zu, welche ihre Feuerrohre schußfertig in den Händen hielten. In demselben Augenblick hallte auch schon der Krach der zwei Büchsen von den Bergen wider; Simone Spada griff nach seiner Brust, ließ den Degen sinken, taumelte und stürzte rückwärts in die Arme des Bruders Festus.
»Das war nicht meine Schuld, – entschuldigt, Signor Spada!« rief Cesare Campolani, in den Kahn springend und mit kräftigem Fußtritt denselben vom Land abstoßend.
Einem Wahnsinnigen glich Philipp von Spiegelberg, wie er sein Roß gegen den Strom spornte. Auch er blutete aus einer leichten Stirnwunde von einer rückwärts gesandten Kugel Don Cesares.
Und wieder leuchtete es in den Kähnen auf – zweimal, dreimal, schnell hintereinander, und die Kugeln pfiffen um die Köpfe des Grafen und seiner Reiter. Nach allen Seiten stoben mit lautem Angstgeschrei die Bauern, welche sich der zurückgelassenen abgetriebenen, zitternden Pferde der Flüchtigen bemächtigt hatten oder sich um ihren Vikarius und den blutenden Fremden drängten – auseinander.
In dem Flusse bäumte sich das entsetzte Roß des Grafen von Pyrmont hoch auf, und es war ein Glück, daß einer der Spiegelbergschen Reiter schnell seinem Herrn in die Zügel griff.
»So nicht! So nicht, Herr Graf!« rief Klaus Eckenbrecher und riß Herrn Philipp aus den Fluten empor. »Mörderbande! Hinterlistige, niederträchtige, falsche, welsche Halunken!« schrie er, als von den Kähnen aus eine Kugel ihm den Hut vom Kopf riß.
»Gebt es ihnen zurück! Feuer, Feuer auf die Hunde!«
Von ihren Gäulen springend, schossen die Spiegelbergschen ihre Büchsen auf die Kähne ab, und fort und fort krachten die Schüsse jetzt hinüber und herüber.
»Einen Kahn, einen Kahn – schafft einen Kahn!« schrie der Graf von Pyrmont.
»Einen Kahn, einen Kahn – wo sind eure Kähne?« schrieen seine Knechte die Bauern an.
»Die hat der Teufel allesamt geholt und stromab schwimmen lassen«, lautete die Antwort, und in ohnmächtiger Wut und Verzweiflung raufte sich Philipp von Spiegelberg die Haare. Die sicher geglaubte Rache entschlüpfte ihm, und zwischen dem Büchsenfeuer und dem Geschrei und Tumult glaubte er deutlich das Hohnlachen Don Cesare Campolanis und der falschen Zauberin Fausta La Tedesca zu vernehmen. – – –
Was wir soeben langsam nacheinander erzählt haben, folgte natürlich mit Blitzesschnelle eins dem andern, und unmöglich ist es bei solchen Gelegenheiten der Feder, treu zu schildern. Seitdem Fausta La Tedesca in dem Dorfe Stahle an der Weser erschienen war und Simone Spada mit dem Bruder Festus aus dem Pfarrhause hervorstürzte, waren noch keine zehn Minuten vergangen.
Nun lag Simone bereits zu Tode verwundet in den Armen des jungen Mönchs, wildester Aufruhr füllte das eben noch so stille, schlafende Dorf; die Männer schrieen, die Weiber kreischten, die Hunde bellten, die Pferde wieherten, bäumten sich und schlugen aus, die Büchsen knallten. Wie konnte das Drama; Fausta und Simone anders als im Lärm des Gefechtes zu Ende gehen? –
Auch die Stadt Holzminden am rechten Ufer der Weser ward jetzt lebendig. Lichter bewegten sich den Fluß entlang, die kurzen, ängstlichen Schläge der Sturmglocke riefen die Bürger aus den Betten, zu den Waffen. War das katholische Dorf drüben von Räubern überfallen? Rüsteten sich die Päpstlichen wieder einmal zum Angriff auf die Anhänger der reinen Lehre?
Zu den Waffen! Zu den Waffen!
Grade Jahrestag war’s, seit das Städtlein von einer ähnlichen Panik überfallen wurde, und damals wie in dieser Nacht mußte der Graf von Pyrmont, der gute Freund der Stadt, der Urheber solches Schreckens sein. Ein Getümmel gleich dem vorjährigen entstand zu Holzminden, nur waren die Kostüme und Bewaffnungen noch regelloser und mangelhafter als damals, wo man doch etwas mehr Muße hatte, um sich auf das Kommende vorzubereiten. Gegen den Fluß stürzten die Bürger, Leben und Ehre, Gut und Blut zu verteidigen, und die Klugen behielten auch dieses Mal einen Fuß hinten, um im Notfall sogleich das Hasenpanier aufwerfen zu können. Im hellen Mondschein konnte man jede Bewegung in den sich nahenden beiden Kähnen erkennen, und es bedurfte kaum der angezündeten Fackeln. Daß dieses Mal ein ernstlich Spiel gespielt wurde, war keinem verborgen; daß es zwischen Verfolgern und Verfolgten um Leben und Tod galt, erkannte man aus mehr als einem Schrei, der kein Triumphruf war.
Und jetzt landete der eine Kahn, und die Waffen schwingend sprangen seine Insassen ans Land; der zweite Kahn folgte dem ersten im Augenblick darauf. Totenbleich stand in ihm Don Cesare Campolani. In der Rechten hielt er den blanken Degen, mit dem linken Arm umschlang er den Leib Faustas, welche schwer – schwer an seiner Brust lag und niedergesunken wäre, wenn der Ritter sie nicht gehalten hätte. Blutige Tropfen rieselten über die linke Hand Cesares, welche das schöne Weib aufrecht erhielt.
Eine Leiche war Fausta La Tedesca, als der Kahn das Ufer berührte! …
Zu Ende war das große Trauerspiel; Fausta La Tedesca! Eine Kugel aus dem Rohre Klaus Eckenbrechers, des Spiegelbergischen Reiters, hatte ihm ein Ende gemacht. Jählings, blitzschnell war der Tod gekommen. Ein leiser Schrei – ein Griff nach dem Herzen – nichts weiter! Aufrecht stehend, sich festklammernd an die Brust Cesare Campolanis, war Fausta La Tedesca, Fausta die Zauberin gestorben – geh zur Ruh, Simone Spada! ……
Wankend unter der traurigen Bürde, die er in den Armen trug, stieg Don Cesare den Uferhang hinauf; scheu wichen die andrängenden Bürger von Holzminden zurück.
»Tot, tot!« murmelte Cesare, als er den Leichnam unter der Mauer des Pfarrgartens niederlegte, neben ihm niederkniete und mit zitternder Hand das einst so wild, so stolz klopfende Herz suchte.
»Tot! tot! Madonna, das war der Mühe nicht wert! O Fausta! Fausta!«
Stumm drängten sich die Knechte um ihren Herrn und die Leiche, stumm starrten die Bürger von Holzminden auf die schreckliche Szene. Aber die Zeit drängte; noch immer leuchtete und knallte es vom linken Weserufer her, und der Ruf: »Hol über, hol über« erklang immer drohender. Ängstliche Blicke warfen die italischen Knechte auf ihren Herrn, und endlich wagte es Jacopo, ihm leise die Hand auf die Schulter zu legen.
»Gnädiger Herr!«
Wirr schaute Cesare Campolani empor; dann fuhr er mit der Hand über die Stirn und sprang auf die Füße.
»Ihr habt recht, wir müssen fort. Jammer, Jammer – muß ich ihre Leiche dem blöden Knaben dort lassen?! Ihr habt recht – fort, fort! – Lebe wohl, Fausta – o daß du so enden mußtest, du Schöne, Stolze, Herrliche!«
Abermals kniete er neben der Leiche nieder und drückte einen letzten Kuß auf die bleichen Lippen Faustas. Dann erhob er sich, und düster überzählte sein Auge die Genossen. Zwei der Knechte, welche zu Stahle mit den andern in die Kähne gesprungen waren, fehlten; auch sie waren von Spiegelbergschen Kugeln ereilt, und ihre Leichname trieben bereits weit abwärts die Weser hinunter.
»Schafft mir Pferde für mich und meine Leute!« herrschte Don Cesare den Bürgermeister Uhlenhut an. »Ich will sie gut bezahlen.«
»Wer seid Ihr? Woher kommt Ihr? Wer ist diese tote Frau?« schallte es ihm von allen Seiten entgegen.
»Diener des Kaisers sind wir, verfolgt von des Kaisers Feinden! Pferde, Pferde! Im Namen Kaiserlicher Majestät! jegliche Verzögerung fällt schwer auf Euere Häupter.«
Das barsche, stolze Auftreten des Fremden, seine befehlende Redeweise, untermischt mit unverständlichen, ausländischen Worten, schüchterte die guten Bürger von Holzminden samt ihrem Bürgermeister gewaltig ein. Don Cesare Campolani erhielt, was er verlangte – Pferde für sich und seine Begleiter; ob dem Kaiser Ferdinand dem Ersten jedoch damit von der Stadt Holzminden ein Dienst erwiesen wurde, war mehr als zweifelhaft.
Noch einen letzten Blick warf Cesare auf die Leiche des Weibes, welches er einst geliebt hatte, welches er wieder zu Glück und Glanz führen wollte; dann schwang er sich auf eines der herbeigeschafften Rosse, erkundigte sich nach verschiedenen Wegen und jagte mit seinem Gefolge davon, während vom linken Ufer der Weser immer wilder und nachdringlicher das Rufen nach dem Fährmann ertönte:
»Hol über, hol über, hol