Nina Kayser-Darius

Kurfürstenklinik Paket 1 – Arztroman


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dieser blöden Eifersucht angefangen? Das hatte ihn natürlich genervt, schließlich waren sie beide im Augenblick ein bißchen durcheinander. Allein in Berlin, in einer zu kleinen Wohnung, mit einem lebhaften Baby…

      Und dann wußte sie auf einmal ganz genau, wo Andreas war: Er war ins King’s Palace gegangen und hatte der schönen Frau Wagner erzählt, was passiert war. Und die war bestimmt total verständnisvoll gewesen, hatte ihn bedauert, daß er so eine zickige Freundin hatte. Und dann hatte sie sich liebevoll um Franziska gekümmert…

      Katja fing an zu weinen. Diese Vorstellung war mehr, als sie ertragen konnte. Warum tat Andreas ihr das an? Wie konnte er nur?! Es dauerte eine Weile, bis ihr klar wurde, daß sie ja gar nicht sicher wußte, ob er wirklich ins Hotel gegangen war. Ihre Phantasie hatte ihr wieder einmal einen Streich gespielt.

      Jedenfalls war er nicht zu Hause. Sie mußte bald in die Klinik und fragte sich, wie sie das aushalten sollte. Sie hatten kein Telefon in dieser Wohnung, so daß sie nicht einmal versuchen konnte, Andreas zwischendurch anzurufen. Und dann fiel ihr ein, daß er vielleicht nur abwartete, bis sie das Haus verließ – weil er sie nicht sehen wollte.

      Sie weinte wieder. Es gab so viele Möglichkeiten, warum er nicht nach Hause kam. Noch nie war sie so unglücklich gewesen wie jetzt, und sie schwor sich, nie wieder leichtfertig mit ihm zu streiten. Doch im Augenblick half ihr dieser Vorsatz leider wenig.

      *

      »Ja?« fragte Adrian mit schlaftrunkener Stimme. Wieso rief ihn jemand mitten in der Nacht an? Er hatte doch höchstens eine Stunde geschlafen!

      »Adrian, endlich!« rief Esther. »Was ist denn bloß los? Erst kommst du nach deiner Nachtschicht nicht nach Hause – und jetzt klingst du, als schliefst du noch! Dabei müßtest du dich doch schon wieder auf den Weg machen, oder?«

      »Wieso?« fragte er verwirrt.

      »Weil die nächste Nachtschicht bald anfängt«, erklärte sie freundlich, und da endlich warf er einen Blick auf die Uhr. Schlagartig war er hellwach, und nun fiel ihm auch wieder ein, was passiert war und weshalb er nur so wenig Zeit zum Schlafen gehabt hatte.

      »Ich bin für einen Kollegen eingesprungen«, erklärte er hastig, während er aus dem Bett stieg. »Und dann mußte ich noch einen durchbrochenen Blinddarm operieren…«

      »Du hast das gemacht?« rief sie. »Es war also wirklich Peritonitis? Verdammt, ich hatte gehofft, er käme vielleicht noch rechtzeitig…«

      »Wovon sprichst du, Esther?«

      »Von Andreas Hollaender! Deshalb rufe ich dich ja an,

      Adrian, weil ich gehofft hatte, du könntest mir etwas über ihn sagen! Du hast ihn also operiert?«

      »Ja, habe ich, aber was hast du denn damit…«

      »Erklär’ ich dir gleich. Wie geht’s ihm?«

      »Nicht besonders, das kannst du dir ja sicher vorstellen. Er muß die Beschwerden schon recht lange gehabt haben…«

      »Hat er auch«, sagte sie. »Aber er hat sie nicht ernst genommen. Was heißt das, es geht ihm nicht besonders? Schwebt er in Lebensgefahr?«

      »Das werde ich wissen, wenn ich auf der Intensivstation nach ihm gesehen habe«, erklärte

      Adrian. »Du kannst dir nicht vorstellen, wie es in seinem Bauch ausgesehen hat.«

      »Doch, kann ich«, widersprach Esther. »Ich habe zufällig Medizin studiert, weißt du?«

      »Entschuldige, willst du mir nicht endlich sagen, was du mit Andreas Hollaender zu tun hast?«

      »Er ist zusammengebrochen, als wir gerade miteinander sprachen. Und ich habe sein Baby mitgenommen.«

      »Sein Baby?« fragte Adrian verblüfft. »Er hat ein Kind?«

      »Ja, hat er.«

      »Und was ist mit der Mutter?«

      »Das weiß ich nicht, ich kenne ihn kaum. Ich habe ihn einmal im Supermarkt fast umgerannt, so haben wir uns kennengelernt. Er wohnt bei mir um die Ecke, und er ist ein besonders netter junger Mann. Er wollte unbedingt in die Kurfürsten-Klinik, aber ich weiß nicht, warum. Er hat es nur mehrfach wiederholt und irgendwas von seiner Freundin gesagt, die da ist. Vielleicht liegt sie bei euch, und ich habe sie deshalb noch nie gesehen. Er ist nämlich immer allein mit dem Kind unterwegs.«

      »Ein Baby«, murmelte Adrian. »Er ist erst dreiundzwanzig, ich hätte nicht gedacht, daß er schon Vater ist.«

      »Ja, er war schneller als wir beide«, erwiderte Esther jetzt trocken. »Kann ich ihn besuchen?«

      »Nicht heute«, wehrte Adrian ab. »Aber ich rufe dich nachher an und sage dir Bescheid, wie es ihm geht.«

      »Ja, bitte, tu das. Und was mache ich mit Fränzchen?«

      »Fränzchen?« wiederholte er fragend.

      »Das Baby heißt Franziska, er nennt das Kind immer Fränzchen.«

      »Kann es nicht wenigstens bis morgen bei euch bleiben?« fragte er. »Wir müssen ja zuerst die Mutter finden, Esther!«

      »Such sie bei euch in der Klinik«, riet sie.

      »Wie denn? Sie heißt ja offenbar nicht Hollaender. Und wenn sie als Patientin hier ist, dann wundert sie sich vielleicht, daß die beiden sie nicht besucht haben – aber sie wird wohl kaum die Polizei verständigen, oder?«

      »Dann frag’ ihn, wie sie heißt, sobald er wieder klar ist.«

      »Ja, sicher. Ich ruf’ dich an, Esther.«

      Sie legten gleichzeitig auf, und Adrian raste in Windeseile ins Bad. Danach fand er noch ein Stück Brot und einen Marmeladenrest – den Kaffee würde er in der Klinik trinken müssen, dazu blieb jetzt wirklich keine Zeit mehr. Mit wehendem Mantel rannte er die Treppen hinunter. Wenn er sich sehr beeilte, dann würde er sogar noch rechtzeitig kommen.

      *

      Stefanie Wagner verbiß sich einen ungeduldigen Kommentar, als es kurz klopfte und gleich darauf der Personalchef vor ihrem Schreibtisch stand. Was wollte er nur schon wieder? Sie wußte nicht, wo ihr der Kopf stand, und er kam ständig mit irgendwelchen Kleinigkeiten, die er ihrer Meinung nach sehr gut allein entscheiden konnte. Sie mußte bei Gelegenheit mal mit dem Chef reden, ob dieser Mann wirklich der richtige für seinen Posten war.

      »Tut mir leid, Frau Wagner, daß ich Sie schon wieder behelligen muß, aber Sie haben doch befürwortet, daß wir mit Herrn Hollaender einen Sondervertrag schließen…«

      »Ja, und?« fragte sie kühl. »Soviel ich weiß, leistet er ausgezeichnete Arbeit. Ich habe mir das neulich selbst angesehen und fand es überzeugend. Wir müssen neue Wege gehen, wir können nicht alle Leute fest anstellen, das wissen Sie doch genausogut wie ich!«

      »Ja, ja, sicher, Frau Wagner, aber darum geht es mir im Augenblick gar nicht.«

      »Sondern?« Sie trommelte ungeduldig mit den Fingern auf die Schreibtischplatte, um ihm klarzumachen, daß er ihr ihre kostbare Zeit stahl. Denn das tat er wirklich. Sie mußte noch die neuen Gäste…

      »Er ist heute nicht gekommen, obwohl das so vereinbart war. Und da er keine Telefonnummer angegeben hat, konnte ihn auch niemand erreichen. Die Schreinerei ist wirklich entsetzlich im Druck im Augenblick, das wissen Sie ja, und deshalb…«

      »Dann schicken Sie jemanden bei ihm zu Hause vorbei und lassen Sie herausfinden, was los ist«, unterbrach sie ihn. »Das kann doch nicht so schwer sein, oder? Vielleicht ist sein Baby krank, und er hat in der Aufregung vergessen, uns zu benachrichtigen.«

      »Aber er muß dringend…«

      »Dann schaffen Sie ihn hierher! Aber erzählen Sie mir nicht die ganze Geschichte, denn ich hole ihn bestimmt nicht persönlich ab, nur weil ich befürwortet habe, daß er hier arbeitet!«

      Ihre Stimme war mittlerweile nicht mehr kühl, sondern eisig, und mit einer gemurmelten Entschuldigung verschwand