Brand-, Stabbrand- und Flammenstrahlbomben trudelten auf Dresden nieder. Die Stadtkommandantur von Dresden meldete am 10. April 1945 an das Führerhauptquartier in Berlin 253.000 Opfer. Das Internationale Rote Kreuz geht in einem Bericht 1946 von 330.000 Opfern eines höllischen Infernos aus. In den fünfziger/sechziger Jahren schwanken in Presse und Politik die Opferzahlen um 400.000 (Adenauer).
Es blieb einer „Historikerkommission“, die vom Oberbürgermeister von Dresden im November 2004 berufen wurde, überlassen, den „aktuellen Forschungsstand zur Zahl der durch die Luftangriffe 1945 auf Dresden getöteten Menschen“ festzustellen. Die „Berufenen“ kamen auf etwa 25.000 Opfer Als Hilfskrücke für die politisch gewollte Opferzahl diente u.a. das Bestreiten des Abwurfs von Phosphorbomben. Solche waren es aber, die Häuser bis herunter in die Keller vernichtet und dabei eine solche Hitze erzeugt haben, dass sogar Sand und Steine verglasten. So fand man z.B. am Dresdner Altmarkt in ausgegrabenen Kellern, drei Meter unter Straßenniveau, Verfärbungen des Sandsteins von weißbeige nach rot. Partienweise ist der Stein verglast. Ein Berliner Sachverständiger war sich sicher, dass Temperaturen von 1300 bis 1400 Grad und oberirdisch noch weit höhere Temperaturen bis zu 1.600 Grad geherrscht haben müssen. Von den Menschen blieb keine Spur, ihre Knochen waren zu Mehl verbrannt.
Der plausibel mit fehlendem Phosphor um mindestens neunzig Prozent reduzierten Opferzahl gaben die „ausgesuchten, Historiker“ ihre Namen. Heute dient ihre "Zählung" als Alibi für medial und in den Schulen als offenkundig verbreitete und gelehrte Geschichte.
Von Honoré de Balzac stammt der treffliche Satz:
„Es gibt zwei Arten von Geschichte: Die eine ist die offizielle, für die Schulbücher bestimmte – die andere ist die Geschichte, welche die wahren Ursachen der Ereignisse birgt.“
Götterdämmerung
Opa Rudolf bekam dann doch im Sommer 1943 seine Einberufung zur Luftschutzpolizei in Berlin-Neukölln, Sanitätsdienst. Für die Familie war er nicht aus der Welt, denn nach den Dienstzeiten konnte er in die Wohnung zurück. Im Februar 1945 ergab dieser Luxus keinen Sinn mehr. Seine Einsätze waren Gefahr für Leib und Leben genug, da musste das Hin und Zurück zur Wohnung bei Fliegeralarm nicht auch noch sein. Telefonisch erfuhr er täglich, dass es der Familie den Umständen entsprechend gut geht. Von März bis Anfang April kreuzte er sporadisch bei der Familie auf.
Bruder Ernst, dem sich entgegen seinem Traum von der vordersten Linie bis dato nur die Heimatfront als Mechaniker-Meister im Eternit-Werk Rudow angeboten hatte, fand nunmehr Verwendung bei der Organisation des Volkssturms.
Horst, Jahrgang 1928, befand sich in der Ausbildung zum Flugzeug-Elektromechaniker und brauchte deswegen dem ersten Einberufungsbescheid von 1944 nicht zu folgen. Seinen zweiten Einberufungsbefehl bekam er im Januar 1945, aber dieser Bescheid überschnitt sich mit einem Ausbildungskurs, den er gerade in einem Wehrertüchtigungslager zu absolvieren hatte. Er war also entschuldigt dem Stellungsbefehl nicht gefolgt. Einen weiteren Einberufungsbefehl bekam er nicht mehr. Immer wieder durchsuchten Blockwarte und „Kettenhunde“ - so genannt, weil sie über der Uniform eine an einer großen Kette befestigte Blechmarke mit der Aufschrift „Feldgendarmarie“ trugen - die Luftschutzkeller während der Alarme. So hat man Deserteure aufgespürt und die letzten Wehrtüchtigen für den Endkampf zum Volkssturm rekrutiert. Horst und sein Schulkamerad Gottschalk, beide noch nicht 17 Jahre alt, saßen nebeneinander im Keller, als sie sich den Kontrolleuren auszuweisen hatten. Gottschalk als Jüngster von vier Buben war vom Waffendienst freigestellt.
„Ihr beide meldet euch morgen, Führer hat Geburtstag, um neun Uhr am Stellplatz gegenüber vom Kino.“
Horst und Gottschalk schickten sich an, dieser Aufforderung tags drauf zu folgen. Zusammen traten sie vor die Haustür. Man hörte, gar nicht mehr so weit entfernt, Geschütz-Salven. Die Rote Armee kündigte sich an. (Die Umbenennung in „Sowjetische Armee“ erfolgte erst 1946).
Der gesamte Kreuzungsbereich einschließlich des gegenüberliegende Platzes, ihr Meldepunkt vor dem Kino, war zum Militärgelände geworden. Schätzungsweise zweihundert Leute schufen einen Verteidigungswall. SS in ihren typischen Tarnuniformen, Wehrmacht verschiedener Waffengattungen und eine Menge Militärgerät waren zu sehen. Die weitaus größte Gruppe aber war der Volkssturm in Räuberzivil und auch Frauen. Die einen schanzten an einer Panzersperre und anderen wurde die Handhabung von Panzerfäusten gezeigt. Neben dem Pissoir, welches neben Rolands Wohnhaus stand, stapelten sich in offenen Holzkisten dutzende Panzerfäuste. Anscheinend zur sofortigen Verteilung vorgesehen, lagen die Hefte mit der Gebrauchsanleitung obenauf:
„Panzerfaust 30 Meter und 60 Meter für Einzelkämpfer.“
Oma Else war den Jungs vor die Tür gefolgt und überblickte das Spektakel. Sie zog Horst am Ärmel zu sich. Kurz und bündig gab sie ihm Order:
„Horst, hiergeblieben, zurück in den Keller! Gottschalk auch du! Sei vernünftig, deine Mutter will es auch!“
„Horst kann ja hierbleiben. Ich melde mich! Meine Brüder sind auch an der Front. Wenn man nach Horst fragt, sage ich: 'habe gesehen, der krümmt sich vor Magenschmerzen, will aber nachkommen.'“
„Gottschalk, dein Vater ist gefallen, deine Mutti braucht euch doch.“
„Kann se ja, komm ja wieder.“
Niemand der Vorbeilaufenden nahm Notiz von dem Wortwechsel. Diese Worte in falschen Ohren und die Beobachtung - Horst gehorcht der Mutter - hätte für ihn an der Laterne hängend enden können. Er war eher ein sensibles, weiches Teilchen Jungdeutschlands und wohlerzogen - seiner Mutter widerspricht man nicht.
Er ging zurück zur Gemeinschaft, die sich tagelang im Keller aufhielt. Solange kein Fliegeralarm war, blieb die Kellertür offen. Das brachte etwas mehr Durchlüftung. Wenn es die Intervalle der Luftangriffe zuließen, ging man kurz zum Kochen und Vorkochen - von Stromausfällen behindert - in die eigene Wohnung. Essbares improvisierte jeder wie er es vermochte. Horst meldete sich auch am nächsten Tag nicht bei seinem Freund Gottschalk.
Wie alle im Keller hörte er das grollende Mündungsfeuer von Flak-Geschützen. Die Einschläge lagen nicht direkt über ihnen, sondern weiter in Richtung Neukölln.
Dann war die Front vor der Tür, donnernde Einschläge von Flak- und Panzerkanonen sowie das Rattern eines schweren Maschinengewehrs. Das stand anscheinend im eisernen Pissoir. Die Glasscheiben vibrierten in den Fensterrahmen. Die Luftschutzleute waren nur noch durch ihre Helme mit dem Feuerschutzleder von den übrigen Kellerinsassen zu unterscheiden. Die Brandschutzuniform war durch zivile Bekleidung ersetzt. Der Gruppenführer sagte:
„Die Scheiben samt Rahmen fliegen bestimmt raus. Hoffentlich bleiben die Mauern stehen und wir werden nicht verschüttet!“
Die Barrikade an der Kreuzung war von ihren Verteidigern aufgegeben. Heute weiß man, dass es der Stoßkeil der 8. Gardearmee unter General TSCHUIKOW war, der die Verteidigungslinien von Buckow bis Britz überrannt hat. Wehrmacht, Volkssturm und Waffen-SS zogen sich über die Brücke Chausseestraße zurück und schufen am anderen Ufer eine neue Hauptkampflinie vor Neukölln.
Kurz ruhte der Kampf vor dem Haus. Einige Männer aus dem Keller, auch Horst, begaben sich auf Erkundung nach oben. Ihr Haus hatte kaum noch intakte Fensterscheiben, eine Seite der Hauseingangstür fehlte, das verbliebene Türblatt hing in der Luft. Ein getroffener T-34-Panzer der Russen stand schräg in der Straße. Das Pissoir war getroffen, und anscheinend hatten die Ketten eines Panzers dafür gesorgt, dass es dalag, als wären seine Eisenwände zusammengefaltet worden. Die Platten lagen auf einem Leichnam, dessen Beine, in Stiefeln steckend, darunter vorragten. Das Klirren sich nähernder Panzerketten unterbrach die kurze Kampfpause auf der Straßenkreuzung. Mit aufgesessener Infanterie brausten russische Panzer heran und rollten durch eine schmale Lücke in der vormaligen Panzer-Barrikade. Die Beobachter verschwanden schnell im Keller und verrammelten die Tür.
Dem von Oma Else oktroyierten Schwänzen verdankte Horst vielleicht sein Leben.
Die Straßenbrücke in der Chausseestraße, die über den Teltowkanal führte, war in der Nacht vom 22. zum 23. April 1945 bei den Rückzuggefechten von deutschen Einheiten gesprengt worden. Nah am Feind