Karin Bucha

Karin Bucha Paket 1 – Liebesroman


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bin ich in dem Städtchen umhergelaufen. Ich fand die Familie nicht, soviel ich auch suchte. Elender noch, als ich gekommen war, trat ich die Heimreise an.

      Je mehr ich mich der ›Dahlenburg‹ näherte, desto größer wurde das Gefühl nahenden Unheils in mir.

      Es dunkelte bereits, als ich das Haus betrat. Keine Menschenseele ließ sich sehen. Wie unter einem Bann legte ich meine Überkleider ab, stieg die Treppen empor.

      Mich trieb es zu meinem Kinde.

      Da öffnete sich eine Tür vor mir: Hermine trat heraus. Sie maß mich mit einem spöttischen Blick, der mir das Blut in die Wangen trieb.

      »Was macht Jutta?« fragte ich sie sofort, erhielt aber keine Antwort. Mit einem Achselzucken ließ sie mich mit meiner Angst stehen.

      Die Gedanken hetzten mir durcheinander. Ich flog fast dem Kinderzimmer zu, in das Hermine soeben verschwunden war.

      Was nun folgte, war so grauenhaft, daß ich –«

      Melitta schluchzte heiß auf. In Andersens Gesicht zuckte es vor Erschütterung.

      Mit unsicherer Stimme bat er:

      »Melitta, laß das Vergangene ruhen. Ich kann mir denken, was weiter geschah.«

      »Nein!« wehrte sie verzweifelt ab. »Auf so viel Gemeinheit kannst du nicht kommen!«

      Nachdem sie sich etwas gesammelt hatte, fuhr sie fort

      »Im Speisezimmer stand Hermine. Ohne einen Blick auf sie zu werfen, eilte ich dem Schlafzimmer zu. – Da kam Hermine mir zuvor und deckte mit ihrem Körper die Tür zu.

      ›Was soll das?‹ fragte ich angstgepeitscht. ›Warum verweigert man mir den Zutritt zu meinem Kind?‹

      ›Du hast dir das Recht dazu verwirkt!‹ gab sie mir kalt zur Antwort. ›Übrigens, Bernhard erwartet dich zu einer Unterredung.‹

      Wie gehetzt lief ich dem Zimmer meines Mannes zu und stürzte hinein. Atemlos lehnte ich mich an den Türpfosten. Mit beiden Händen mußte ich mich festhalten, um nicht zusammenzubrechen.

      Halb im Dunkeln lag das Zimmer, nur die Schreibtischlampe brannte. Bernhard saß, den Kopf in die Hände gestützt, an seinem Schreibtisch.

      ›Bernhard!‹ schrie ich auf.

      Langsam erhob er sich, warf mir einen halb anklagenden, halb hilflosen Blick zu und kam mir entgegen.

      Die Arme verschränkt, blieb er vor mir stehen. – Und nun prasselten die Anschuldigungen nur so auf mich herab. Seine Rede brauste an meinen Ohren vorüber. Nur eines verstand ich: Bernhard, den ich liebte – er traute mir nicht mehr!

      Folgendes sprach er zu mir:

      ›Woher kommst du?‹

      Ich wollte ihm alles gestehen – doch kein Wort kam über meine Lippen.

      ›Also auch noch verstockt bist du! Das ist mir Beweis genug! Drei Jahre lang hast du mich täuschen können – hast mir Liebe geheuchelt – und dachtest an den anderen!‹

      ›Bernhard!‹ schrie ich auf.

      Da trat er nahe an mich heran und preßte mir das Handgelenk zusammen.

      ›Also auch noch leugnen willst du, wo mir Hermine die Wahrheit bekannte? Auch die Existenz – deines Kindes – dieses Jungen, willst du einfach totschweigen? Hermine hat lange gezögert, ehe sie dich verriet! Was hat das arme Mädel um deinetwillen gelitten! Sie mußte alles ertragen, um deine Schande zu decken – und ich mußte dir das Geld dazu geben! Hat Hermine dich nicht gebeten, mir alles zu gestehen? Warum hast du nicht den Mut dazu gefunden? Vielleicht wäre noch alles gut geworden – heute ist es zu spät! – Heute noch hast du mein Haus zu verlassen – ohne das Kind noch einmal zu sehen! Es ist bei Hermine gut aufgehoben! Nur ihr verdanke ich, daß sie mich langsam darauf vorbereitete, und ich nicht zusammengebrochen bin!‹

      Meine Blicke irrten durch das Zimmer.

      Auf einmal wurde mir alles klar: Hermine haßte mich – da sie meinen Mann liebte – sie hatte diesen verwerflichen Plan ausgedacht, um mich zu vernichten! – Oh, wie wunderbar es ihr gelungen war! Und ich hatte für sie gelitten und – gelogen!

      In diesem Augenblick starb die Liebe zu meinem Mann – ich hätte auch ohne seine Maßnahme nicht eine Stunde noch neben ihm leben können! Alles bäumte sich jedoch in mir dagegen, daß ich mein Kind verlassen sollte –.

      Ach, es war ein heißer Kampf, den ich ausfocht – und in dem ich doch unterlag! In derselben Nacht noch mußte ich das Haus verlassen!

      Damals glaubte ich, Hermine wäre es gelungen, sich in sein Herz zu schleichen. – Das hat sie jedoch nicht fertigbringen können – Aber mein Leben hat sie vernichtet. – Ich hätte es von mir geworfen – wäre nicht der gütige Mann, mein späterer Ehemann, gewesen.

      Er hat auch dafür gesorgt, daß meine Ehe mit Dahlen geschieden wurde. Ich habe es laufen lassen, wie es kam. Eine Versöhnung wäre undenkbar gewesen.

      Heimburg hatte mich mit aller Liebe dem Leben wieder zugeführt – zusammen mit seinem Sohn Klaus.«

      Hier unterbrach Ullrich Andersen ihren Bericht.

      »Klaus Heimburg – sagst du?«

      »Ja. Ich sehe an deinem Erstaunen, daß du ihn kennst. Er ist mein Stiefsohn, denn Alex Heimburg trug mir später seine Hand an, um mich vor Sorgen zu schützen, wenn er nicht mehr sein sollte.«

      Schwer rang sich der Atem aus Andersens Brust. – Das war ein Leid, gegen das ihm das seine plötzlich so klein vorkam! – Nichts war es gegen das, was dieses Herz erduldet – um einer rachsüchtigen Frau willen!

      Jetzt konnte er sich auch seine Abneigung gegen Hermine von Erlstett erklären. Hatte er unbewußt in ihr die Feindin der zarten, duldsamen Frau gefühlt? –

      Und nun wallte der Zorn gegen diesen Menschen in ihm hoch. Er sprang auf, durchmaß mit festen Schritten den Raum, und so oft er an dem Sessel vorüberschritt, in dem Melitta zusammengesunken verharrte, ballten sich seine Hände.

      Grausamer konnte das Schicksal nicht verfahren, wie es sich an ihm und ihr erfüllt hatte! Mit einem Ruck blieb er vor Melitta stehen, sah mit unendlicher Liebe auf das gesenkte Haupt hinab.

      »Da habe ich mich nun ein Leben lang nach dir gesehnt und – –«

      »Ullrich!« kam es fassungslos von ihren Lippen.

      »Ja, nimmst du es übel, wenn ich offen zu dir bin? Einmal bin ich an meinem Glück vorbeigelaufen – diesmal nicht mehr.«

      »Und – Jutta?« halb in Sorge, halb in verhaltenem Jubel kam ihre Frage.

      »Ist meine Braut – das wolltest du doch damit sagen? Aber endlich will ich das aussprechen, was ich mir noch vor kurzem selbst nicht eingestehen wollte: ich habe in Jutta immer nur dich geliebt!«

      »Du liebst mich noch?« fragte sie erschauernd. Scheu drückte sie sich in ihren Sessel. Und dieses scheue Zurückweichen nahm ihm die letzte Überlegung.

      Mit einem unterdrückten Jubellaut zog er sie zu sich empor, und küßte ihre Hand.

      Und nun brach es aus ihm hervor. Alle in seinem Herzen aufgespei-

      cherte Sehnsucht nach ihr kam in seinen Worten zum Ausdruck.

      »Nun hat dich mein Geständnis ganz hilflos gemacht! Doch – in deinen Augen steht es geschrieben! Fast kommt es mir vor, als sei es Entsetzen! Aber das darf nicht sein! Bin ich deshalb ein ganzes Leben einsam geblieben, um dich jetzt von mir zu lassen? Oder habe ich dich so sehr erschreckt?«

      »Nein!« antwortete sie mit zuckenden Lippen. »Nur erweckt hast du, was in mir geschlummert hat! Auch ich will offen sein – als ich dir heute zum ersten Male wieder gegenübersaß, hatte ich das Gefühl, als hätte ich nur auf dich gewartet!«

      »Melitta!« In diesem Wort lag alle Glückseligkeit.