laut und vergnügt und strampelte mit seinen winzigen Beinchen.
Die Erwachsenen lachten, und Adrian sagte: »Das war ein sehr gelungener Kommentar, Franziska. Ich bin ganz deiner Meinung.«
*
»Frau Wagner? Hier ist ein Dr. Winter von der Kurfürsten-Klinik am Apparat, aber er will mir nicht sagen, was er…«
»Stellen Sie bitte durch!« Stefanie Wagner versuchte, ihr heftig klopfendes Herz zu beruhigen. Er würde es ihrer Stimme sofort anhören, wie aufgeregt sie war, aber das wollte sie auf keinen Fall. Dieser gutaussehende Arzt, der immer mal wieder ihren Weg kreuzte, aber stets von geradezu aufreizender Zurückhaltung war. Weshalb er sie jetzt wohl anrief?
»Frau Wagner?« Ja, das war unverkennbar seine Stimme.
»Herr Dr. Winter, wie komme ich denn zu der Ehre eines Anrufs von Ihnen?«
»Herr Hollaender hat mich darum gebeten«, antwortete er, und die Enttäuschung über diese Antwort war so groß, daß sie im ersten Augenblick gar nichts sagen konnte.
»Sind Sie noch dran?« erkundigte er sich besorgt.
»Ja, ja«, antwortete sie hastig. »Was ist mit Herrn Hollaender?«
»Er ist gestern morgen mit einem Blinddarmdurchbruch hier eingeliefert worden, und ich habe ihn operiert. Man kann schon sagen, daß es eine Notoperation war, aber jetzt ist er über den Berg.«
Die Enttäuschung war vergessen, nun saß ihr der Schreck in den Gliedern. »Über den Berg?« fragte sie. »So schlimm war das?«
»Ja«, bestätigte er ernst. »Zeitweilig sah es nicht gut aus, aber jetzt geht es ihm besser.«
»Seine Freundin!« rief sie. »Um Himmels willen, sie muß sofort benachrichtigt werden. Sie hat mich heute morgen angerufen, völlig aufgelöst, weil er nicht nach Hause gekommen war…«
»Alles schon geklärt. Sie ist hier, die kleine Tochter ist auch hier, und alle drei sind glücklich und zufrieden.«
»Oh«, sagte sie erleichtert. »Da bin ich aber froh. Sie haben mir einen schönen Schrecken eingejagt, Herr Dr. Winter.«
»Das tut mir leid«, versicherte er. »Aber ich bin bereit, Abbitte zu leisten.«
»So? Wie denn?« Ihr Herz fing wieder an zu klopfen.
»Ich könnte Sie zum Essen einladen, wenn Sie wollen. Oder ins Kino. Oder…«
»Halt!« rief sie. »Essen ist wunderbar. Aber bitte führen Sie mich in ein Restaurant, das mich nicht an das King’s Palace erinnert.«
Er lachte. »Klein, verräuchert, völlig überfüllt und laut – aber köstliches Essen. Wie klingt das?«
»Sehr überzeugend. Wann?«
»Wie wäre es denn… Oh, Mist, ich habe Nachtdienst diese Woche. Also, wie wäre es am Wochenende? Da habe ich frei.«
»Gern!« sagte sie.
Als einer ihrer Kollegen wenige Augenblicke später zur Tür hereinkam, fragte er erstaunt: »Hast du im Lotto gewonnen?«
»Wie kommst du denn darauf?« fragte sie verblüfft.
Er legte den Kopf schief und betrachtete sie nachdenklich. »Na, weil du so aussiehst. Du strahlst wie ein Kind unterm Weihnachtsbaum, Steffi!«
Sie machte schleunigst ein ernstes Gesicht und beschloß, auf seine Bemerkung nicht näher einzugehen. Was ging es ihn an, weshalb sie strahlte?
*
»Du strahlst ja so!« sagte Esther, als sie mit ihrem Bruder die Klinik verließ.
»Mhm.«
»Ich freue mich auch für die drei.«
Adrian ließ sie in dem Glauben, daß das glückliche Ende der Geschichte um seinen Patienten Andreas Hollaender der Grund für seine gute Laune war. Esther war sehr scharfsinnig, er wollte sie nicht auf die richtige Spur bringen, denn dann würde sie ihn ständig mit Fragen löchern.
Esther Berger lächelte still in sich hinein. Männer, dachte sie. Nun bildet er sich wirklich ein, ich wüßte nicht, daß sein Gesichtsausdruck etwas mit dem Telefongespräch zu tun hat, das er gerade geführt hat. Rührend. Ich bin mal gespannt, wann er mit seiner Geheimniskrämerei aufhört.
»Tschüß, Adrian!« sagte sie liebevoll. »Schlaf gut, du hast es verdient.«
»Finde ich auch«, meinte er, winkte ihr nach und lief dann mit langen Schritten davon. Am Wochenende würde er mit der schönen Frau Wagner essen gehen. Er würde…
Fast hätte er eine alte Frau umgerannt, die ein böses Gesicht machte und gerade anfangen wollte zu schimpfen. Doch dazu kam sie nicht, denn er umarmte sie, küßte sie auf beide Wangen und sagte: »Entschuldigen Sie, aber ich bin einfach so glücklich.«
Dann rannte er davon, während sie ihm lächelnd nachsah. »Verliebt«, sagte sie zu ihrem Pudel, der ihr aufmerksam zuhörte. »Der Mann ist eindeutig verliebt, Pummelchen!«
»Wenn du nicht aufpaßt, fallen dir gleich die Augen aus dem Gesicht, Konrad!« Dr. Adrian Winter lächelte, als er das sagte.
Sein Kollege, der Kinderarzt Dr. Konrad Eder, errötete heftig, aber noch immer folgten seine Augen einer schlanken Frau mit tizianroten Haaren und großen grünblauen Augen, die gerade mit einem kurzen Kopfnicken an ihnen vorbei zur Tür ging.
Die beiden Ärzte saßen in dem kleinen Café im Erdgeschoß der Kurfürsten-Klinik in Berlin. Beruflich hatten sie nicht allzu häufig miteinander zu tun. Adrian Winter leitete die Notaufnahme der Klinik, und Konrad Eder arbeitete auf der Kinderstation. Aber als sie einander zum ersten Mal begegnet waren, hatten sie sich sofort sympathisch gefunden, und jetzt tranken sie zumindest gelegentlich einen Kaffee miteinander oder nahmen gemeinsam eine Mahlzeit ein.
»Sie sieht unglaublich aus, findest du nicht?« fragte Konrad jetzt, nachdem sich die Tür hinter der Frau geschlossen hatte. »Wenn ich ihr begegne, muß ich sie einfach immer ansehen.«
»Ich würde sagen, das ist eine völlig aussichtslose Geschichte«, stellte Adrian seelenruhig fest. »Wenn ich das richtig sehe, sind achtzig Prozent unserer Kollegen hinter der schönen Frau Dr. Plessenstein her – und wahrscheinlich hat sie auch schon längst einen Mann. Also, Konrad, vergiß es. Du machst dich nur unglücklich.«
»Das sagst du so leicht«, erwiderte der andere. Konrad Eder war ein gutaussehender, aber unauffälliger Mann von fünfunddreißig Jahren mit einem sympathischen Gesicht und freundlichen braunen Augen. Seine störrischen lockigen Haare waren ebenfalls braun, und er hatte eine sanfte, sehr angenehme Stimme.
Man übersah ihn leicht, weil er sich nicht in den Vordergrund drängte und niemals laut wurde. Erst im Gespräch erschloß sich, daß er ausgesprochen klug und angenehm im Umgang war. Und dann bemerkte man auch sein gutgeschnittenes Gesicht mit der geraden Nase und dem großen Mund, der gern lächelte.
Adrian mochte ihn sehr, und der Gedanke, daß Konrad vielleicht unglücklich werden könnte, weil er sich in die falsche Frau verliebte, gefiel ihm überhaupt nicht.
»Ich sage das nicht leicht, Konrad«, widersprach er. »Aber such dir eine Frau, die zu dir paßt. Frau Plessenstein wirkt auf mich wie eine… ach, ich weiß gar nicht, wie ich das sagen soll. Sie ist einfach zu schön. Wahrscheinlich ist sie verwöhnt und eingebildet. Wer so aussieht…«
Konrad schüttelte energisch den Kopf. »Ich habe schon einige Male mit ihr gesprochen, du schätzt sie völlig falsch ein, Adrian«, sagte er eifrig. »Sie ist überhaupt nicht eingebildet, im Gegenteil. Sie hat viel Humor und ist eine sehr gute Chirurgin, das haben bisher alle gesagt.«
Adrian unterbrach ihn. »Das bestreite ich doch auch nicht!