Karin Bucha

Karin Bucha Paket 1 – Liebesroman


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      Dann bedeutete es doch Glück für sie, aus dem veränderten Elternhaus herauszukommen.

      Ihre Knie zitterten, als sie sich erhob; ohne jede Färbung klang ihre Stimme:

      »Verzeih meine Fassungslosigkeit, Vater. Du hättest mich darauf vorbereiten sollen.«

      »Nicht davon wollen wir sprechen«, sagte Dahlen, väterlich werdend. »Von dir erwarte ich zumindest einen Glückwunsch.«

      Um den Mädchenmund zuckte es wie verhaltenes Weinen. Sie machte eine hilflose Bewegung mit den Armen.

      Das rührte Dahlen unsagbar. Er stand auf, legte seinen Arm um Juttas Schultern – und da legte sie ihren Kopf an seine Brust und brach in Tränen aus.

      Schluchzend preßte sie hervor:

      »Ich habe nie geglaubt, daß du unserem taten Mütterchen eine – Nachfolgerin geben würdest.«

      »Jutta!« rief er schmerzlich und traurig aus.

      Sie machte sich aus seinen Armen frei.

      »Sei mir nicht böse, Vater – aber du darfst nichts Unmögliches von mir verlangen. Ich werde Tante Hermine den nötigen Respekt nicht schuldig bleiben – das ist alles. Dir wünsche ich, daß du diesen Schritt niemals bereuen mögest. Und nun laß mich gehen!«

      Er hielt sie nicht zurück, warf ihr nur einen so ratlosen Blick zu, daß er ihr plötzlich unsagbar leid tat, und da vergaß sie alle Abneigung, die sie gegen die Tante empfand, und überwand sich, indem sie zu dieser mit belegter Stimme sagte:

      »Ich will mir Mühe geben, die Tage bis zu meiner Hochzeit erträglich zu gestalten. Habe ein wenig Geduld – mach Vater glücklich!«

      Sie war am Ende ihrer Selbstbeherrschung und eilte aus dem Zimmer.

      Bedrückt blieb Dahlen zurück. Hermine wartete geduldig, bis er sich einigermaßen gefaßt hatte. Was waren schon ein paar Mädchentränen! Hauptsache war – Dahlen blieb fest –!

      Augenblicklich fühlte sie sich wohl in der Rolle der Gekränkten und ließ sich ausreichend von Bernhard Dahlen trösten. –

      Er hatte in den folgenden Tagen wenig Freude. Jutta ging bedrückt einher.

      Der Tante gegenüber bot sie alle Kraft auf, freundlich und gerecht zu sein.

      Überall mußte sie Frieden stiften, und sie tat es gern, wurde sie doch vom eigenen Leid abgelenkt.

      In diesem Zustand der Zerrissenheit, unter dem alle Beteiligten, außer Hermine, zu leiden hatten, bemerkte keiner, wie Jutta immer mehr verfiel.

      Oft dämmerte sie vor sich hin.

      Eines Tages ging sie mit dem Vater durch den Garten – da brach Jutta ohnmächtig zusammen.

      In wahrer Todesangst kniete er neben der Ohnmächtigen nieder und hielt sie umschlungen.

      Mit Dahlen hatte der Arzt dann eine Aussprache, die diesen erschütterte. Jutta war gemütskrank – und das Entsetzlichste war, man konnte ihr wenig helfen!

      Die bittersten Vorwürfe machte er sich. Hatte er durch seine Verlobung Juttas Gemüt so aufgewühlt?

      Er versuchte mit aller Liebe, Jutta aus ihrer Schwermut zu reißen – vergebens. –

      In den Dahlen-Werken war längst bekannt, daß sich der Chef mit Hermine von Erlstett verlobt hatte. Man brachte ihm Glückwünsche dar – an die Braut wagte sich jedoch keiner heran. Zuwenig hatte sie verstanden, sich bei den Arbeitern beliebt zu machen.

      Viel mehr Teilnahme löste die Mitteilung von Juttas Erkrankung aus.

      Die schönsten Blumen wurden für sie abgegeben. Am meisten beglückten Jutta aber die bescheidenen Feldblumen, die die Arbeiter gepflückt hatten.

      Keiner dieser Sträuße durfte aus ihrem Zimmer entfernt werden, während sie die starkduftenden Blumen in die anderen Zimmer verteilen ließ.

      Nur ein Strauß halberblühter, zartgetönter Rosen erhielt seinen Ehrenplatz neben ihrem Lager.

      Nur einer konnte sie geschickt haben, wenngleich kein Kärtchen dabeigelegen hatte.

      Sie hatte keine Ahnung, daß der Spender der Blumen Tag für Tag Erkundigungen über ihre Erkrankung einzog und seine Nächte voll Qual und Unruhe waren.

      Sie aber träumte vor sich hin, dachte nicht an die Zukunft – keinen Willen zum Leben brachte sie mehr auf.

      *

      Andersen hatte man von Juttas Krankheit keine Mitteilung gemacht – man wollte ihn nicht beunruhigen. Als jedoch die Miene des Arztes bedenklicher wurde, sah man sich dazu gezwungen.

      Jutta sträubte sich dagegen.

      »Warum soll Ullrich in seiner Arbeit gestört werden? Laßt mich noch ein Weilchen ausruhen – dann bin ich stark genug zu meiner Hochzeit!«

      Hermine konnte schlecht ihre Wut auf Jutta unterdrücken. Jetzt, wo sie Dahlens Verlobte war, mußte diese Krankheit kommen. Jutta – immer nur Jutta war der Mittelpunkt!

      Sie hätte Jutta hin und her schütteln mögen, damit auch der letzte Atemzug aus dem hinfälligen Körper floh und das Gejammer endlich ein Ende fand! – Das sah doch ein Blinder, daß Juttas Leben nur noch an einem Faden hing.

      Menschen, die sterben wollten, sollte man nicht daran hindern! dachte sie.

      *

      Wie ein Gefangener lief Klaus in seinem Zimmer umher. Der Zeiger rückte immer mehr vor. – So sehr hatte er sich auf einen bestimmten Punkt konzentriert, daß er zusammenfuhr, als sich die Tür öffnete.

      »Mutter!«

      Mit einem Jubellaut zog er sie in seine Arme.

      »Klaus – mein Junge! Nicht wahr, mich hast du bestimmt nicht vermutet!« lachte sie ihn glücklich unter Tränen an. »Und ich habe Besuch mitgebracht – bitte, sei recht nett zu ihm!«

      Sie trat zur Seite – und nun entdeckte Klaus Ullrich Andersen.

      Sein Gesicht wurde hart. Steif verbeugte er sich vor Andersen, ohne ihm die Hand zu reichen. Da streckte Andersen ihm mit gewinnendem Lächeln die seine entgegen.

      »Guten Tag, junger Freund«, sagte er, ohne Klaus’ feindselige Haltung zu beachten. »Ich möchte Sie vom größten Irrtum Ihres Lebens heilen – Sie sollen Ihre Kündigung in den Dahlen-Werken rückgängig machen.«

      »Verzeihung.« Klaus gab schnell die Hand wieder frei. »Das zu entscheiden, ist besser mir zu überlassen!«

      Andersen blieb weiterhin freundlich.

      »Ich habe Sie schon höflicher kennengelernt, mein Freund«, sagte er in leicht scherzendem Ton. »Wollen Sie uns keine Sitzgelegenheiten anbieten?«

      Klaus war sprachlos. – Wie kam die Mutter zu dieser Bekanntschaft und warum kam der Mann, in dem er den Zerstörer seines Glücks sehen mußte, ihm so herzlich entgegen? –

      Der Tadel ließ ihn erröten. Sofort rückte er der Mutter einen Stuhl zurecht und forderte auch Andersen zum Platznehmen auf.

      Andersen reichte Klaus sein Zigarettenetui.

      »Bitte!«

      Klaus wollte dankend ablehnen, da fühlte er der Mutter Blick auf sich ruhen.

      Er bediente sich, sagte knapp sein »Danke«.

      »Klaus«, ergriff Frau Heimburg das Wort. »Freust du dich nicht, mich zu sehen?«

      Sofort stand er neben ihr

      »Mutter, nie habe ich dich nötiger gebraucht als heute!«

      »Warum denn?« fragte sie erstaunt.

      »Ich kann jetzt nicht darüber sprechen.«

      Sie verstand ihn und nickte Andersen zu.

      »Lieber