Nina Kayser-Darius

Kurfürstenklinik Paket 1 – Arztroman


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Winter legte dem Freund kurz die Hand auf die Schulter. »Du magst diese Christina, nicht?«

      »Ja, sie ist… zauberhaft. Schon damals, in der Schule, habe ich für sie geschwärmt. Und wenn ich ehrlich sein soll, in jeder Frau, die mir dann begegnet ist, habe ich sie gesucht.«

      Dr. Winter öffnete die Bürotür. »Falls es dich interessiert… sie sitzt in der Caféteria und rührt schon seit einer Weile in ihrem Kaffee. Vielleicht solltest du dir kurz eine Erfrischung gönnen?«

      Markus lächelte jungenhaft. »Bin schon unterwegs. Danke.«

      »Gern geschehen.« Adrian drückte endgültig die Tür auf und ließ sich hinter dem Schreibtisch nieder. Aufseufzend begann er damit, die ersten Akten zu sichten. Doch kaum hatte er vier Berichte diktiert, wurde er zu einem Notfall gerufen.

      Zwei Stunden lang kämpften er und Dr. Schäfer um das Leben einer jungen Motorradfahrerin, die in einer besonders engen Kurve die Gewalt über ihre Maschine verloren hatte.

      Schwere innere Verletzungen hatte sie davongetragen, außerdem einige Brüche am linken Bein. Aber jetzt war ihr Zustand stabil, und man konnte sie zur Intensivstation bringen, wo sie konstant überwacht werden würde.

      Adrian Winter kehrte zurück zur ungeliebten Schreibtischarbeit, aber kaum hatte er das Wesentliche getan, ging er hoch zur Intensivstation. Vor sich selbst rechtfertigte er den Besuch dort mit seiner Sorge um die Frischoperierte, in Wahrheit jedoch zog es ihn zu Klein-Katrin.

      Das Baby lag zunächst ruhig in seinem Brutkasten, und wenn nicht die verschiedenen Schläuche und Sonden gewesen wären, hätte man es für ein gesundes, wenn auch zartes Neugeborenes halten können.

      Plötzlich mußte das Baby niesen, und sofort beschleunigte sich die Atemfrequenz auf dem Monitor. Auch die EKG-Linie wies auf einmal größere Abweichungen auf.

      Erschrocken kam die diensthabende Schwester herbeigeeilt. »So ein armes Dingelchen.« Sie sah Adrian Winter an. »Kümmern Sie sich um die Kleine, oder soll ich Dr. Haberstett holen?«

      Adrian winkte ab. »Ich mach’ das schon. Vielleicht gelingt es uns, einen weiteren Krampf von der Kleinen abzuwenden. Ich will versuchen, die Gefahr durch künstliche Beatmung zu bannen und…«

      »Ich hole alles«, fiel ihm Schwester Ingeborg, die schon zwanzig Dienstjahre hinter sich hatte, ins Wort. Wenig später kam sie mit dem kleinsten Kehlkopfspiegel zurück, den es gab.

      »Gut. Danke.« Dr. Winter sah die Pflegerin fragend an. »Können Sie mir helfen?«

      »Aber ja.« Schwester Ingeborg lächelte, und ohne daß der Arzt es ihr anweisen mußte, nahm sie das kleine Köpfchen des Babys hoch und hielt es so, daß der Arzt gut arbeiten konnte. Dr. Winter schob den Kehlkopfspiegel über die Zunge, am Gaumensegel vorbei nach hinten. Spontan versuchte das Baby zu schreien, doch mit einer raschen, geübten Bewegung gelang es dem Arzt, den dünnen Gummischlauch in die Luftröhre zu schieben. Jetzt konnten sie mit dem Intubieren beginnen.

      Es gelang ihnen mit vereinten Kräften, den schlimmen Anfall, der das Baby unendlich viel

      Energie gekostet hätte, abzuwenden.

      »Gott sei Dank, sie hat’s mal wieder geschafft.« Schwester Ingeborg lächelte. »Ein Glück, daß Sie gerade zur Stelle waren.«

      »Manchmal müssen Arzt und Patienten eben Glück haben«, erwiderte Adrian lächelnd, dann ging er durch die Schleuse zurück zur Station.

      Auf dem Weg begegneten ihm Markus und Christina Bergmann. Die junge Frau hatte traurige Augen. Adrian war klar, daß sie heute wieder einmal vergeblich versucht hatte, mit ihrem Vater zu sprechen.

      Er lächelte seinem Freund und dessen schöner Begleiterin entgegen. »Wollt ihr zu Klein-Katrin?«

      »Ja.« Christina nickte. »Sie freut sich vielleicht über unseren Besuch.«

      Dr. Winter zuckte vage die Schultern. »Im Moment bestimmt nicht. Ich mußte intubieren. Es drohte mal wieder ein Krampfanfall.«

      »Das arme Ding!« In den schönen Augen der Schauspielerin glitzerten Tränen. »Wie schade, daß man sie nicht herausnehmen und ein bißchen liebhaben kann. Sie muß doch spüren, daß sie ganz allein ist.«

      Adrian Winter nickte. »Da haben Sie recht. Aber den Brutkasten verlassen darf sie noch nicht. Nachher, wenn sie sich ein wenig erholt hat, können Sie sie gern ein bißchen streicheln. Der Inkubator hat ja Öffnungen, die es ermöglichen, das Baby behutsam zu versorgen, ohne immer alles abbauen zu müssen. Wenn Sie also noch etwas Zeit haben…«

      Christina nickte. »Jede Menge. Ich habe jetzt ein paar Tage drehfrei, schließlich wollte ich mich um meinen Vater kümmern. Doch wenn er nicht will… Dann versorge ich eben das Baby!«

      Dr.Winter nickte ihr zu. »Das ist sehr liebenswert von Ihnen. Ich bin sicher, daß die Kleine spürt, daß man sie liebhat. Und das hilft bestimmt beim Gesundwerden.«

      Christina nickte, doch kaum hatten sie und Markus sich sterile Kittel übergezogen, da begann sie wieder zu taumeln.

      Gleichzeitig griffen die beiden Männer zu und hielten sie fest.

      »Ich… ich muß mich setzen«, sagte Christina leise.

      »Du legst dich gleich irgendwo hin«, bestimmte Dr. Reinhardt.

      »Und dann werden wir untersuchen, woher diese Schwindelanfälle stammen. Hast du schon öfter damit Probleme gehabt?«

      »Erst seit einigen Tagen«, erwiderte Christina.

      Sie fühlte sich in der Tat so schlapp, daß sie nicht widersprach, als Markus und Adrian Winter sie in ein leerstehendes kleines Untersuchungszimmer führten und sie auf die dort stehende Liege betteten.

      Da Markus Reinhardt sich befangen fühlte, übernahm es Dr. Adrian Winter, eine erste Untersuchung vorzunehmen.

      Christina, die sich immer noch ziemlich elend fühlte, ließ es zu, daß er ihren Körper abtastete. Als er den Oberbauch etwas fester berührte, zuckte sie zusammen.

      Adrian Winter sah sie an. »Tat das weh?«

      »Ja, ziemlich.«

      »Entschuldigung, aber ich muß das noch mal kontrollieren.«

      Wieder untersuchte er sie sehr behutsam, konzentrierte sich jetzt auf den Oberbauch – und wieder zuckte die junge Frau zusammen.

      Adrian war leicht verwirrt. Was hatte das zu bedeuten? Nichts deutete auf irgendeine Entzündung hin, ihm fiel nur auf, daß Christinas Haut ein wenig schlaff wirkte. Aber das hatte nun wirklich nichts zu besagen. Seit Tagen kam sie nicht richtig zur Ruhe, war immer in der Klinik – hoffend, daß ihr Vater sich endlich bereit erklärte, sie zu empfangen.

      »Ich kann im Moment nichts Gravierendes feststellen«, sagte er. »Aber seien Sie vorsichtig. Diese Druckempfindlichkeit ist nicht normal, und auch der Schwindel beweist, daß Sie nicht hundertprozentig auf dem Damm sind.«

      »Ich fühle mich eigentlich nicht schlecht«, mußte die junge Frau einräumen. »Nur manchmal, da überkommt es mich richtig.«

      Adrian half ihr, sich aufzurichten. »Haben Sie irgend etwas gegessen oder eingenommen, das Sie normalerweise nicht zu sich nehmen?« fragte er.

      Christina überlegte, dann schüttelte sie den Kopf. »Nein, mir fällt nichts ein.«

      »Dann rate ich Ihnen, heimzufahren und sich auszuruhen. Wenn aber wieder etwas sein sollte – scheuen Sie sich nicht, uns sofort anzurufen, ja?«

      Sie lächelte ihm dankbar zu. »Das mach’ ich bestimmt.«

      Ein kleiner Abglanz dieses Lächelns war noch auf ihren Lippen, als sie zu Markus zurückkehrte. »Falscher Alarm«, sagte sie, und hakte sich bei ihm unter. »Dein Freund hat nichts finden können. Ich bin vollkommen in Ordnung.«

      »Das ist noch nicht bewiesen«, sagte Adrian Winter rasch. »Ich habe nur jetzt, auf die schnelle, nichts