Nina Kayser-Darius

Kurfürstenklinik Paket 1 – Arztroman


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handelt, haben sie beiden Seniorpartner mir den Auftrag gegeben, die Sache zu vertreten. Sie verstehen einfach zu wenig von der Materie, haben sie gemeint.«

      »Ja, aber…«

      »Ich weiß, die Bergtour.« Zerknirscht blickte er sie an. »Kannst du mir verzeihen, wenn wir sie jetzt nicht machen? Ich hab’ schon unsere Zimmer abbestellen lassen. Bitte, Verena…«

      Sie lächelte und küßte ihn liebevoll. »Aber natürlich verstehe ich. Dann kann ich ja auch ohne Gewissensbisse nach Wien fliegen. Lengenbach hat mich gebucht.«

      »Markus Lengenbach?« Mathias pfiff durch die Zähne. »Gratuliere, Schatz. Und wann geht’s los?«

      »Morgen.« Sie biß sich auf die Lippen, um ein Lachen zu verbeißen.

      »Morgen? Aber dann hättest du ja auch nicht…«

      Sie schüttelte den Kopf, und dann mußte sie laut loslachen.

      »Wir sind ein tolles Paar, was? Schmieden Pläne, freuen uns auf den Urlaub – und dann kommt uns beiden ein Karrieresprung dazwischen.«

      »Und du hast mich hier rumstottern und tausend Erklärungen und Entschuldigungen anbringen lassen.« Er griff nach ihr und hielt sie fest. »Biest. Gemeines, süßes, geliebtes Biest!«

      Und dann war es erst einmal eine Weile still, denn das süße Biest ließ sich nur zu gern zurück zum Bett tragen…

      *

      Wien war ein einziger Traum. Und ein grandioser Erfolg für Ve­rena.

      Sie war gut. Besser als je zuvor, und an der Miene des Modezaren sah sie, daß er mehr als zufrieden mit ihr war. Das beflügelte. Das spornte an. Forderte dazu heraus, noch mehr als nur gut zu sein.

      Verena gab ihr Bestes. Verausgabte sich so sehr, daß sie abends total erschöpft ins Bett fiel. Sie hatte nicht einmal mehr die Kraft, zusammen mit den anderen die Stadt zu erkunden. Schönbrunn, die Kaisergruft, ein Besuch im Café Sacher… all das fand ohne sie statt.

      Bei den Kolleginnen entschuldigte sie sich mit Müdigkeit. Und wer sie sah, wenn sie sich abgeschminkt hatte, glaubte ihr auch ohne weiteres, daß sie völlig am Ende war.

      Doch am nächsten Morgen, im Licht der Scheinwerfer, war sie strahlend schön und hundertprozentig der Profi, als der sie gebucht war – ein schönes Fotomodell, das genau wußte, was von ihm erwartet wurde.

      Die vier Tage vergingen wie im Flug, und als Verena wieder in Berlin war, mußte sie sich eingestehen, daß es so nicht weitergehen konnte.

      Der Termin bei ihrem alten Hausarzt, der sie seit frühester Jugend kannte, war rasch gemacht.

      Und ebenso schnell stellte Dr. Förster fest: »Ich kann gar nichts für dich tun, Mädel. Du mußt dich in der Klinik gründlich untersuchen lassen. Da ist irgendwas… ich kann nur leider nicht genau sagen was es ist. Aber mit den modernen Untersuchungsmethoden von heute wird man dem Übeltäter rasch auf die Spur kommen.«

      »Aber ich kann doch nicht in ein Krankenhaus gehen… einfach so, ohne wirklich was zu haben!«

      »Sei nicht so naiv, das steht dir nicht.« Dr. Förster lächelte väterlich. »Du weißt so gut wie ich, daß meine Praxis total veraltet ist. So, wie ich nicht mehr auf dem neuesten Stand der Medizin bin. Deshalb höre ich ja in einem halben Jahr auch auf. Also, Kind, sei gescheit… die Kurfürsten-Klinik ist hervorragend. Ich kenne da ein paar nette Kollegen. Den Anästhesisten zum Beispiel. Und…«

      »Aber ich brauche doch keinen Narkosefacharzt!«

      »Natürlich nicht. Du brauchst einen Arzt, der dich in die Röhre steckt. So eine Computertomographie ist Gold wert in der Diagnostik. Hier, die Überweisung.« Er sah Verena ernst an. »Schieb die Sache nicht auf die lange Bank.«

      Sie nickte zustimmend. Sagen konnte sie nichts, denn die Angst, die auf einmal Besitz von ihr ergriffen hatte, schnürte ihr regelrecht die Kehle zu. Was war das für eine Krankheit, die in ihr steckte? Warum fühlte sie sich seit Wochen so schlapp und elend? Warum klopfte ihr das Herz manchmal unten im Magen statt dort, wo es eigentlich klopfen sollte?

      Verena verließ die Praxis ihres Arztes wie betäubt. Sie sah nicht die strahlende Sonne, die die Großstadt in ein helles, alles verschönerndes Licht tauchte. Sie bemerkte die bewundernden Blicke nicht, die ihr folgten. Und sie ignorierte den Überweisungszettel, der ganz unten in ihrer Handtasche lag.

      Nein, sie war nicht krank! Sie durfte jetzt, in der vielleicht wichtigsten Phase ihrer Karriere, nicht einfach krank sein! Zu Hause legte sie sich auf den Balkon und streckte das schöne Gesicht der Sonne entgegen. Und schlief ein, ehe sie es bewußt registrierte.

      *

      »Kann mir einer sagen, was mit der Frau auf Nummer sieben ist? Sie klagt über vage Bauchschmerzen, aber sie will sich absolut nicht untersuchen lassen.« Dr. Winter, der einen anstrengenden Vormittag im OP hinter sich hatte, kam ins Schwesternzimmer der Chirurgie und sah fragend von einem zum anderen.

      Schwester Walli grinste. »Sie mag eben keine Männer«, erklärte sie lakonisch.

      Ungläubig blickte Adrian sie an. »Was? Sag das noch mal«, verlangte er.

      »Sie mag keine Männer. Seit gestern weigert sie sich schon, sich von einem männlichen Arzt auch nur ansehen zu lassen. Wir haben Frau Dr. Martensen schon zu ihr geschickt, aber die hat eine Appendizitis diagnostiziert – und einen Chirurgen hinzuziehen wollen. Das war dann wieder nichts. Wie du weißt, haben wir zur Zeit nur männliche Chirurgen hier.«

      »Das ist doch Irrsinn! Wenn sie eine starke Blinddarmreizung hat, muß sie eventuell operiert werden. Das muß man doch herausfinden – und den Eingriff vornehmen.«

      »Mach’s der Dame klar! Mit uns will sie über das Thema nicht reden. Entweder eine Ärztin – oder keine Operation.«

      Adrian schüttelte den Kopf. In seiner langjährigen Berufs praxis hatte er schon mit den unterschiedlichsten Menschen zu tun gehabt, und etliche von ihnen waren auch ziemlich schrullig gewesen. Aber das hier… das war einfach zu verrückt!

      »Ich gehe noch mal zu ihr«, sagte er. Doch an der Tür drehte er sich abermals um. »Was ist mit dem kleinen Patrick? Sollte er nicht heute morgen entlassen werden? Ich hab’ ihn aber eben gesehen. Oder war das eine Sinnestäuschung?«

      Walli grinste. »Keine Sorge, du bist noch ganz normal, Adrian. Patrick ist auch entlassen worden, allerdings wollte er unbedingt zu seinem Papa. Und der muß uns ja noch eine Weile Gesellschaft leisten. Seine Herz- und Kreislaufwerte sind alles andere als zufriedenstellend.«

      »Wenn es nur nicht zu einem zweiten Infarkt kommt«, murmelte Dr. Winter. »Beim ersten hat er noch Glück gehabt. Es steht zu befürchten, daß der zweite nicht ganz so glimpflich verläuft.«

      »Das ist mir klar, und er ist ein Musterpatient – im Gegensatz zu Frau Herrmanns. An der wirst auch du dir die Zähne ausbeißen – es sei denn, du organisierst ihr ein OP-Team, das lediglich aus Frauen besteht.«

      »Quatsch«, kommentierte Adrian nur und machte sich auf den Weg zu Zimmer sieben.

      Frau Herrmanns lag im Bett und blätterte in einem Magazin, als der Arzt nach kurzem Klopfen ihr Zimmer betrat. Unwillig sah sie ihn an.

      »Ich habe nach einer Ärztin verlangt«, sagte sie, ohne seinen Gruß zu erwidern. »Ist es so schwer zu verstehen, daß ich nur von einer Geschlechtsgenossin behandelt werden möchte?«

      »Ja.« Adrian nickte ungerührt und blieb dicht neben ihrem Bett stehen. »Geben Sie mir eine einleuchtende Erklärung dafür – bitte.«

      Jetzt war sie sichtlich aus der Fassung gebracht.

      »Schwester Walli hat mir gesagt, daß Sie wegen einer massiven Appendizitis hier sind. Um eine Operation werden Sie also nicht herumkommen. Je eher wir den Eingriff vornehmen, um so rascher können Sie entlassen werden. Heutzutage ist das eine Kleinigkeit. Mit dem Endoskop…«

      »Nein!« fiel sie ihm ins