bringe ich dich heim.«
Christina nickte dankbar. Es war gut, jetzt nicht allein zu sein. Und daß sie Markus hier an der Kurfürsten-Klinik wiedergetroffen hatte, war einfach ein Geschenk des Schicksals. Es versöhnte sie ein wenig mit der Tatsache, daß ihr Vater sich immer noch nicht bereit erklärte, die alten Differenzen zu bereinigen.
Die schöne blonde Frau ließ sich im Foyer der Klinik nieder und blätterte in einigen Zeitschriften. Sie hatte sich so gesetzt, daß man sie nicht sofort bemerkte. Inzwischen war Christina Bergmann so bekannt, daß immer mehr Menschen sie ansprachen, eventuell auch ein Autogramm von ihr wünschten.
An und für sich konnte sie mit dieser Popularität sehr gut umgehen, doch heute wollte sie nicht erkannt werden. Sie fühlte sich immer noch nicht ganz wohl und brauchte Ruhe.
Und sie brauchte einen Menschen, der zu ihr stand: Sie brauchte Markus!
Als sie knapp eine halbe Stunde später in seinem Wagen saßen, schmiegte sie sich kurz an ihn.
»Ich bin so froh, daß es dich gibt«, sagte sie leise.
Er lachte zärtlich. »Du ahnst nicht, wie glücklich ich bin, daß ich dich wiedergefunden habe.« Er warf ihr einen raschen Seitenblick zu. »Stell dir nur vor, ich wäre noch länger drüben in Amerika geblieben…«
»… und mein Vater wäre nicht krank geworden«, fügte sie hinzu. »Dann wären wir wie die Königskinder.«
Etwa fünfzig Meter weiter sah Dr. Reinhardt eine Parkbucht, die er nun entschlossen ansteuerte.
Als der Wagen hielt, stellte der Arzt den Motor ab und beugte sich zu Christina hinüber. Zärtlich legte er die Arme um sie. »Wir sind aber keine Königskinder«, meinte er. »Und wenn du willst, kommen wir zusammen.«
Sie antwortete nicht, statt dessen küßte sie ihn. Lange, zärtlich, sehnsuchtsvoll.
Und für eine glückliche kleine Ewigkeit gab es nur zwei Menschen auf dieser Welt – sie und ihn.
*
»Morgen, alle zusammen!« Schwungvoll stellte Monika Ullmann ihre Handtasche auf einen der Plastikstühle, die im Schwesternzimmer standen. »Herrlicher Tag heute, oder?«
Ihre Kollegin Claudia lächelte nur.
Wenn Monika so gute Laune hatte, war sie erfahrungsgemäß frisch verliebt.
»Ich weiß nicht, was an diesem Morgen schön sein soll«, brummte Dr. Werner Roloff vor sich hin. Der Anästhesist, seit fast dreißig Jahren verheiratet, fühlte sich an diesem sonnigen Morgen alles andere als gut. Er hatte mal wieder einen heftigen Disput mit seiner Frau Sophia hinter sich – und solche Streitigkeiten, die meist keine ernsthafte Ursache hatten, nagten an ihm.
»Ich hab’ frische Brötchen mitgebracht.« Monika zog eine Tüte aus der Tasche. »Wer hat Appetit?«
Claudia holte Geschirr aus dem Schrank, und Monika schüttete rasch frischen Kaffee auf.
»Hm, das duftet!« Dr. Adrian Winter trat ein und lächelte in die Runde. »Bekommt ein armer Single auch eine Tasse ab?«
»Bedauernswerter«, knurrte der Anästhesist. »Wollen wir tauschen?«
Adrian lächelte. »Danke, lieber nicht. Außerdem liebst du deine Frau viel zu sehr, um sie mir auch nur zu leihen.«
Dr. Roloff zog es vor, hierauf nichts zu erwidern. Es war in der Klinik kein Geheimnis, daß seine Ehe nicht die glücklichste war. Seine Frau Sophia Andergast, eine recht bekannte Sopranistin, konnte sich einfach nicht damit abfinden, daß sie den Zenit ihrer Karriere überschritten hatte. Die herausragenden Angebote blieben aus, das konnte Sophia einfach nicht verkraften. Ihren Frust ließ sie am liebsten an ihrem Mann aus. »Kommen Sie, Doktor, ich schmiere Ihnen das Brötchen«, bot Schwester Monika an. »Marmelade oder lieber rohen Schinken?«
»Schinken, wenn genug übrig ist.« Werner Roloff zwang sich zu einem Lächeln. Es tat gut, so nette Kollegen zu haben. Hier im Kreis von Gleichgesinnten, fühlte er sich wohl. Und wenn dann noch Zeit für eine private Plauderei blieb…
Draußen hörte man Sirenengeheul.
»Zu früh gefreut«, meinte der Anästhesist und biß schnell in sein Brot.
»Wer weiß, vielleicht ist’s nur eine Kleinigkeit, und die Kollegen in der Ambulanz machen das ganz allein.« Auch Adrian Winter war nicht bereit, sich die gute Stimmung trüben zu lassen.
»Was habt ihr gestern so alles getrieben?« fragte er und sah in die Runde.
Monika lächelte. »Ich bin ganz groß ausgegangen.« Sie zwinkerte Adrian zu. »Mit einem Traummann! Ich sag’s lieber direkt, damit du nicht so umständlich fragen mußt.«
Der junge Arzt mit dem dunkelblonden Haar und den warmen braunen Augen grinste. »Tu doch nicht so, als wäre ich neugierig! Ich nehme aber Anteil an deinem Leben – weil ich dein Chef bin und mich für dich verantwortlich fühle.«
»Ach, du liebes bißchen. Unser Doc hatte wohl gestern ein zu heißes Bad«, prustete Monika los.
Das Klingeln des Telefons unterbrach ihr heiteres Geplänkel. Schwester Claudia nahm das Gespräch entgegen, und als ihre Miene ernst wurde, erkannten die anderen, daß der Morgen wohl nicht so problemlos weitergehen würde, wie er angefangen hatte.
»Ein Brand auf einer Großbaustelle«, berichtete Claudia. »Drei Arbeiter sind schwer verletzt. Einer von ihnen hat ganz massive Brandwunden, er wird schon in eine Spezialklinik geflogen, die beiden anderen sind unten. Aber Bernd Schäfer und Frau Dr. Martensen werden allein nicht damit fertig.«
»Ich bin schon unten«, stieß Adrian Winter hervor.
Auch Dr. Roloff erhob sich. »Ich gehe schon mal in die OP-Abteilung und mache alles startklar«, sagte er.
Schwester Monika trank noch einen letzten Schluck Kaffee, dann folgte sie Dr. Winter.
»Wieso ist Frau Martensen im Haus?« wollte Adrian wissen.
»Hatte sie nicht Urlaub eingereicht?«
Monika zuckte die Schultern. Alle in der Klinik wußten, daß die attraktive Internistin gern ausgedehnte Fernreisen unternahm. Erst vor einem halben Jahr war sie in Japan gewesen und hatte ganz begeistert von diesem Land geschwärmt.
»Wer weiß, wo sie mal wieder hinwollte«, sagte Monika, »eventuell in ein exotisches Land, das gerade zum Krisengebiet erklärt worden ist.«
»Wir werden’s schon noch erfahren«, meinte Adrian. Dann sprachen sie nicht mehr, denn sie hatten die Ambulanz erreicht, wo es ausgesprochen hektisch zuging.
»Warum hört mir denn keiner zu?« schimpfte Bernd Schäfer gerade lautstark. »Ich hab’ doch gesagt, daß ich unbedingt Sauerstoff brauche.«
»Hallo, Bernd.« Dr. Winter trat neben den jüngeren Kollegen an den Untersuchungstisch, auf dem ein dunkelhaariger Mann lag, der aus einer großen Wunde am Hals blutete. Schweiß rann ihm übers Gesicht, und an seinem flachen Atem war zu erkennen, daß er jeden Moment die Besinnung verlieren würde.
»Ich habe schon alles versucht, um gegen seinen Schock anzukämpfen – es will einfach nicht gelingen«, stieß der junge Chirurg hervor.
Adrian Winter kontrollierte die Infusion, dann besprach er kurz mit Bernd die bisher vorgenommenen Maßnahmen.
»Hätte ich alles genauso gemacht«, sagte er. »Vielleicht hat er noch irgendwo…«
»Er kommt zu sich!« rief Schwester Monika in diesem Moment. Der Patient schlug die Augen auf, atmete auf einmal viel ruhiger – die Gefahr war gebannt.
Adrian Winter überzeugte sich davon, daß der Mann außer der großen Fleischwunde am Hals keine Verletzungen davongetragen hatte. Der Kreislaufschock war jetzt auch wohl behoben – dieser Patient war nicht allzu stark gefährdet.
Anders sah es in der Nebenkabine aus. Dort lag ein grauhaariger Arbeiter, der flach atmete und völlig