Nina Kayser-Darius

Kurfürstenklinik Paket 1 – Arztroman


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heißt Ihr Freund, Katja?«

      »Andreas Hollaender.«

      Er gab einen erstickten Laut von sich, und dieses Mal entging ihr seine Reaktion nicht. »Was ist denn?« fragte sie ängstlich.

      Die Gedanken in seinem Kopf überstürzten sich. Er mußte ihr die Wahrheit schonend beibringen, sonst würde sie einen Schock bekommen. Aber wie sollte er am besten anfangen?

      Er zwang sich zur Ruhe und schaffte es sogar, sie etwas anzulächeln. »Sie brauchen nicht länger zu suchen, Schwester Katja. Ich weiß, wo Ihr Freund und Ihre Tochter sind.«

      *

      Dr. Esther Berger mußte erst ans Telefon gerufen werden. Als sie sich schließlich meldete, klang sie ziemlich abgehetzt. »Ja?« rief sie in den Hörer.

      »Ich bin’s, Adrian.«

      »Ist was mit Herrn Hollaender?« rief sie erschrocken. »Adrian, was ist los?«

      »Ihm geht’s gut, keine Sorge, Schwesterchen. Ich wollte dir sagen, daß wir die Mutter gefunden haben. Du wirst nicht glauben, wer es ist.«

      »Was soll das heißen: ›Wer es ist‹? Daß du sie kennst?«

      »Ja, genau das. Es ist unsere neue Schwester Katja, gerade zwanzig Jahre alt. Sie und Andreas Hollaender sind von ihren Eltern sozusagen verstoßen worden, weil sie ein Kind gezeugt haben.«

      »Das glaube ich nicht, Adrian. Wir leben doch wirklich nicht mehr im neunzehnten Jahrhundert!«

      »Nein, aber es leben auch nicht alle Leute in Großstädten, wo man solche Dinge etwas gelassener sieht als in dörflichen Gegenden. Jedenfalls hat sich die junge Familie hier tapfer durchgeschlagen – zu dritt in einem winzigen Appartement, wie ich jetzt erfahren habe.«

      »Deshalb habe ich die Mutter nie gesehen«, meinte Esther nachdenklich. »Weil sie gearbeitet hat.«

      »Schwer gearbeitet, Esther! Mir ist jetzt auch klar, warum sie immer so müde war. Das Kind hat sie oft einfach nicht schlafen lassen. Und dann hat er noch einen Job angenommen, so daß sie manchmal mit dem Kind allein war und nicht schlafen konnte, wenn es schrie…«

      »Eine Schande ist das, wenn Eltern so engstirnig sind!« sagte Esther böse. »Statt sich zu freuen, daß sie ein Enkelkind bekommen…«

      »Keiner kann aus seiner Haut«, erwiderte Adrian ruhig. »Wenn du in einer solchen Umgebung groß wirst, dann prägt sie dich auch. Wie geht es dem Kind?«

      »Es jammert ein bißchen, ich glaube, es möchte nun doch endlich seine Eltern wiedersehen.«

      »Dann sollten wir vielleicht die Übergabe planen!« sagte

      Adrian lachend.

      »Kein Problem«, meinte Esther. »Zufällig habe ich in einer Stunde Zeit und könnte die Kleine selbst den Eltern in die Arme legen.«

      »Ich kann dir nicht versprechen, daß ich noch so lange durchhalte«, meinte er und gähnte verhalten. »Schließlich hatte ich wieder Nachtdienst und sollte eigentlich längst in meinem Bett liegen und schlafen.«

      »Na, hör mal«, sagte sie aufgebracht. »Du wirst doch ein solches Ereignis nicht verpassen wollen, oder?«

      »Ich sehe schon, daß du keine Ruhe geben wirst, bis ich klein beigebe«, sagte er resigniert. »Bis nachher, Esther!«

      *

      »Andreas? Andy!«

      Er blieb ganz ruhig liegen. Das war Katjas Stimme, aber es war sicher ein Traum, daß sie hier war und nach ihm rief. Er wollte weiterträumen und nicht aufwachen, deshalb rührte er sich nicht.

      »Andreas, wach auf! Ich bin’s, Katja!«

      Nun öffnete er doch die Augen und sah tatsächlich Katja, die sich über ihn beugte. Ihr Gesicht war ganz naß, und er fragte leise: »Warum weinst du?«

      »Weil ich dachte, du bist mit Franziska weggelaufen! Wir hatten uns doch gestritten, und ich dachte, du wärst böse auf mich, und…«

      »Gestritten?« fragte er. »Kann ich mich… gar nicht… dran erinnern.«

      Jetzt weinte sie noch mehr, aber sie lächelte dabei. »Du kannst dich nicht daran erinnern? Das ist doch wieder mal typisch. Und ich habe mir eingebildet, daß du mit Franziska weggegangen bist, weil ich so unerträglich war!«

      Er schüttelte vorsichtig den Kopf. »Warst du… bestimmt nicht«, widersprach er. »Ich bin… zusammengebrochen… auf der Straße…«

      »Ja, ich weiß. Jetzt weiß ich es. Aber vorher hab’ ich nichts davon geahnt. Wenn ich mir überlege, daß ich zu Hause im Bett gelegen und geschlafen habe, während du…«

      Er tastete nach ihrer Hand und hielt sie fest. »Nicht, Katinka!« sagte er. »Ist ja alles… wieder gut jetzt.«

      »Jetzt ja, aber warum hast du mir denn nicht gesagt, daß du Schmerzen im Bauch hattest? Das war total gefährlich, Andy, weißt du das überhaupt?«

      »Vorbei«, murmelte er. »Jetzt ist… nichts mehr… gefährlich.«

      »Warum hast du mir nichts davon gesagt?« beharrte sie.

      »Du hattest… genug Stress.«

      »Ach, Andy!« Sie beugte sich über ihn und küßte ihn voller Zärtlichkeit. »Mach das nie wieder, hörst du? Nie in deinem ganzen Leben. Versprich mir das.«

      »Ich… verspreche es…«

      Es klopfte leise, und Katja wandte den Kopf, um zu sehen, wer hereinkam. Im nächsten Augenblick sprang sie auf und rief: »Franziska!« Sie stürzte auf die zierliche blonde Frau zu, die das Kind auf dem Arm hatte.

      Das Baby streckte die Ärmchen nach ihr aus und brabbelte strahlend vor sich hin. Katja drückte es an sich und küßte es immer wieder, während ihr erneut die Tränen über die Wangen flossen. Dann ging sie zurück zum Bett und sagte: »Guck mal, Franziska, da ist dein Papa.«

      »Fränzchen«, sagte Andreas matt. »Hallo, lange… nicht gesehen, was?«

      Katja hielt ihm seine Tochter hin, und Franziska fuchtelte mit ihren Händchen aufgeregt in seinem Gesicht herum.

      »So, das reicht«, meinte Katja, wischte sich die Tränen ab und richtete sich wieder auf. »Dein Papa braucht Ruhe, Franziska.«

      Nun erst wandte sie sich zu der Frau um, der sie das Kind abgenommen hatte. »Entschuldigung«, sagte sie verlegen. »Ich bin wirklich sehr unhöflich. Sie müssen Frau Dr. Berger sein, Dr. Winters Schwester.«

      »Stimmt genau«, nickte Esther vergnügt. »Sie müssen sich nicht entschuldigen, Frau Senkenberg. Mein Bruder hat mir die ganze Geschichte im Telegrammstil erzählt. Ich an Ihrer Stelle wäre völlig ausgerastet!«

      »Bin ich auch fast«, gab Katja zu.

      Esther trat näher und grinste freundlich auf den Patienten herunter. »Hallo, Herr Hollaender, so sieht man sich wieder.«

      »Danke«, sagte er mühsam. »Bin wirklich froh…, daß Sie da waren.«

      »Das können Sie auch sein. Sie mußten nämlich wirklich ziemlich eilig unters Messer, aber das wissen Sie ja wahrscheinlich schon.«

      »Ich bin… müde«, sagte Andreas.

      In diesem Augenblick ertönte eine enttäuschte Stimme von der Tür her: »Da bin ich ja wohl zu spät gekommen!«

      »Adrian!« rief Esther. »Ich dachte, du bist doch nach Hause gefahren und hast dich ins Bett gelegt.«

      Er schüttelte den Kopf. »Nein, ich wollte eigentlich die Familienzusammenführung erleben.«

      »Zu spät, wie du schon richtig festgestellt hast.«

      »Nein«, widersprach Katja. »Gerade rechtzeitig, daß wir beide Ihnen beiden noch einmal danken können, Frau Dr. Berger