Nina Kayser-Darius

Kurfürstenklinik Paket 1 – Arztroman


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schüttelte den Kopf und sagte leise: »Sie wissen, daß ich nicht nur aus medizinischem Interesse jeden Tag hierhergekommen bin, nicht wahr?«

      Ihr Herz klopfte heftig, als sie nickte.

      »Aber ich habe mitbekommen, daß Sie mit Ihrem Freund im Urlaub waren, und ich will auf keinen Fall…«

      Sie unterbrach ihn ruhig. »Soll ich Ihnen mal eine kleine Geschichte erzählen, Herr Dr. Sommer?«

      »Martin«, sagte er.

      »Gern, Martin. Kann ich dich dann auch gleich duzen?«

      Er lachte. »Mit dem allergrößten Vergnügen.«

      »Gut«, meinte sie zufrieden. »Also, ich erzähle dir jetzt eine kleine Geschichte. Mein Freund Holger hat mich im Urlaub gefragt, ob ich ihn heiraten will. Das wollte ich eigentlich nicht, aber wir haben uns mißverstanden, und er dachte, ich hätte zugesagt. Ich wollte das später aufklären – er ist launisch und hätte mir sonst den ganzen Urlaub verdorben. Zwischendurch hatte ich gedacht, vielleicht heirate ich ihn sogar, er kann nämlich auch sehr nett sein. Aber eigentlich habe ich gewußt, daß er nicht der Richtige für mich ist. Und dann bin ich also krank geworden. Und was stellte sich heraus? Der Typ hat keinen Arzt angerufen, er hat nur dafür gesorgt, daß wir das Flugzeug erwischen, weil er unbedingt nach Hause wollte. Und zu allem Überfluß hat er auch noch diese Pocken-Geschichte an eine Zeitung verkauft, weil er sauer war. So ein Typ kann doch nicht mein Freund sein, oder?«

      »Eigentlich nicht«, gab Martin zu.

      »Und uneigentlich auch nicht. Ich hab neulich, ohne daß ich das geplant hatte, gesagt, er brauche nicht mehr wiederzukommen, wir hätten uns wohl geirrt, wir beide. Im Grunde war mir das nur so rausgerutscht, und ich dachte, jetzt wird er wieder normal und sagt, wie leid ihm alles tut und daß er mich bedauert und so. Aber nein! Er nickt, dreht sich um und geht. Kannst du dir so was vorstellen?«

      »Kann ich«, antwortete Martin. »Er war nicht der richtige Mann für dich.«

      »Zu dieser Erkenntnis bin ich auch gekommen«, sagte Inga. »Zuerst dachte ich ja, mich trifft der Schlag, aber dann habe ich gemerkt, daß ich überhaupt nicht traurig bin, im Gegenteil. Ich glaube, ich bin sogar richtig froh, daß ich ihn los bin.« Sie lachte. »Und Lolly erst. Die ist richtig selig. Sie konnte Holger noch nie leiden.«

      Martin Sommer strahlte über das ganze Gesicht. »Habe ich das jetzt richtig verstanden?« fragte er. »Heißt das, du hast keinen Freund und bist zur Zeit völlig solo?«

      Inga sah ihn an und seufzte laut. »Sag mal, bist du ein bißchen beschränkt, Martin Sommer? Wozu erzähle ich dir denn die ganze Geschichte so ausführlich, wenn du nicht einmal bemerkst, was wirklich wichtig daran ist?«

      »Wichtig ist, daß ich mich in dich verliebt habe«, sagte er und brachte sie damit zum Verstummen. »Aber so beschränkt kannst du ja nicht sein, daß du das nicht bemerkt hast, Inga, oder?«

      »Und jetzt können wir uns noch nicht einmal küssen«, jammerte sie.

      »Wir können schon«, entgegnete er, »ich hatte nämlich bereits die Windpocken, aber ich finde, wir warten damit, bis du wieder ganz gesund bist. Und dann machen wir es richtig!«

      Als Adrian Winter kurz darauf kam, blieb er erstaunt in der Tür stehen. Irgend etwas schien ihm merkwürdig zu sein, aber er kam nicht so schnell darauf, was es war. Jedenfalls strahlte die Patientin mit seinem Freund um die Wette.

      *

      Kitty betrachtete Martin Sommer aufmerksam, dann streckte sie ihm die Hand entgegen. »Tante Inga ist meine allerbeste Lieblingstante«, erklärte sie, und es hörte sich wirklich an wie eine Drohung.

      Er faßte es auch so auf und sagte ernsthaft: »Heißt das, wenn ich sie nicht gut behandele, dann bist du mir auf ewig böse?«

      »Länger als ewig!« versicherte sie. »Immer und ewig.«

      »Das wird nicht passieren!« gelobte er. »Ich werde sie auf Händen tragen.«

      »So stark bist du doch gar nicht!« platzte Kai heraus.

      »Das bedeutet, er wird immer nett zu ihr sein, Kai«, erklärte Lolly, die der ersten Begegnung ihrer Kinder mit Ingas neuem Freund etwas nervös entgegengesehen hatte. Aber nun schien ihr, als wäre das gar nicht nötig gewesen. »Man sagt das so. Er wird sie nicht wirklich tragen.«

      »Ach so.« Kai hatte bereits das Interesse an dem Verhältnis zwischen Inga und Martin verloren, und er steuerte zielstrebig auf die wirklich wichtigen Dinge im Leben eines Mannes zu. »Kannst du Fußball spielen?«

      »Klar«, antwortete Martin. »Sogar ziemlich gut. Am besten bin ich im Tor.«

      »Dann komm mit«, kommandierte Kai. »Wir brauchen dich.« Er nahm ihn an der Hand und zog ihn mit sich nach draußen.

      »Er ist wirklich sympathisch, Inga«, flüsterte Lolly ihrer Schwester zu. »Du hast echt mehr Glück als Verstand!«

      Inga strahlte und wandte sich ihrem Schwager zu. »Und du, Burkhard? Was sagst du?«

      »Mir gefällt er auch. Ich kann mich Lolly nur anschließen.«

      »Da könnt ihr mal sehen, wozu Windpocken nicht alles gut sein können!«

      Inga sprang auf und lief ebenfalls nach draußen, wo das Fußballspiel in vollem Gange war. Kitty stand neben der Spielfläche und feuerte die Mannschaft ihres Bruders an, für die Martin im Tor stand. Als Inga auftauchte, achtete er jedoch nicht mehr auf den Ball, und im nächsten Augenblick landete dieser im Tor. Martin bemerkte es nicht einmal. Er lief auf Inga zu, schloß sie ganz fest in seine Arme und küßte sie zärtlich. »Liebst du mich?« fragte er leise, als er sie schließlich losließ.

      »Ja, immer noch«, antwortete sie und küßte ihn erneut.

      »Wenn sie verliebt sind, kann man sie vergessen«, stellte Kai resigniert fest. »Wir müssen uns einen anderen Torwart suchen. Ich werde mich jedenfalls niemals verlieben! Verliebte sind einfach zu dämlich.«

      *

      »Haben Sie das etwa alles gekocht, Adrian?« staunte Carola Senftleben, die an diesem Abend von Adrian und Martin zum Essen eingeladen worden war.

      »Wir beide zusammen«, stellte Adrian bescheiden fest und unterschlug dabei, daß seine eigene Rolle bei der Zubereitung des Essens eher gering gewesen war. Zu seiner Erleichterung hatte er festgestellt, daß Martin sich in der Küche gar nicht so ungeschickt anstellte, und so hatten sie es wirklich fertiggebracht, ein Menü aus mehreren Gängen vorzubereiten. Adrian hatte sich erboten, ›Hilfstätigkeiten‹ zu verrichten, und hatte viel schneiden, hacken und rühren müssen.

      Martin hörte diesem Dialog amüsiert zu. Er kochte recht gern, und es hatte ihm gefallen, daß er sich auf diese Weise bei Adrian ein wenig für dessen Gastfreundschaft revanchieren konnte. Und nicht nur dafür…

      »Frau Senftleben«, sagte er und hob sein Glas, »da Sie mich ja nicht heiraten wollen, sehe ich mich gezwungen, eine andere Frau zu nehmen.«

      »Sie wollen heiraten?« fragte Frau Senftleben. »So schnell? Als Sie ankamen, hatten Sie noch nicht einmal eine Freundin.«

      »Nun ja, ich will noch nicht sofort heiraten, denn natürlich haben Sie recht, ich kenne die junge Frau noch kaum. Aber es erscheint mir auch nicht mehr ausgeschlossen, daß Sie noch dieses Jahr Gast auf meiner Hochzeit sein werden.«

      »Ihr jungen Leute habt immer ein Tempo drauf!« wunderte sich Frau Senftleben. »Aber ich freue mich für Sie, Martin. Warum haben Sie das bisher vor mir geheimgehalten, Sie und Adrian?«

      »Vor mir hat er es auch geheimgehalten«, sagte Adrian. »Erst gestern hab ich endlich gemerkt, daß er ständig meine Windpocken-Patientin hinter meinem Rücken besucht.«

      »Wie schön!« rief Frau Senftleben. »Herzlichen Glückwunsch, Martin, die junge Frau soll doch ganz reizend sein.«

      »Worauf Sie sich verlassen können!« sagte Martin lächelnd.