Nina Kayser-Darius

Kurfürstenklinik Paket 1 – Arztroman


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ich da in dem Raum gesessen habe.«

      »Ist das denn wirklich so schlimm?« fragte er. »Das passiert doch wahrscheinlich jedem mal, oder nicht?«

      »Aber es war soviel zu tun«, erklärte sie leise. »Sie hatten eine Frau eingeliefert, die einen schweren Unfall gehabt hat – und die mußte dringend versorgt werden. Dr. Winter hat selbst nach mir gerufen. Das war schrecklich unangenehm.«

      »Jetzt frühstücken wir erst einmal«, sagte er. »Ich gehe heute erst nachmittags ins Hotel.« Er grinste vergnügt. »Ich glaube, die schöne Frau Wagner fährt richtig auf mich ab und auf das, was ich mache.« Er hatte es einfach so dahingesagt und merkte zunächst gar nicht, wie Katja darauf reagierte.

      Erst als er sich ihr gegenübersetzte, sah er, daß sie die Lippen fest zusammenpreßte. »Was ist los?« fragte er beunruhigt. »Habe ich was Falsches gesagt?«

      »Du redest ziemlich viel von dieser Frau Wagner«, erklärte sie. »Sie scheint dich ja sehr zu beeindrucken. Und du beeindruckst sie wohl auch.«

      Im ersten Augenblick wußte er nicht, was er darauf antworten sollte. Schließlich platzte er mit der Frage heraus: »Sag mal, bist du eifersüchtig?«

      »Na und?« Kampflustig sah sie ihn an. »Du erzählst dauernd, wie schön sie ist, wie nett und charmant und wie sie wohl diesen stinkvornehmen Laden schmeißt – du merkst es ja selbst gar nicht, wie oft du von ihr redest.«

      Er schwieg betroffen. Es war ihm in der Tat nicht aufgefallen, wie oft er von Stefanie Wagner gesprochen hatte, seit er diesen Job im Hotel angenommen hatte. »Aber das hat doch mit uns nichts zu tun«, sagte er dann. »Ich finde sie nett, das stimmt. Und schön ist sie auch, ehrlich. Und ich habe Vertrauen zu ihr. Freu dich doch, daß ich einen solchen Menschen gefunden habe, der uns hilft.«

      »Dir«, verbesserte sie. »Sie hilft dir. Mich kennt sie gar nicht.«

      »Trotzdem hilft sie uns, weil sie nämlich weiß, daß ich das Geld nicht für mich brauche, sondern für uns. Das habe ich ihr erzählt. Ich liebe dich, Katinka – nicht Frau Wagner. Außerdem bist du mindestens genauso schön.«

      Nun liefen bei Katja wieder die Tränen, und er mußte sie umarmen, um die Tränen zu trocknen.

      Aber sie befreite sich abrupt aus seinen Armen. »Trotzdem«, schluchzte sie. »Ich fühle mich einfach gräßlich. Ich bin dauernd müde, wir haben ein schreckliches Appartement, in dem wir wohnen müssen, weil wir uns nichts anderes leisten können, und alles um uns herum ist häßlich! Ich kann mir nicht mal was Schönes zum Anziehen kaufen, und du gehst ständig in dieses Hotel und bist von reichen Leuten umgeben, die mehr Geld verdienen, als sie jemals in ihrem Leben ausgeben können. Und wahrscheinlich ist deine Frau Wagner auch noch ganz toll angezogen.«

      »Sie ist nicht meine Frau Wagner«, erklärte er geduldig. »Ja, sie ist toll angezogen. Aber was soll das alles, Katinka? Wir werden nicht ewig in diesem Appartement sitzen, und du wirst dir irgendwann auch wieder Klamotten kaufen können. Nur im Augenblick eben nicht, aber das ist doch auch gar nicht so wichtig! Du siehst in Jeans und T-Shirt sowieso am besten aus!«

      Aber Katja war nicht zu beruhigen. Sie weinte weiter, und irgendwann gab Andreas seine Beruhigungsversuche auf. So war sie noch nie gewesen, er verstand sie einfach nicht. Man drehte doch wegen solcher Kleinigkeiten nicht plötzlich durch! Sicher, er verstand, daß sie müde und erschöpft war, aber das ging ihm selbst ja auch nicht anders. Bisher hatten sie sich trotzdem ganz gut durchgeschlagen, fand er. Warum nur konnte sie das nicht auch so sehen?

      Katja aber fühlte sich durch seinen Rückzug in ihren schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Früher hätte er keine Ruhe gegeben, bis er es geschafft hätte, sie zu trösten. Und jetzt? Er zog sich zurück. Das konnte nur eins heißen: Sie war ihm nicht mehr so wichtig!

      Erst als sie sich ins Bett legte, um zu schlafen, kam er und sagte leise: »Katinka, mach uns das Leben nicht schwerer, als es ist, ja?«

      Am liebsten hätte sie ihre Arme um ihn geschlungen und ihn ganz fest gehalten. Aber sie konnte ihm nicht so schnell verzeihen, daß er sie einfach hatte weinen lassen. Und so sah sie ihn böse an. »Du machst das, nicht ich. Du schwärmst doch immer von dieser blöden Frau Wagner und läßt mich spüren, daß ich mit so einer tollen Frau überhaupt nicht konkurrieren kann.«

      Sie schlief schon halb, das sah er, und deshalb beschloß er, sie in Ruhe zu lassen. Wenn sie geschlafen hatte, würden sie besser miteinander reden können. So schnappte er sich schweigend seine mittlerweile hellwache Tochter, die erstaunlicherweise die ganze Zeit über nicht geschrien hatte, und verließ die Wohnung.

      Katja aber weinte sich unglücklich in den Schlaf und hatte schreckliche Träume von bösen, sehr schönen blonden Frauen und zusammenbrechenden Möbeln.

      *

      Esther Berger stand mitten auf dem Gehweg und studierte stirnrunzelnd den Einkaufszettel, den sie geschrieben hatte. Warum hatte sie nur keinen Stift dabei, um alles auszustreichen, was sie bereits erledigt hatte? Der Zettel war von oben bis unten vollgekritzelt, und sie verlor allmählich die Übersicht!

      Jemand rempelte sie an und sagte unfreundlich: »Warum stellen Sie sich nicht gleich mitten auf die Straße? Da wären Sie als Verkehrshindernis noch besser!«

      »Unhöflicher Kerl!« schimpfte sie wütend hinter ihm her. Als sie sich wieder umdrehte, stand ein junger Mann mit einem Baby vor ihr und sagte ernsthaft: »Recht haben Sie. Aber ganz unrecht hatte er auch nicht.«

      »Ach, Sie sind das«, lachte Esther. »Herr Hollaender, richtig?«

      »Richtig«, bestätigte Andreas.

      »Hab’ ich mir gut merken können wegen Ihrer blonden Haare«, erklärte Esther. »Sie könnten leicht als Holländer durchgehen, finde ich.« Sie beugte sich über das Baby. »Hallo, Franziska.«

      »Sie haben ein gutes Namensgedächtnis, Frau Dr. Berger.«

      »Sie doch auch«, gab Esther lächelnd zurück. »Und? Sind Sie gerade auf dem Weg zum Supermarkt?«

      »Wir sind heute noch etwas unentschlossen«, gab er zu und brachte ein mühsames Lächeln zustande.

      Sie wurde aufmerksam. »Ist etwas nicht in Ordnung?« fragte sie. »Irgendwie wirken Sie heute nicht so vergnügt wie neulich.«

      »Bin ich auch nicht«, gab er zu.

      »Außerdem sind Sie blaß«, stellte Esther fest. »Vielleicht sind Sie krank.«

      Normalerweise hätte er gelacht, aber heute war ihm nicht danach zumute. Die Schmerzen meldeten sich wieder – dieses Mal heftiger als zuvor. Er wollte ihr trotzdem eine flapsige Antwort geben, als er auf einmal erschrocken nach Luft japste. Im nächsten Augenblick krümmte er sich und stöhnte laut.

      »Herr Hollaender, was ist los?« fragte Esther erschrocken.

      »Mein Bauch…«, brachte er mühsam heraus. »Tut so weh… schon seit Tagen. Und schlecht… ist mir.«

      Franziska fing erschrocken an zu weinen.

      »Geben Sie mir das Kind«, sagte Esther und streckte die Arme nach dem Baby aus. »Sie haben Schmerzen? Und Ihnen ist schlecht?«

      »Ja«, preßte er hervor.

      Franziska schrie nun empört, weil diese fremde Frau sie einfach auf den Arm genommen hatte, aber niemand kümmerte sich um sie.

      »Was noch?« fragte Esther knapp. Sie schaukelte das Baby, um es zu beruhigen. Zuvor hatte sie bereits ihr Handy aus der Tasche gezogen. Die ersten Leute blieben stehen, um zu sehen, was vor sich ging.

      »Schlecht und schwindelig«, murmelte Andreas, und wieder stöhnte er laut.

      »Haben Sie noch einen Blinddarm?« fragte Esther knapp.

      »Ja… warum?« Andreas konnte sich kaum noch auf den Beinen halten.

      »Kommen Sie mit zu der Bank!« sagte Esther. »Legen Sie sich dahin!« Dann wandte sie sich an die drei oder vier Passanten, die stehengeblieben