Nina Kayser-Darius

Kurfürstenklinik Paket 1 – Arztroman


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was der Verwaltungsdirektor Thomas Laufenberg mit ihm zu besprechen hatte. Es kam nur sehr selten vor, daß er gebeten wurde, sich in dessen Büro einzufinden. Meistens war der Anlaß eher unerfreulich, denn Adrian beschwerte sich regelmäßig darüber, daß die Notaufnahme personell nicht gut genug ausgestattet war, und bisher hatte auch Thomas Laufenberg hier keine Abhilfe schaffen können.

      Adrian war fest davon überzeugt, daß er sich darum auch gar nicht bemühte. An diesem Glauben hielt er hartnäckig fest, auch wenn viele seiner Kollegen nur Gutes über Thomas Laufenberg zu berichten hatten. Nun, das war wirklich ihre Sache. Seine Meinung würde er sich jedenfalls nicht nehmen lassen, auch wenn Julia Martensen ihn deswegen unreif fand.

      »Sie haben mich um ein Gespräch gebeten«, sagte er steif, während er in der Nähe der Tür stehenblieb. Der andere sollte bloß nicht denken, daß er zum Plaudern hierhergekommen war. Er würde nicht so tun, als wäre alles in bester Ordnung, nein, er würde hier stehenbleiben, sich anhören, was der Direktor zu sagen hatte, und dann wieder gehen.

      »Setzen Sie sich bitte einen Augenblick, Herr Dr. Winter«, sagte Thomas Laufenberg höflich. Er trug, wie immer, wenn er im Dienst war, einen Anzug mit Krawatte. Niemand ahnte, wie schwer ihm das fiel, aber diese ›Uniform‹ gehörte in seiner Funktion nun einmal dazu, darüber brauchte man nicht einmal zu diskutieren.

      »Ich bleibe lieber stehen«, erwiderte Adrian abweisend. »Es wird hoffentlich nicht lange dauern? Wir haben viel zu tun in der Notaufnahme. Sie wissen ja, die Personalsituation hat sich immer noch nicht gebessert.«

      »Ja, ich weiß«, bestätigte Thomas Laufenberg. »Wären Sie interessiert daran, für ein paar Wochen auf der Isolierstation zu arbeiten?«

      »Wie bitte?« fragte Adrian verblüfft. »Was soll das denn jetzt bedeuten?«

      Der andere machte ein undurchdringliches Gesicht. »Ich denke«, erklärte er, »daß es für jeden, der an dieser Klinik arbeitet, gut wäre, ab und zu mal seinen angestammten Arbeitsplatz zu verlassen, damit die Routine durchbrochen wird. Sehen Sie das anders?«

      »Nein, das sehe ich genauso«, antwortete Adrian und trat nun doch näher, um sich zu setzen.

      Thomas Laufenberg gestattete sich nicht einmal ein Lächeln. »Eben«, sagte er ruhig. »Und deshalb frage ich mich, ob Sie nicht ein paar Wochen auf die Isolierstation gehen wollen – ich habe Ihren Unterlagen entnommen, daß Sie sich früher sehr für Infektionskrankheiten interessiert haben. Also wäre doch dort genau der richtige Platz für Sie – oder nicht?«

      »Das stimmt«, murmelte Adrian, in dessen Kopf sich die Gedanken überschlugen. War das Zufall, oder hatte Julia ihn verraten? Wenn sie das getan hatte, würde er nie wieder ein Wort mit ihr reden, das stand fest!

      »Darf ich fragen, wie Sie so plötzlich auf diese Idee kommen?« erkundigte er sich.

      »Gar nicht plötzlich«, antwortete der Direktor. »Die Idee hatte ich schon früher, aber die Gelegenheit, sie umzusetzen, hat bislang gefehlt. Und jetzt ist es so, daß wir einen bösen Engpaß auf der Isolierstation haben. Und ich muß jemanden dorthin schicken, der mit den Problemen vertraut ist.«

      »Na ja, die Notaufnahme ist auch nicht gerade überbesetzt«, meinte Adrian. »Und wenn ich dann auch noch ausfalle…« Er schüttelte den Kopf. »Ich würde das wirklich gern machen, aber ich sehe nicht, wie das funktionieren soll.«

      »Darüber habe ich mir Gedanken gemacht«, erklärte Thomas Laufenberg. »Ich schicke für die Zeit, in der Sie auf der Isolierstation sind, zwei Ärzte im Praktikum in die Notaufnahme. Die sollen ordentlich was lernen und froh sein, daß sie dazu soviel Gelegenheit erhalten. Was denken Sie denn, wer Sie am besten vertreten könnte in Ihrer Tätigkeit als Leiter?«

      »Frau Dr. Martensen«, antwortete Adrian prompt und erkannte zu spät, daß er damit praktisch zugestimmt hatte, auf den Vorschlag des Verwaltungsdirektors einzugehen. Mißtrauisch suchte er in dessen Gesicht nach Anzeichen für seinen Triumph, aber Thomas Laufenberg verzog keine Miene.

      »Besprechen Sie das bitte mit Frau Dr. Martensen«, sagte er ruhig. »Und dann geben Sie mir Bescheid, ob Sie meiner Bitte entsprechen können. Sie würden mir damit sehr helfen, Herr Dr. Winter.«

      Adrian stand auf und versprach: »Ich denk drüber nach und sag Ihnen bis morgen Bescheid. Auf Wiedersehen.«

      Als er das Zimmer verlassen hatte, lehnte sich Thomas Laufenberg zurück und entspannte sich. Das war ja einfacher gewesen, als er befürchtet hatte. Aber dieser Adrian Winter war und blieb trotzdem eine harte Nuß – die härteste Nuß an dieser Klinik, dabei hatte er ihm nicht das geringste getan. Zumindest war er sich keiner Schuld bewußt. Er fragte sich allmählich, ob es ihm wohl jemals gelingen würde, sein Vertrauen zu gewinnen. Hoffentlich bekam Julia Martensen jetzt keinen Ärger. Er konnte sich gut vorstellen, daß sie sich einem recht peinlichen Verhör würde unterziehen müssen.

      Bei diesem Gedanken mußte er unwillkürlich lächeln. Sie war eine großartige Frau und würde damit schon fertig werden.

      *

      »Ich muß mit dir reden, Julia«, sagte Adrian knapp, als er in

      die Notaufnahme zurückkehrte. »Jetzt sofort, wenns geht.«

      »Darf ich vielleicht meinen Patienten noch behandeln, oder soll das jemand anderes übernehmen?« erkundigte sie sich mit unschuldigem Gesicht.

      »Ich warte im Aufenthaltsraum auf dich«, antwortete Adrian und verschwand. Er stürzte gerade einen lauwarmen Kaffee hinunter, als Julia auftauchte und freundlich fragte: »Worum geht’s?«

      »Um Verwaltungsdirektor Laufenberg«, sagte Adrian mit ganz finsterem Gesicht. »Hast du ihm denn von unserem Gespräch erzählt?«

      »Ich weiß nicht, wie du darauf kommst«, log Julia, ohne auch nur eine Miene zu verziehen. »Was ist denn passiert?«

      Er erzählte es ihr in wenigen Sätzen und ließ sie dabei nicht aus den Augen. »Schwöre mir, daß du damit nichts zu tun hast!« verlangte er, als er seinen Bericht beendet hatte.

      Sie machte ein gekränktes Gesicht. »Sag mal, was soll das?« beschwerte sie sich. »Findest du nicht auch, daß du allmählich wunderlich wirst, Adrian? Das ist doch genau das, was du wolltest? Warum sagst du nicht einfach zu, statt deine Kollegen haltlos zu verdächtigen?«

      »Nicht meine Kollegen«, widersprach er. »Ich verdächtige dich, sonst niemanden. Du bist die einzige, mit der ich über dieses Thema gesprochen habe. Niemand anders kommt für diesen Verrat in Frage.«

      »Verrat – was für ein großes Wort«, sagte Julia kopfschüttelnd. »Wenn du unsere Freundschaft nicht ernsthaft gefährden willst, Adrian, dann laß uns schleunigst das Thema wechseln.«

      Nun erschrak er. »Tut mir leid, Julia, aber der Gedanke, du könntest mit Laufenberg über mich gesprochen haben, ist mir einfach schrecklich unangenehm.«

      »Warum eigentlich?« erkundigte sie sich neugierig. »Nur mal so rein theoretisch. Was wäre denn so schrecklich daran?«

      Zunächst war er um eine Antwort verlegen, dann zuckte er mit den Schultern und sagte: »Na ja, weil er nicht direkt mein Freund ist. Ich will nicht, daß er etwas über mich erfährt, worüber ich mir selbst noch nicht richtig im klaren bin.«

      »Verständlich«, meinte Julia. Sie war froh, daß sie Thomas Laufenberg nichts über Adrians Motive verraten hatte. Sie hatte nur, ganz nebenbei, angeregt, ihn eine Zeitlang woanders arbeiten zu lassen. Und dabei hatte sie außerdem angedeutet, daß das vielleicht dazu beitragen könnte, das Verhältnis zwischen den beiden Männern dauerhaft zu entkrampfen.

      »Ich habe ihm überhaupt nichts über dich verraten«, sagte sie mit fester Stimme, und damit sagte sie die reine Wahrheit. Zumindest sah sie das so.

      *

      »Mensch, was für tolle Briefmarken!« schrie Kitty. »Die krieg ich aber, Kai hat die letzten gekriegt.«

      »Deshalb mußt du doch nicht so schreien!« sagte Lolly und hielt sich demonstrativ die Ohren zu.