und vor ihm lag eine Anzahl Bogen. Jetzt beugte er sich über ein Buch und machte Eintragungen auf dem Bogen.
Klaus verfolgte angestrengt jede Bewegung des Mannes.
Endlich klappte Pegau das Buch zu, nahm es unter den Arm und suchte Bernhard Dahlens Zimmer auf.
Vorsichtig folgte ihm Klaus. – Und da sah er Pegau das Buch in den Geldschrank legen.
Die Erfindung! durchfuhr es Klaus.
Hastig ging er auf seinen Lauscherposten zurück. Pegau kam ihm sofort nach. – Es war also höchste Zeit gewesen!
Alle Sinne waren bei Klaus angespannt – am liebsten hätte er den Mann zur Rede gestellt.
Klaus wartete, bis Pegau sich entfernt hatte, dann ging er ebenfalls in Dahlens Zimmer, trat an den Schreibtisch. Es war fast unglaublich, aber die Mittelschublade war unverschlossen, und in ihr lagen die Schlüssel für den Geldschrank!
Noch zögerte Klaus. Durfte er es wagen und eigenmächtig handeln? Er warf seine Bedenken beiseite. Nicht Unrecht wollte er tun, sondern sich nur Gewißheit verschaffen.
Er öffnete den Geldschrank, nahm das Buch heraus. Es war ein wissenschaftliches Werk über technische Erfindungen, die zum Teil unausgereift geblieben waren, dennoch interessant genug, der Fachwelt zugänglich gemacht zu werden.
Ahnungsvoll griff Klaus zu den Bogen, die daneben lagen, und seine Ahnung erfüllte sich:
Pegau hatte verschiedene Formeln und Berechnungen aus diesem Buch einfach abgeschrieben und – anders konnte es nicht möglich sein – damit Bernhard Dahlen eine Erfindung vorgetäuscht, an der er angeblich arbeitete.
Betrug war das, ein ganz gemeiner, billiger Betrug.
Bisher hatte Bernhard Dahlen noch nicht mit anderen Technikern über diese Erfindung gesprochen, denn sonst hätte Pegau längst entlarvt sein müssen. Trotzdem mußte etwas durchgesickert sein. Wie wäre Härtig sonst zu der Bemerkung gekommen, daß mit dieser geheimnisvollen Erfindung etwas nicht stimmen könnte?
Sorgfältig verschloß Klaus Heimburg wieder den Geldschrank. Noch wußte er nicht, was er unternehmen sollte. Aber eines stand für ihn fest: er mußte Bernhard Dahlen warnen.
*
Dahlen hatte sich in Abwesenheit der Damen recht einsam gefühlt und mehrmals das Verlangen gespürt, dieser Einsamkeit zu entfliehen.
Als die Damen dann wieder bei ihm waren, ließ er seine Blicke oft auf Hermine von Erlstett ruhen. Sie war noch immer eine schöne Frau; wenn sie ihn nun auch eines Tages verließ?
Liebe – nein, die empfand er nicht für sie; aber als Repräsentantin seines Hauses war sie die geeignetste Frau.
Hermine hantierte am Teetisch, während Jutta sich in ihr Zimmer zurückgezogen hatte.
Bernhard Dahlen saß, einen nachdenklichen Zug um den Mund, bereits am Teetisch, beobachtete jede Bewegung Hermines.
Begeistert berichtete ihm diese über die verlebten Tage.
»Also, schön war es«, meinte Dahlen. »Vielleicht bist du nur ungern zurückgekehrt?«
Überrascht hob sie den Kopf.
Lag hinter den teilnehmend klingenden Worten mehr, als sie besagen wollten?
Geschickt verbarg sie ihre Spannung.
»Wie kommst du darauf?« fragte sie scheinbar gleichgültig. »Man wird älter, sehnt sich nach Ruhe; was wäre wohl besser dazu geeignet als unser liebes Narbach?«
»So hast du nie mit dem Gedanken gespielt, eine Familie zu gründen und Narbach zu verlassen?«
Sie nahm ihm gegenüber Platz, ihre Hände legten ein Mundtuch zierlich zusammen. So brauchte sie nicht aufzusehen, konnte das Aufblitzen ihrer Augen vor ihm verbergen.
Sie ließ lange auf eine Antwort warten. Dahlen war es plötzlich, als müßte er sofort Klarheit zwischen sich und ihr schaffen.
»Du antwortest nicht, Hermine. Also habe ich doch eine verwundbare Stelle getroffen.«
Jetzt hatte sie sich wieder in der Gewalt.
»Es hat einmal eine Zeit gegeben, wo ich dein Haus verlassen wollte. Damals, als ich dir über den schweren Schlag, den dir Melitta zugefügt, hinwegzuhelfen versuchte. Ich hatte es mir so leicht vorgestellt, aber es war zuviel, was ich mir zumutete. Du lebtest nur in der Erinnerung an Melitta und gingst an mir vorüber! Das war eine schwere Zeit für mich, und ich habe lange mit mir gekämpft, bis ich gelernt habe, zu verzichten.«
Teils peinlich berührt durch dieses Bekenntnis, teils froh, die noch bestehenden Zweifel überwunden zu haben, sagte er, nach ihrer Hand fassend:
»Diesen Fehler kann ich wiedergutmachen, Hermine; es ist noch nicht zu spät, dir meinen Namen zu geben.«
Sie hatte alle Mühe, ihre Überraschung zu unterdrücken. Das war mehr, als sie jemals erhofft hatte.
Doch dann erwiderte sie leidenschaftlich:
»Nein, Bernhard! Laß es so bleiben, wie es bisher zwischen uns war!« Und wehmutvoll setzte sie hinzu: »Heute hätte ich auch nicht mehr die Kraft, um deine Zuneigung zu werben.«
Ernst und eindringlich antwortete er:
»Hermine, was soll ich in dieser Stunde unehrlich gegen dich sein. Mein Herz wird ewig Melitta gehören. Die vielen Jahre hindurch wurde ihr Name fast nie zwischen uns genannt. Du tatest es nicht, mit Rücksicht auf mich – und ich sprach nie darüber, damit du dir keinen Vorwurf zu machen brauchtest, wie unglücklich ich geworden war, weil ich damals deinen Worten nachgab und unerbittlich gegen Melitta war. Ich habe es in einsamen Nächten bitter bereut. Heute sind wir abgeklärter, sind aneinander gewöhnt, ich sichere durch diesen Schritt gleichzeitig deine Zukunft, und wir können ohne Groll unsere Gedanken über die Geschehnisse von damals austauschen.«
Hermine wäre am liebsten aufgesprungen und hätte ihm kaltlächelnd den Rücken gewandt. Also – sein Herz gehörte immer noch Melitta – und sie hatte geglaubt, seine Liebe töten zu können.
Aber – war sie erst einmal seine Frau, boten sich ihr dann nicht tausend Möglichkeiten, dieses Gefühl auszubrennen?
Sie brachte es fertig, ihm lächelnd die Hand zu reichen.
»Ich nehme deine Werbung an, Bernhard.«
»Ich danke dir.« Er zog ihre Hand an seine Lippen. »Du wirst es nicht zu bereuen haben.«
Auf ihren Wangen zeichneten sich zwei rote Flecken ab, ein Zeichen, in welcher Erregung sie sich befand. Alles schwieg in ihr – nur dem Gedanken, endlich erreicht zu haben, wofür sie Schuld um Schuld auf sich geladen, gab sie sich hin.
»Was wird Jutta dazu sagen?«
»Sie wird sich nicht dagegen auflehnen, Hermine. Gleich heute soll sie es erfahren; warum erst hinauszögern. So nur kann sie sich schnell mit dieser Tatsache abfinden.«
»Wie du wünschst«, sagte sie nachgiebig.
In diesem Moment betrat Jutta das Wohnzimmer und ihr war, als hätte der Vater hastig seine Hand von Tante Hermines Arm gezogen –.
Sie nahm ihren Platz ein, und Bernhard Dahlen weihte nach einigen einleitenden Worten sein Kind ein und stellte Hermine als zukünftige Mutter vor.
Mit blassem Gesicht und tiefgesenktem Kopf saß Jutta da und sagte kein Wort.
Gespannt hingen Dahlens und Hermines Augen an dem Mädchen.
Dahlen hatte damit gerechnet, daß sie sich nicht jubelnd an seinen Hals hängen würde – aber diese eisige Ablehnung verwirrte ihn.
»Jutta!« rief er fast drohend.
Hermines Gesicht hatte jede Farbe verloren.
Jutta verharrte wie gelähmt auf ihrem Platz. Sie gab sich Mühe, dem Vater gerecht zu werden. Verstehen konnte sie ihn niemals. Aber