Nina Kayser-Darius

Kurfürstenklinik Paket 1 – Arztroman


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wollt. Es kommt also ein bißchen überraschend, daß jetzt auf einmal alles vorbei sein soll.«

      Unwillkürlich lächelte Inga. »Für mich kommt es auch überraschend«, gestand sie.

      »Aber besonders unglücklich siehst du nicht aus, wenn ich das mal sagen darf.«

      »Bin ich auch nicht – und das wundert mich selbst ein bißchen.«

      »Los, jetzt rede endlich!« drängte Lolly. »Wie ist es dazu gekommen?«

      Inga erzählte es ihr, und Lolly hörte aufmerksam zu. »Du weißt, daß ich ihn nie besonders leiden konnte«, sagte sie, als ihre Schwester schwieg.

      »Mhm, weiß ich«, erwiderte Inga. »Und weißt du was? Ich wollte ihn auch wirklich nicht heiraten.« Sie beschrieb Lolly die genaue Situation in Südafrika, und ihre Schwester lachte schallend.

      »Das ist doch wieder mal typisch für dich! Und wieso hast du ihm nicht gesagt, daß er dich mißverstanden hat?«

      »Ach, du kennst doch Holger, der hätte es fertiggebracht, mir den ganzen Urlaub zu vermiesen. Der war ja schon stocksauer, weil ich mich öfter mit einer netten Entwicklungshelferin unterhalten habe. Er konnte sie nicht leiden, also sollte ich auch keinen Kontakt zu ihr haben. So ist Holger eben – ein totaler Egoist.«

      »Gut, daß wir ihn los sind!« sagte Lolly erleichtert.

      »Wir?« fragte Inga. »Ich, meinst du wohl.«

      »Wenn ihr wirklich geheiratet hättet, wäre er immerhin mein Schwager geworden, er wäre Teil unserer Familie gewesen.« Sie schüttelte sich. »Gut, daß mir das erspart bleibt.«

      Inga lachte, und in diesem Augenblick sagte eine sympathische Männerstimme: »Oh, Sie haben Besuch, da störe ich wohl.«

      Erstaunt sah Lolly auf den gutaussehenden, schlanken, dunkelhaarigen Mann, der plötzlich im Zimmer stand. Sie hatte ihn noch nie zuvor gesehen, und Inga hatte ihn, soweit sie sich erinnerte, auch noch nie erwähnt.

      »Hallo, Dr. Sommer«, rief ihre Schwester vergnügt. »Ich dachte schon, Sie hätten mich vergessen.«

      Ach so, dachte Lolly ein wenig enttäuscht. Ein Arzt, das hätte ich mir ja denken können.

      Inga sprach munter weiter. »Das ist meine Schwester, mit vollem Namen heißt sie Lorene Matthäus-Kleber, aber wir nennen sie alle nur Lolly.«

      »Inga!« Lolly wurde rot. Wie kam denn Inga dazu, vor diesem Arzt so vertraulich zu werden?

      »Ich freue mich, Sie kennenzulernen!« sagte der Arzt freundlich. »Ich habe schon viel von Ihnen gehört.«

      »Ja?« fragte Lolly und sah ihre Schwester hilfesuchend an. Die Situation verwirrte sie.

      Inga hatte Mitleid mit ihr und erklärte: »Herr Dr. Sommer ist privat hier, Lolly. Er ist kein Arzt dieser Klinik.«

      »Nein?« fragte Lolly verdutzt. »Und warum sind Sie…?« Im letzten Augenblick konnte sie den Rest der Frage noch hinunterschlucken. Es hätte gar zu unhöflich geklungen, fand sie, obwohl sie an der Antwort wirklich brennend interessiert war.

      Aber Martin Sommer ahnte natürlich, was sie hatte wissen wollen, und es schien ihm nichts auszumachen, ihr zu antworten. »Ich habe Ihre Schwester fast jeden Tag besucht, seit sie hier ist«, erläuterte er. »Ich bin zu einem privaten Besuch bei Dr. Winter und habe ihn gebeten, mir die Klinik zu zeigen. Und bei der Gelegenheit sind wir auch hier auf der Station gewesen. Ihre Schwester war gerade erst eingeliefert worden – ich glaube, es war am nächsten Morgen, als ich sie kennenlernte. Und wissen Sie, was sie gesagt hat, als Dr. Winter ihr eröffnete, sie habe Windpocken?«

      Lolly schüttelte den Kopf.

      »Sie sagte sinngemäß: Typisch für mich Kindskopf, daß ich eine Kinderkrankheit kriege.«

      »Und das hat Ihnen gefallen?« erkundigte sich Lolly neugierig.

      »Sehr sogar. Ich fand es ziemlich witzig für eine Patientin, die kaum aus den Augen gucken konnte vor Fieber und Müdigkeit. Ich habe daraus geschlossen, daß sie eine Menge Humor haben muß. Mittlerweile habe ich mich davon überzeugt, daß meine Annahme richtig war.« Er strahlte Inga an, und diese strahlte vergnügt zurück.

      »Ich habe ihm schon erzählt, Lolly«, sagte sie nun, »daß diese Pusteln im Gesicht und am Körper nicht zu meinem normalen Erscheinungsbild gehören. Aber das wußte er ohnehin, weil er ja Arzt ist.«

      Nun lachten sie alle drei, und Lolly verabschiedete sich bald darauf. In den letzten Minuten war ihr einiges klargeworden. Unter anderem verstand sie auf einmal, warum Inga gar keine Zeit hatte, ihrem egoistischen Holger hinterherzutrauern.

      *

      »Das gibts doch nicht!« rief Adrian Winter, als er am nächsten Morgen an einem Kiosk vorbeikam. Dort las er den Titel einer ganz großen Boulevardzeitung: Pockenfall in Berlin? Verschweigt die Kurfürsten-Klinik einen Skandal?

      Hastig kaufte er die Zeitung und überflog den Artikel. Er enthielt eine wüste Mischung aus Wahrheiten, Halbwahrheiten und unverschämten Lügen, wobei die Wahrheiten den geringsten Teil einnahmen. Die Kernaussage lautete: Fest steht, daß Pockenalarm hätte ausgelöst werden müssen, denn noch lange nach ihrer Einlieferung stand nicht fest, welche Krankheit die Patientin hatte. Zu diesem Skandal hat sich bisher kein Verantwortlicher äußern wollen. Auch die Namen der behandelnden Ärzte hält die Klinik nach wie vor geheim.

      Er fluchte lautlos in sich hinein. Das würde wieder eine Menge Wirbel machen, den er im Augenblick überhaupt nicht gebrauchen konnte. Wie war die Zeitung überhaupt an ihre Informationen gekommen? Das Ganze war unerklärlich, schließlich lag der Vorfall nun bereits über eine Woche zurück.

      Als er die Klinik betrat, stellte er zu seiner Überraschung fest, daß Thomas Laufenberg unten in der Eingangshalle eine improvisierte Pressekonferenz abhielt. Die Journalisten bestürmten den Verwaltungsdirektor mit Fragen, aber Laufenberg ließ sich durch nichts aus der Ruhe bringen. Er beantwortete jede Frage sachlich und ausführlich und sorgte dafür, daß keinerlei Unklarheiten bestehen blieben. Er machte außerdem überdeutlich, daß die Boulevardzeitung journalistisch schlampig gearbeitet hatte und daß die Klinik juristisch dagegen vorgehen werde.

      Adrian selbst stand da, wie vom Donner gerührt. Der Mann war für ihn in die Bresche gesprungen. Warum tat er das? Weil es um das Ansehen der Klinik geht, beantwortete er sich selbst seine Frage. Aber warum hielt er seinen Kopf hin und hatte es fertiggebracht, selbst Adrians Namen aus der Sache herauszuhalten?

      Er boxte sich durch die Menge, bis er vor dem Verwaltungsdirektor stand, der bereits Anstalten machte, in sein Büro zurückzukehren. »Danke«, sagte Adrian. »Aber Sie hätten das nicht ohne mich machen müssen.«

      »Ich weiß«, antwortete der andere lächelnd. »Doch ich wollte nicht warten. Die Meute lauert schon seit sechs Uhr morgens hier herum. Ich wollte es endlich hinter mir haben.«

      »Wo haben die die Geschichte überhaupt her?« murmelte Adrian mehr zu sich selbst.

      »Das kann ich Ihnen ganz genau sagen. Der Verlobte der Patientin ist es gewesen.«

      »Woher wissen Sie das?« fragte Adrian verdutzt.

      »Ich hab ein paar Freunde unter den Journalisten«, antwortete Thomas Laufenberg knapp. »Der junge Mann muß über irgend etwas sehr sauer gewesen sein. Jedenfalls hat er seinen Ärger dann kurzerhand an unserer Klinik ausgelassen – ich schätze allerdings ohne Erfolg.«

      »Das ist ja ein Ding«, meinte Adrian kopfschüttelnd.

      »Fand ich auch«, erwiderte der Verwaltungsdirektor freundlich. »Und deshalb hatte ich es so eilig. Aber das nächste Mal dürfen Sie dabeisein, Herr Dr. Winter, das verspreche ich Ihnen.«

      Mit diesen Worten verschwand er, und zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit ertappte sich

      Adrian dabei, daß er ihn fast sympathisch gefunden hätte.

      *

      »Sie sehen