herum. »Die Kamera …«
»Was ist damit?«
»Der Akku ist leer.«
»Woher willst du das wissen?«
»Die Geburtstagsfeier gestern.«
»Mann, kannst du nicht einmal in ganzen Sätzen reden? Welche Geburtstagsfeier?«
»Von meiner Schwiegermutter«, erklärte Olufs verlegen, wurde aber dann deutlicher, als er das gefährliche Glimmen in Polizeioberkommissar Hinrichs’ Augen sah. »Die hatte gestern Geburtstag, und da habe ich ein paar Fotos … und, na ja, ich bin noch nicht dazu gekommen, den Akku wieder …« Er machte einen Schritt zurück, weil Hinrichs’ Gesicht jetzt die Züge Frankensteins annahm.
»Das ist eine Dienstkamera, verdammt noch mal! Wie kannst du es wagen …?«
»Baginski«, fiel Olufs ihm ins Wort und wurde mit einem Mal sehr diensteifrig.
»Wie, Baginski?« Hinrichs platzte fast der Kragen.
»Unser Zeuge!«, erklärte Olufs und deutete auf die kauernde Gestalt auf dem Beifahrersitz.
»Was ist mit dem?«, brüllte Hinrichs.
»Der hat doch eine Kamera. Die borge ich mir aus.«
Bevor Hinrichs nachfragen konnte, hatte Olufs schon die Tür aufgerissen und sprach leise auf den Zeugen ein, der immer noch am ganzen Körper zitterte. Als Olufs ihn bat, noch einmal mit in die Vogelkoje zu kommen, schüttelte er entgeistert den Kopf. Nur mühsam konnte der Polizeibeamte ihn dazu bewegen, den Schutz des Fahrzeugs wieder zu verlassen.
»Was gibt das denn jetzt?«, erkundigte sich Oberkommissar Hinrichs aufgebracht.
»Chef«, erklärte Olufs, »am besten macht der Mann die Fotos selbst. Ich kenne mich mit diesen technischen Spitzenteilen nicht aus. Oder wollen Sie …?«
Hinrichs spießte Olufs mit seinen Blicken auf, entgegnete aber nichts.
»Warte hier, wir kommen, wenn wir fertig sind«, ordnete er an und begleitete den bebenden Zeugen zurück in die Vogelkoje. »Machen Sie ein paar Bilder vom Tatort und von dem Toten«, befahl er. »Aber passen Sie auf, dass Sie keine Spuren zertrampeln.«
Heinz Baginski war sichtlich schockiert, dass er der Leiche nun so nah kommen sollte, aber da der Polizist offenbar kurz vor einer Explosion stand, ging aus seiner Sicht von dem Toten die geringere Gefahr aus. Er schoss ein paar Fotos aus verschiedenen Blickwinkeln, ohne sich die Leiche dabei wirklich anzusehen – quasi aus professioneller Distanz im Vorbeigucken –, vergaß auch den übrigen Innenraum der Hütte nicht und war froh, als er schließlich wieder draußen in der frischen Nachtluft stand.
Hinrichs klopfte ihm auf die Schulter und deutete mit dem Kopf an, ihm zu folgen. Gemeinsam gingen sie durch den dunklen Tunnel unter den Bäumen auf den Ausgang zu, wo Jens Olufs immer noch an den Wagen gelehnt auf sie wartete.
»Du fährst jetzt mit dem Mann aufs Revier«, befahl Hinrichs, wobei Stimme und Mimik Entschlossenheit ausdrückten. »Ich bleibe hier und verständige Dr. Hecht, damit er den Tod von Rickmers feststellt. Die Kollegen in Flensburg rufst du an. Die können nicht vor morgen Vormittag hier sein, und so lange wird die Leiche ja wohl nicht vor sich hinmodern müssen.«
Olufs wollte etwas einwenden, aber Hinrichs brüllte: »Lass gehen! Ich weiß, was ich mache.«
Der Polizeihauptmeister half seinem Zeugen wieder auf den Beifahrersitz, stieg dann selber auf der Fahrerseite ein, wendete den Wagen vor dem Tiergatter am Deich und raste so schnell, wie es die Dunkelheit zuließ, auf der Straße durch die Marsch in Richtung Wyk davon.
Polizeioberkommissar Hinrichs zog sein Handy aus der Tasche und rief den Arzt Dr. Hecht an. »Uli? Torben hier. Du musst sofort zur Boldixumer Vogelkoje kommen. Hier ist die Kacke am Dampfen, aber so richtig. … Wie? … Nein, alles Weitere erkläre ich dir hier. Ich sage nur eins: Es geht um Mord!«
4
Heinz Baginski saß auf der Kante des Stuhles, auf dem er bereits die halbe Nacht zugebracht hatte, die Hände zusammengekrampft im Schoß, und zitterte am ganzen Körper. Vor ihm stand der Tisch, der ihn von dem zornbebenden Oberkommissar Hinrichs trennte. In der Ecke des Raumes neben der Tür zur Wachstube stand Polizeihauptmeister Jens Olufs mit verschränkten Armen und kämpfte gegen die Müdigkeit an, die ihm mit Bleigewichten an den Augenlidern zu hängen schien.
»Noch mal von vorne«, befahl Hinrichs, wie er es seinerzeit auf der Polizeischule im Seminar »Psychologie des polizeilichen Verhörs« gelernt hatte. »Sie sind also verbotenerweise über den Zaun an der Rückseite der Vogelkoje geklettert.«
»Genau«, bestätigte Baginski, der nicht hätte sagen können, wie oft er seine Geschichte schon erzählt hatte, mit matter Stimme. »Ich bin den Weg zum Kojenwärterhäuschen gegangen und von da zum Teich.«
»Sie sind also nicht zuerst in das Häuschen gegangen?«
»Nein, das habe ich doch schon gesagt.«
»Warum nicht? War das Häuschen abgeschlossen?« Hinrichs begriff in dem Moment, in dem er die Frage stellte, wie genial sie war, denn wenn Baginski sie mit ja oder nein beantworten würde, dann hätte er ihn überführt.
»Woher soll ich das wissen?«, entgegnete Baginski stattdessen gereizt.
»Sie haben doch an der Türklinke gerüttelt«, wagte sich Hinrichs vor.
»Nein, das habe ich nicht. Ich habe das Haus gar nicht beachtet, sondern bin sofort weiter zum Teich gegangen.«
»Nachdem Sie an der Türklinke gerüttelt haben?« Mit mir nicht, Freundchen, dachte Hinrichs. Typen wie dich knacke ich mit links.
Aber dieser Baginski war hartnäckig. »Ich habe nicht an der Türklinke gerüttelt, verdammt noch mal. Ich wollte Enten fotografieren, warum sollte ich da ins Häuschen gehen?«
»Sagen Sie mir das. Warum sind Sie in das Häuschen gegangen? Haben Sie Licht gesehen? Haben Sie Geräusche gehört? Warum haben Sie Herrn Rickmers erschlagen? Hat er Sie erwischt, als Sie unerlaubt in die Vogelkoje eingebrochen sind?«
»Ich habe den Mann nicht erschlagen«, wimmerte Baginski jetzt. Das war ein Albtraum. Er machte Kur-Urlaub auf Föhr, um sich zu erholen und einen drohenden Herzinfarkt abzuwenden, und stattdessen war er nun der Hauptverdächtige in einem Mordfall. Und all das nur, weil er sich auf nicht ganz vorschriftsmäßige Weise Zugang zu einer Vogelkoje verschafft hatte.
»Wie ist es dann passiert?«, fuhr Hinrichs fort, der offenbar ein Geständnis erzwingen wollte. »Haben Sie Rickmers gestoßen? Ist er unglücklich gefallen? War alles nur ein Unfall? Nun, Herr Baginski, kann es nicht sein, dass alles nur ein Unfall war und Sie gar nicht wollten, dass Rickmers stirbt?« Genial. Bau ihm eine Brücke und warte ab, ob er hinübergeht. Und dann fasse nach. Hatte Baginski erst einmal den Unfall zugegeben, war es nur noch ein kleiner Schritt, um ihm den Mord nachzuweisen.
»Neinneinnein! Ich habe den Mann doch gar nicht gesehen. Als ich in die Vogelkoje gekommen bin, war da noch gar keiner. Ich bin direkt zum Teich gegangen, und da bin ich eingeschlafen, und dann habe ich einen Schrei gehört und bin zum Häuschen gelaufen. Da haben mich zwei Leute umgerannt, und dann habe ich die Leiche gefunden. Ich habe mit dem Mord nichts zu tun. Ich bin einfach nur ein Zeuge!«
»Woher wissen Sie denn, dass da keiner war, wenn Sie doch angeblich gar nicht nachgesehen haben?«, lauerte Hinrichs mit dem Grinsen eines Fuchses, denn jetzt hatte er ihn!
Baginski sank nun auf dem Tisch zusammen, den Kopf auf seine Arme gelegt, und schluchzte laut auf. »Ich habe nicht nachgesehen! Ich bin unschuldig«, nuschelte er resigniert.
»Chef«, mischte sich Olufs nun ein, wurde aber mit einem ruppigen Handzeichen sofort zum Schweigen gebracht.
Das wäre doch gelacht, wenn er, Oberkommissar Torben Hinrichs, dieses Weichei nicht knacken würde. Wenn die Kollegen von der Kripo ihren Fuß auf die Insel setzten, wollte er ihnen den Mörder präsentieren. Diese arroganten