Durchbruch, dann muß ein großer Bauchschnitt gemacht werden, die Gefahr einer Sepsis ist gegeben und…«
»Ich will eine…«
»Eine Kollegin, ich weiß.« Adrian Winter schüttelte den Kopf. »Da wir keine haben, werde ich veranlassen, daß Sie entlassen werden. Suchen Sie sich eine Klinik mit weiblichem Personal – warum auch immer.«
Frau Herrmanns wurde auf einmal kleinlaut. Sie biß sich auf die Lippen, und ihre Augen füllten sich mit Tränen. Darauf war Adrian nun nicht vorbereitet gewesen. Frauentränen machten ihn hilflos – und weich.
»Aber, aber…« Unbeholfen griff er nach Frau Herrmanns Hand. »Was ist denn nur los? Sagen Sie’s mir, ich versuche Ihnen zu helfen, so gut ich kann.«
Noch einmal zögerte sie, dann schlug sie mit einem Ruck die Bettdecke zurück und hob ihren Schlafanzug ein wenig an. »So… das ist los«, stieß sie hervor.
Dr. Winter mußte sich beherrschen, um nicht allzu sehr zu grinsen. Auf dem nicht gerade kleinen Bauch der Patientin prangte ein großes tätowiertes Herz, in dessen Mitte die Namen Anna und Peter standen.
»Ach so…«, meinte er nur.
»Ich schäme mich so«, flüsterte Frau Herrmanns. »Als ich das vor mehr als zehn Jahren machen ließ, waren mein Verlobter und ich so ausgeflippt und verliebt, daß ich mir gar nichts dabei gedacht habe. Aber jetzt… ich hab’ zugenommen, und mein Herz auch. Leider. Es ist entsetzlich, und ich gäbe Gott weiß was darum, das Ding nicht mehr sehen zu müssen. Wenn ich jetzt operiert werden muß, dann sehen es alle!«
Adrian Winter war klar, daß diese Patientin mehr unter dem tätowierten Herzen litt, als er sich vorstellen konnte. Er versuchte, so einfühlsam wie möglich zu sein, als er sagte: »Ich gebe zu, daß ich so eine Liebeserklärung noch nie gesehen habe, doch so furchtbar, wie Sie es empfinden, ist das Herz nun wirklich nicht. Ich… ich mache Ihnen einen Vorschlag.«
»Ja?« Ihre Augen schwammen immer noch in Tränen, aber sie sah ihn jetzt wenigstens an.
»Wir nehmen Ihnen den Blinddarm so schnell wie möglich raus – ehe es zu einer massiven Entzündung kommt. Und hinterher, wenn Sie sich etwas erholt haben, konsultieren Sie einen Spezialisten, der Ihnen die Tätowierung entfernt – wenn Sie wollen.«
»Ja, geht das denn?«
Adrian Winter nickte. »Natürlich. Allerdings glaube ich nicht, daß die Krankenkasse für diese Kosten aufkommt. Aber mit einem Lasergerät lassen sich die Tätowierungen entfernen. Freilich, ist es eine langwierige und auch etwas schmerzhafte Prozedur. Ich habe kürzlich einen Bericht aus England gesehen, da übernimmt die Stadt Manchester in einigen Fällen die Arztkosten. Junge Männer, die sich haben tätowieren lassen, finden heutzutage in bestimmten Berufen keine Anstellung, weil der Arbeitgeber sich an den Verzierungen stört, wenn sie zu deutlich sichtbar sind.«
»Und Sie sind sich sicher, daß das funktioniert?«
»Ganz sicher.« Adrian lächelte ihr zu. »Und Sie sind sich hoffentlich jetzt darüber im klaren, daß Sie mir die Einwilligung zur Operation unterschreiben müssen.«
Frau Herrmanns nickte, und als Adrian ein paar Minuten später zum Schwesternzimmern zurückkehrte, konnte er Walli den Bogen vorlegen.
»Ich werd’ verrückt!« Überrascht sah sie ihn an. »Wie hast du das denn angestellt?«
»Er hat sich als Frau verkleidet«, spottete Bernd Schäfer, der inzwischen dazugekommen war und sich gerade mit einer Tasse Kaffee stärkte.
»Ich habe eben Einfühlungsvermögen«, erwiderte Adrian nur, zwinkerte den beiden zu und ging mit einem kurzen Winken davon.
»Verstehst du das?« Kopfschüttelnd sah Walli ihm nach.
»Nein. Aber das ist ja auch nicht wichtig. Hauptsache, die OP findet rechtzeitig statt. Wie unser hoher Boß es geschafft hat, Frau Herrmanns rumzukriegen, soll ruhig noch sein Geheimnis sein. Spätestens bei dem Eingriff kriege ich die Wahrheit heraus.«
Walli nickte. »Stimmt. Also lassen wir Adrian das Vergnügen. Viel Spaß wird er heut sowieso nicht mehr haben. Der Verwaltungsdirektor hat eine Sondersitzung einberufen – und damit ist unser Chef gestraft genug!«
*
»Die ist ja zu schön, um wahr zu sein!« Beinahe hätte Adrian Winter seinen Gedanken laut ausgesprochen. Oder… hatte er die Worte tatsächlich gemurmelt? Er wußte es nicht, aber es war auch nicht wichtig, denn dieses Traumwesen, das da in der kleinen Wartehalle saß und ihn nun vage anlächelte, konnte nur eine Fata Morgana sein.
»Bitte… können Sie mir sagen, ob ich hier richtig bin? Ich soll mich zur Computertomographie anmelden. Aber… irgendwie hab’ ich das Gefühl, daß ich mich in den Gängen der Klinik verlaufen habe.«
»Stimmt. Hier sind Sie in der Notaufnahme!« Adrian bemühte sich um sein charmantestes Lächeln. »Aber ich helfe Ihnen weiter. Sie wollen also zur Tomographie…«
»Ich muß.« Verena verzog den Mund ein wenig. »Mein Hausarzt besteht darauf. Irgendwas hab’ ich, das er nicht diagnostizieren kann.«
»Dann kommen Sie bitte mit. Ich werde Sie an unseren Spezialisten überweisen.«
»Sie selbst nehmen eine solche Untersuchung wohl nicht vor?« Fragend blickte Verena den gutaussehenden Arzt an. »Sorry, aber… ich hab’ irgendwie Vertrauen zu Ihnen.«
»Das ehrt mich. Aber ich bin leider nur ein einfacher Chirurg.«
»Nur – das ist wahrscheinlich eine Untertreibung.«
Sie spürte auf einmal wieder diesen dumpfen Druck, und ihr wurde so rasch schlecht, daß sie sich nur noch an der Wand festhalten konnte.
Dr. Winter kam im letzten Moment hinzu, hielt sie fest, sonst wäre Verena ohnmächtig zur Erde gesunken.
»Tut mir leid«, murmelte sie in der nächsten Minute. »Das ist mir jetzt schon zum zweitenmal passiert. Keine Ahnung, warum.«
Adrian lächelte aufmunterd. »Sie sind ja hier, damit wir das herausfinden. Warten Sie, ich hole einen Rollstuhl!«
Doch Verena winkte beinahe entsetzt ab. »Bitte nicht! So schlecht geht’s mir nun auch wieder nicht. Wenn Sie nur so gut wären, noch ein bißchen bei mir zu bleiben…«
»Das ist doch selbstverständlich.«
Adrian übernahm es selbst, Verena Merbold an den Kollegen weiterzureichen, der die Computertomographie vornehmen sollte. Da er aber sah, wie deprimiert die junge Patientin wirkte, bot er an: »Wenn der Kollege Taubert nichts dagegen hat, bleibe ich noch ein bißchen.«
»Selbstverständlich, Herr Winter. Ich freue mich!« Olav Taubert war noch neu an der Kurfürsten-Klinik, aber er hatte schon vom ausgezeichneten Ruf des Chirurgen gehört und war bestrebt, sich gut mit ihm zu stellen.
Verena mußte sich ausziehen und flach hinlegen. Dann wurde ihr Gefäßsystem elektronisch abgetastet.
Die junge Frau kniff bei allem die Augen fest zu, so, wie sie es schon als Kind getan hatte, wenn sie sich vor etwas fürchtete. Es half zwar nicht wirklich, aber sie hatte dann stets das Gefühl, daß es nicht ganz so schlimm war. Außerdem war dieser sympathische Dr. Winter in der Nähe. Irgendwie war’s komisch, aber er flößte ihr wirklich viel Vertrauen ein.
Die Sekunden verstrichen.
Unendlich lang kam der jungen Frau die Prozedur vor, und es war wie eine Erlösung, als Dr. Taubert sagte: »So, das war’s fürs erste. Sie können jetzt entspannen, Frau Merbold. Warten Sie, ich helfe Ihnen von der Liege…«
Verena dankte ihm mit einem kleinen Lächeln. Sie war froh, der Röhre entronnen zu sein. Irgendwie bereitete es ihr Beklemmung, so eingeschlossen in dem Gerät liegen zu müssen. Dabei hatte sie nicht das geringste gespürt.
Jetzt aber klopfte ihr Herz wieder wie wild. Aber nicht hoch oben im Hals und schon gar nicht in der Brust. Sie hatte das Gefühl, daß der