat Hollweg es von Keller malen lassen.
»Und noch eine Überraschung, Kind«, sagt Hollweg und hebt das verweinte Gesicht Stefanies zu sich empor. »Die Kellers kommen demnächst zu uns. Dann lasse ich dich mit dem Kinde malen.«
Abermals küßt sie ihn und eilt dann in Phils Arme. Sie glaubt, noch nie so glücklich gewesen zu sein wie in dieser Stunde.
*
Täglich wartet man auf die Post aus Deutschland, auf ein Telegramm, aber nichts kommt.
Langsam wird man schon unruhig. Der Termin ist längst überschritten.
Da trifft die Hiobsbotschaft ein.
»Thomas tödlich verunglückt, Maritta dem Wahnsinn nahe. Rösler.«
Man ist entsetzt und wagt zunächst keine Äußerung. Stefanie nimmt das Telegramm immer wieder zur Hand, um es weinend wieder wegzulegen.
Arme Maritta! Sie haben so wunderbar zusammengepaßt, die beiden Menschen. Sie haben sich großartig ergänzt und die Erfüllung im anderen gefunden. Und nun reißt sie ein unbarmherziger Tod auseinander.
Stumm geht sie aus dem Zimmer, hinüber zu ihrem Kind. Dort verharrt sie, von Schluchzen geschüttelt. Vor ihr liegt ein Stück Leben, ein Stück von ihr selbst, quicklebendig und strahlend vor Gesundheit – und Thomas ist tot.
Philipp folgt ihr. Unweit von ihr läßt er sich nieder.
»Man sollte Maritta hierherholen, damit sie andere Eindrücke gewinnt.«
Sie hebt die verweinten Augen. »Meinst du?«
»Ich werde Dr. Rösler telegrafieren. Er soll sie uns bringen.
Vier Wochen später geht die Nachricht ein, daß Rösler und Maritta unterwegs sind. Nun rüsten sie zum Empfang. Sie verbergen alle ihr Erschrecken, als Rösler seiner Nichte aus dem Wagen hilft.
Ist diese überschlanke farblose Frau mit den glanzlosen Augen noch die strahlend schöne Maritta?
Mit aller Liebe widmet Stefanie sich der Freundin. Als sie sie zuerst an das Bett ihres Kindes führt, sieht sie etwas wie Glanz in den grünlichen Augen aufglühen.
»Ein Kind, wenn ich ein Kind hätte«, murmelt sie kaum