Nina Kayser-Darius

Kurfürstenklinik Paket 1 – Arztroman


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Sie spürte seine Hände, hörte seine Stimme, und sie glaubte jetzt auch daran, daß alles wieder in Ordnung kommen würde. Wenn nur Markus bei ihr war…

      Sie registrierte, daß noch ein weiterer Arzt dazukam, er sprach mit Markus und…

      Wieder verlor sie kurz die Besinnung.

      Die Ärzte standen vor einem Rätsel. Was war mit Christina? Ihre Werte waren gar nicht schlecht, Puls und Blutdruck zufriedenstellend. Und doch war sie krank. Sie konnte nicht sprechen, und im ersten Moment hatte Markus befürchtet, Christina hätte einen Schlaganfall erlitten. Aber das konnte rasch ausgeschlossen werden.

      Stunde um Stunde verging. Christina fühlte sich zwischenzeitlich besser, und sie konnte sogar ein wenig lächeln, als Markus sie an ihrem Bett besuchte.

      »Du wirst uns für eine Zeitlang Gesellschaft leisten müssen«, sagte er und streichelte zärtlich ihr blasses Gesicht. »Irgend etwas stimmt nicht in deinem Innenleben. Adrian Winter und ich sind entschlossen herauszufinden, was das ist.«

      »Ich… ich kann nicht richtig reden. Manchmal!« flüsterte sie, und der Arzt erkannte, daß es das war, was sie ganz besonders ängstigte.

      »Ich weiß. Aber das wird wird wieder vergehen. Versuch dich zu erinnern. Was hast du in den letzten Tagen gegessen oder getrunken, was du normalerweise nicht zu dir nimmst?«

      Die schöne blonde Patientin dachte nach. »Wenig…« gestand sie dann. »Wenn ich Streß habe, esse ich nie viel. Und das ist gut so«, fügte sie mit einem kleinen Lächeln, das aber verunglückte, hinzu. »Ich muß immer auf meine Linie achten.«

      »Unsinn.« Er gab ihr einen liebevollen Kuß auf die Stirn. »Du bist einfach perfekt.«

      Christina wollte antworten, doch wieder versagte die Stimme ihr den Dienst. Panik glomm in ihren Augen auf, und wenn Markus nicht bei ihr gewesen wäre, hätte sie nicht gewußt, wie sie ihrer Verzweiflung Herr werden sollte.

      Die Ärzte standen vor einem Rätsel. Organisch schien Christina gesund zu sein.

      Dr. Adrian Winter blieb auch noch in der Klinik, als sein Dienst lange beendet war. Er wußte, daß Markus sehr viel für die Jugendfreundin empfand, wenn er auch noch nie darüber gesprochen hatte.

      »Warum fährst du nicht nach Hause?« wollte Markus Reinhardt wissen. Er sah müde aus, dunkle Schatten lagen unter seinen Augen, und die Angst um Christina war ihm deutlich anzumerken.

      Adrian legte ihm die Hand auf die Schulter. »Du glaubst doch nicht im Ernst, daß ich daheim eine einzige ruhige Minute hätte? Wir müssen irgend etwas tun… Christina braucht uns jetzt. Uns beide.« Er biß sich kurz auf die Lippen, dann fügte er hinzu: »Geh hoch zu ihr, ich mache deinen Dienst zu Ende. Und wenn’s geht, lese ich in irgendwelchen schlauen Büchern nach, was ihr fehlen könnte.«

      Markus nickte dankbar. »Ich war noch nie so hilflos«, gestand er leise.

      Adrian Winter nickte. »Wir haben irgend etwas übersehen«, sagte er mehr zu sich selbst. »Wenn sie wieder wach und ansprechbar ist, müssen wir uns noch mal mit ihr unterhalten. Eventuell auch mit ihrer Tante.

      »Das tue ich gleich«, sagte Markus.

      »In Ordnung. Dann übernehme ich erst mal die Visite.«

      »Danke, Adrian.«

      »Dafür nicht.« Er klopfte dem Freund noch mal aufmunternd auf die Schulter, dann ging er hinüber zum Lift.

      »Halt, ich komme mit!« Oberschwester Walli betrat im letzten Moment die Kabine. »Was ist denn mit dir los?« Forschend sah sie Adrian Winter an. »Sauer wegen irgendwas?«

      Er schüttelte den Kopf. »Nein, ich mach’ mir Sorgen um Christina Bergmann. Sie ist vor einigen Stunden eingeliefert worden, aber wir wissen einfach nicht, was ihr fehlt.«

      Walli zuckte die Schultern. »Sie ist zu dünn«, kommentierte sie. »Bestimmt hat sie eine Diät nach der anderen gemacht. Das rächt sich irgendwann, ich sag’s dir. Darum bin ich ja so pummelig – ich hab’ panische Angst vor Diäten.«

      »Scherzbold.« Er mußte jetzt doch lächeln. Alle kannten Walli und Gewichtsprobleme. Sie war jedoch nicht dick, sondern nur ein wenig mollig. Aber es stand ihr, das versicherten ihr alle – in erster Linie natürlich ihr Freund.

      Dennoch träumte die Oberschwester der Kurfürsten-Klinik oft davon, eine Mannequinfigur zu haben. Doch ihre Gene – und auch die mangelnde Eßdisziplin waren dagegen.

      »Wo ist Dr. Reinhardt?« fragte Walli ablenkend.

      »Bei Christina.«

      Walli nickte. »Und wer macht denn die Visite auf der Chirurgie und der Intensivstation?«

      »Ich. Kommst du mit?«

      Die Oberschwester seufzte. »Was bleibt mir anderes übrig? Allein kommst du ja doch nicht klar.« Sie zwinkete ihm zu. »Und da hatte ich gedacht, mit Dr. Reinhardt hätten wir auf lange Sicht Verstärkung ins Team bekommen. Aber wie’s aussieht, behält unser Verwaltungschef recht. Er meint ja sowieso, daß wir ausreichend besetzt sind.«

      Thomas Laufenberg war noch neu an der Klinik, und Adrian hatte schon einige hitzige Diskussionen mit ihm geführt. Immer wieder hörten die Ärzte, daß der Kliniketat begrenzt sei, daß für neue Mitarbeiter kein Geld da sei. Und jetzt arbeitete Markus hier. Noch…

      »Wenn ich mir vorstelle, daß wir bald wieder ohne diesen guten Chirurgen auskommen müssen, überkommt mich das kalte Grausen«, fuhr Walli gedankenverloren fort.

      Dr. Winter schüttelte den Kopf. »Sag mal, wie kommst du eigentlich dazu, so zu unken? Weißt du was, was ich nicht weiß?«

      Die dunkelhaarige Oberschwester zögerte einen Moment, dann schüttelte sie den Kopf. »Nein, wissen tu ich gar nichts. Aber ich kann mir sehr gut vorstellen, daß Dr. Reinhardt mit nach Paris geht – wenn Christina Bergmann wieder gesund ist.«

      »Ja, aber…«

      »Kein Aber. Die beiden sind füreinander bestimmt. Und ich bin mir ganz sicher, daß sie sich nie mehr aus den Augen verlieren wollen, wo sie sich endlich wiedergefunden haben.«

      »Erst einmal muß Christina gesund werden. Alles andere kommt später.« Adrian Winter unterdrückte einen Seufzer und zwang sich, an das Naheliegende zu denken.

      Und nun stand erst mal die Visite auf dem Programm.

      Er ging von Zimmer zu Zimmer, kontrollierte den Verband von Frau Meurer, spendete dem alten Herrn Hausner, der völlig allein lebte und nie Besuch bekam, Trost, munterte den jungen Motorradfahrer auf, der einen doppelten Bein- und einen dreifachen Armbruch erlitten hatte – und kam schließlich zu Veronika Rübsam.

      Die junge Frau hatte vor vier Tagen einen schweren Reitunfall gehabt und sich einige Wirbel verrenkt. Sie lag steif und still in einer Gipsschale und hatte nur eine Sorge: Würde sie bleibende Schäden davontragen?

      Als der Arzt jetzt in Schwester Wallis Begleitung das Zimmer betrat, versuchte Veronika mühsam den Kopf in Richtung Tür zu wenden.

      »Hallo, schöne Reiterin«, begrüßte Adrian Winter sie und lächelte aufmunternd. »Wie fühlen Sie sich?«

      »Na, wie schon? Wie durch die Luft geflogen und unsanft gelandet«, gab die knapp Dreißigjährige lakonisch zurück. »Was ist mit mir? Können Sie endlich was sagen?«

      Dr. Winter nickte. Er trat ans Bett und kontrollierte, ob die Gipsschale auch noch richtig angepaßt saß.

      »Wir haben ja, wie Sie wissen, eine Computertomographie gemacht. Und die besagt, daß alles wieder in Ordnung ist – wenn Sie jetzt vernünftig sind und weiterhin still liegenbleiben.«

      Veronika strahlte. »Aber ja! Keinen Millimeter werde ich mich voranbewegen!«

      Der Arzt lächelte. »Das will ich auch hoffen. Sie haben ungeheures Glück gehabt. Ein paar Millimeter, und…«

      »Sprechen Sie’s um Himmels willen nicht aus«,