hier bin, würde ich gern mal zur Intensivstation hochgehen. Kommst du mit?«
»Einverstanden. Laß mich nur schnell die Unterschriftenmappe rüber ins Sekretariat bringen.«
Einige Minuten später betraten sie die Intensivstation. Zu ihrer Überraschung stand Christina Bergmann neben dem Inkubator. In dem dunkelblauen Bademantel aus weichem Nickistoff sah die junge Schauspielerin noch zarter, noch zerbrechlicher aus. Aber sie hatte wieder rosige Wangen, fühlte sich alles in allem auch wieder wohler.
Die Schrecken, die sie vor drei Nächten durchlebt hatte, waren vergangen. Sie fühlte sich dank intensiver Behandlung wieder ganz gut. Und da sie jetzt wußte, wie sehr Markus sie liebte, sah die Zukunft nur noch rosig aus.
»Ich glaube, unsere kleine Katrin nimmt jeden, der sie kennenlernt, für sich ein«, meinte Dr.Winter. »Sie sind ihrem Liebreiz auch verfallen, nicht wahr, Christine?«
»Unbedingt. Und… ich weiß, daß Markus ganz vernarrt in das Baby ist. Er gibt es zwar nicht zu, aber er würde Katrin gern für immer bei sich behalten.« Sie zögerte, warf noch einen langen Blick auf das Baby, das ganz friedlich in seinem Bettchen lag und am Daumen lutschte, dann wandte sie sich an Dr. Winter. »Was meinen Sie – besteht die Chance, daß Markus und ich das Baby adoptieren?«
»Aber… Sie sind nicht verheiratet«, wandte der Arzt ein.
Ein zärtliches Lächeln glitt über Christinas Gesicht. »Noch nicht«, sagte sie, »aber ich denke, daß sich dieser Zustand rasch ändert.«
»Dann will ich mal wieder gehen«, sagte Esther Berger leise.
»Ihnen alles Gute.« Sie gab Christina die Hand, beugte sich kurz über Klein-Katrin und wollte schon die Station verlassen, als ihr Bruder sie zurückhielt.
»Warte noch einen Moment, ja? Ich möchte dich gern mit einer jungen Frau bekannt machen, die ganz tolle Pläne hat – Pläne, die dich mit Sicherheit interessieren werden.«
Gemeinsam gingen sie in Veronika Rübsams Zimmer. Die aparte junge Frau mit den langen dunklen Naturlocken lag im Bett und las. Auf ihrem Nachtisch standen zwei kleine Blumensträuße, doch das Pferdebild im schlichten grünen Holzrahmen war unübersehbar.
»Mein Gott, ist der schön!« Esther schaute unentwegt auf das Bild.
Veronika lächelte. »Nicht wahr? Er ist mein ganzer Stolz. Ich hab’ ihn vor drei Jahren als ganz junges Tier gekauft und selbst eingeritten. Er ist lammfromm und…« Sie unterbrach sich. »Entschuldigung, aber wenn’s um Meteor geht, vergesse ich sogar manchmal meine gute Erziehung.«
»Dann müssen wir uns auch entschuldigen, weil wir einfach so hier eindringen«, lachte Esther. »Aber mein Bruder meinte, ich müsse Sie unbedingt kennenlernen. Und jetzt weiß ich auch, wieso. Ich bin nämlich eine Pferdenärrin. Und wenn ich träume – was zum Glück nicht oft vorkommt – träume ich davon, mit meinen kleinen kranken Patienten hinaus zu einem Bauernhof zu fahren, wo die Kinder reiten, toben, eventuell mit ein paar Kaninchen spielen können…«
»Ich laß euch allein«, warf
Adrian ein. »Oder werde ich noch gebraucht?«
»Nein«, antworteten die beiden Frauen wie aus einem Mund. Und gleich darauf waren sie in eine lebhafte Unterhaltung verstrickt. Daß sie sich kaum kannten, daß sie gar nichts voneinander wußten, war unwichtig. Sie hatten die gleichen Wünsche und Träume, die gleichen Sehnsüchte und Ziele – nur das zählte.
Als Esther nach einer knappen Stunde ging, waren sie und Veronika schon fast Freundinnen geworden. Auf jeden Fall stand fest, daß sie sich von dem heutigen Tag an nicht mehr aus den Augen verlieren würden.
Als Esther durch die Klinikhalle ging, sah sie Markus kommen. Sie winkte ihm zu.
»Hallo, Esther. Wollen Sie zu Adrian?« Der junge Arzt eilte mit langen Schritten auf sie zu.
»Nein, da war ich schon. Und auch bei Klein-Katrin. Ich hätte eventuell Adoptiveltern für sie gehabt. Aber ich glaube, daß da schon jemand anders ist, der die Kleine unbedingt haben will. Nicht wahr?«
Markus nickte mit einem strahlenden Lächeln. »Ja, wenn Christina einverstanden ist, möchte ich die Kleine adoptieren.«
»Sie ist einverstanden«, meinte Esther. »Aber… Sie sollten sie vorsichtshalber noch selbst fragen. Es macht sich einfach gut. Und – vergessen Sie die Rosen nicht!«
»Danke.« Markus drehte sich auf dem Absatz um und stürzte wieder davon.
Esther sah es nicht mehr, aber schon wenige Minuten später kam er zurück, einen herrlichen Strauß roter Rosen im Arm.
»Schon wieder im Dienst, Herr Doktor?« neckte ihn Monika, als er an ihr vorbeistürmte.
»Immer, das weiß doch hier jeder«, gab Markus gutgelaunt zurück.
Er blieb erst kurz vor Christinas Zimmertür stehen. Auf einmal drohte ihn der Mut zu verlassen. »Los, du kannst nicht noch mal zehn Jahre vergehen lassen, bis du dich zu ihr bekennst«, sagte er leise zu sich selbst – und klopfte an.
»Herein!« Es war eine dunkle, selbstsichere Männerstimme, die das rief.
Als Markus eintrat, sah er Christina aufrecht im Bett sitzen, ihren Vater im Rollstuhl neben sich.
»Guten Tag, ich…«
»Du wolltest wohl um die Hand meiner Tochter anhalten, was?« fragte der Fabrikant lachend. »Nimm sie dir, mein Junge. Aber unter einer Bedingung: Ihr bleibt von nun an beide in Deutschland. Auch hier sind begabte Schauspielerinnen gefragt. Und Ärzte auch.«
Er verriet nicht, daß er insgeheim schon ins Auge gefaßt hatte, Markus eine eigene Praxis zu kaufen. Sein Schwiegersohn sollte, wenn er denn schon nicht die Firma übernahm, so doch wenigstens selbständig sein, sich seine Arbeit einteilen können.
Wenn er es recht überlegte, wäre eine Gemeinschaftspraxis ideal… Der Fabrikant rollte, so rasch es ging, zurück in sein Zimmer. Die beiden Verliebten merkten es nicht. Und er verkniff es sich, noch eine Bemerkung zu machen. Christina hatte ihm bei ihrer Aussprache klar und deutlich zu verstehen gegeben, daß sie ein erwachsener Mensch war, der seine eigenen Entscheidungen traf. Und daß sie es nicht akzeptieren würde, wenn er sich in irgendeiner Weise einmischte. Aber die Sache mit der Praxis, die würde er deichseln. Irgendwie. Er mußte zunächst ja nicht in Erscheinung treten. Wozu hatte er weitreichende Beziehungen?
Er lächelte selbstzufrieden vor sich hin, als er zum Telefon griff und einige Gespräche führte.
Markus war unterdessen zu Christina getreten und hatte ihr die Rosen aufs Bett gelegt.
»Jetzt brauche ich eigentlich ja gar nichts mehr zu sagen«, meinte er. »Dein Vater hat schon alles vorweggenommen.«
»Aber ich will nicht ihn heiraten«, lächelte sie.
»Hoffentlich mich.« Markus nahm ihre Hände und hielt sie mit festem Druck umschlossen. »Tina, ich liebe dich schon seit einer kleinen Ewigkeit, das weißt du. Und – du liebst mich auch, nicht wahr?«
Sie nickte nur.
»Dann heirate mich. So schnell wie möglich.« Er zog sie fest an sich. »Am besten gleich morgen.«
»Geht leider nicht«, flüsterte sie dicht vor seinen Lippen. »Ich bin hier Patientin!«
»Ich werde dafür sorgen, daß du so rasch wie möglich in häusliche Pflege entlassen wirst.«
»Wundervoll«, seufzte sie. Und dann sprachen sie eine geraume Zeit nichts mehr. Aber das, was sie taten, sagte mehr als tausend Worte, wie sehr sie sich liebten.
*
Vier Wochen später wurde in der Villa Bergmann Verlobung gefeiert.
Alle aus der Kurfürsten-Klinik, die Christina und ihren Vater betreut hatten, waren eingeladen – sofern sie dienstfrei hatten.
Das Brautpaar empfing seine Gäste in der blumengeschmückten Halle.