a., ja später auch die Christen des Atheismus beschuldigt wurden. Allgemeiner versteht man unter Atheismus die Leugnung des Daseins Gottes, und es gibt einen theoretischen und praktischen Atheismus. Jener leugnet Gottes Dasein aus Prinzip, dieser aus Gleichgültigkeit. Die Wissenschaft hat es nur mit jenem zu tun, der die einseitige Anerkennung der greif- und sichtbaren Realität ist. Der Atheismus erwächst in der neueren Philosophie aus dem Pantheismus, wenn er Gott ganz im All aufgehn läßt (Ed. v. Hartmann), aus dem Sensualismus (Hume, Condillac, Bonnet), der als einzige Erkenntnisquelle die Sinnestätigkeit ansieht und in jedem psychischen Vorgang nichts als eine umgebildete Sinnesempfindung sucht, aus dem Skeptizismus (Hume), der jeden Glauben negiert, aus dem Positivismus (Comte), der alles metaphysische Wissen ablehnt, aus dem Naturalismus, der nur bei den Zeugnissen der Sinne und der äußeren Erfahrung stehn bleibt und außer der Kausalität und Natur nichts anerkennt, aus dem Materialismus (Mechanismus und Dynamismus), der dem Körper die Existenz zuspricht und dem Allgemeinen, der Idee, dem Geiste die Existenz abspricht (Franz. Philos. des 18. Jahrh.), und aus der materialistischen Ethik (Hedonismus, Eudämonismus, Utilitarismus), die das Streben der Menschheit nur durch ihre natürlichen Bedürfnisse, Triebe und Anlagen bestimmt sein läßt. Aber alle diese methodischen, erkenntnistheoretischen, metaphysischen und ethischen Richtungen der neueren Philosophie erfassen die Welt und das Dasein nur unvollständig. Die Welt der Sinneserfahrung ist nicht mehr als die halbe wirkliche Welt, und die eigenen Methoden und Schlußfolgerungen der Erfahrungswissenschaften drängen über das Sinnenbild der Natur hinaus. Die materielle Welt, für sich genommen, ist nichts anderes als die beharrliche Möglichkeit der menschlichen Empfindung, und die Zergliederung der Außenwelt führt überall zu unlösbaren Schwierigkeiten, die uns die Grenzen äußerer Erfahrung zum Bewußtsein bringen. Das Weltbild ist, solange wir bei den bloßen Naturobjekten und Naturvorgängen stehn bleiben, stets lückenhaft und unbefriedigend und fordert zu Ergänzung aus anderer Quelle heraus, ohne die unser metaphysischer Trieb nicht zur Ruhe kommt. Es gilt hier das Wort Bacons: Leves gustus in philosophia movere fortasse ad atheismum, sed pleniores haustus ad religionem reducere, das Reinhold Hoppe (Die Elementarfragen der Philosophie S. 83) so wendet: »Die Gottesleugnung beruht auf der Verschweigung von Tatsachen. Die Erfahrung der Existenz Gottes wächst mit jeder neuen Erkenntnis«. – Von den neueren Systemen sind entschieden atheistisch das Schopenhauers, E. v. Hartmanns und Fr. Nietzsches. Hier ist der treibende Gedanke der Pessimismus gewesen, der der Welt die Vollkommenheit abspricht und ihren Untergang fordert. Sie beruhen auf falschen Ansprüchen des Individuums und auf falscher Bilanz der Freuden und Leiden des Daseins, und auch ihnen gegenüber gilt der Satz: Der Gottesbegriff ist der Schlußstein der ganzen Philosophie, und Atheismus ist nur ein Resultat kurzsichtiger Einseitigkeit. Mit dem Atheismus hängen zusammen die Versuche, einen religiösen Kultus »ohne Gott« herzustellen, wie sie die Epikureer, Holbach, die französ. Revolution (Être Supreme), Dav. Strauß, Aug. Comte u. a. gemacht haben. Vgl. Hume, Dial. concern. Natural Religion. 1779. Schleiermacher, Reden üb. d. Relig. 1799. Ulrici, Gott u. d. Natur. 1875. F. A. Lange, Gesch. d. Materialismus 4. Aufl. 1881. A. J. Balfour, Die Grundlagen des Glaubens, deutsche Übersetzung von R. König. 1896. Reinhold Hoppe, Die Elementarfragen d. Philosophie. 1897.
Atheoresie (gr. atheôrêsia) heißt Unkenntnis, Unkunde.
Athesie (gr. athesia) heißt Unbeständigkeit, Bundbrüchigkeit.
Athesmie (gr. athesmia) heißt Gesetzlosigkeit, Zügellosigkeit.
Atom (gr. hê atomos = der unteilbare Stoffteil), das Unteilbare, heißt ursprünglich der kleinste Teil der Materie, welcher als das eigentlich Reale der Welt angesehen wurde. Leukippos und Demokritos (im 5. Jahrh. v. Chr.), die Begründer der atomistischen Lehre, definierten die Atome als kleinste, starre, unteilbare und undurchdringliche Körperchen (corpuscula), welche, ungeworden und unzerstörbar, sich in unendlicher Anzahl im leeren Raume befinden und sich nicht qualitativ, sondern nur quantitativ durch Gestalt, Lage und Anordnung voneinander unterscheiden. Zwischen den Atomen ist der leere Raum. Dieser ist die Voraussetzung für die Mehrheit der Atome und für ihre Bewegung, folglich für alle Veränderung. Den Atomen wohnt eine Bewegung seit Ewigkeit inne, die gleichmäßig schnell von oben nach unten geht. Die gewöhnlichen Dinge sind nur Anhäufungen von Atomen. Epikuros (341-270) hingegen, der die Lehre Demokrits erneuerte, wollte ihnen eine kleine Abweichung von der senkrechten Bewegung beilegen, um so die Verschiedenheit der Dinge und die Willensfreiheit zu erklären. Auch die Seele besteht bei ihm aus materiellen Teilchen, wenn auch aus sehr feinen, glatten, runden und daher beweglichen. Unsere Wahrnehmungen beruhen auf unendlich feinen stofflichen Abbildern der Dinge, die sich von ihnen ablösen und durch die Sinne in die Seele eindringen. Die Lehre Epikurs hat von den Römern nachdrücklich T. Lucretius Carus (98-55) in seinem Gedichte, De rerum natura, vertreten. – Diese physische Atomistik ward in der Neuzeit von Gassendi (1592-1655), Hobbes (1588 bis 1679), Diderot (1713-1784), Holbach (1723-1789) und jüngst von Vogt, Büchner und Moleschott verteidigt. – Die moderne Physik und Chemie bedient sich ganz allgemein des Hilfsbegriffs der Atome. Da aber die Teilung eines Körpers in kleinere Teile geometrisch ins Unendliche fortgesetzt werden kann, können die Atome nicht als wirkliche Grundbestandteile der realen Welt angesehen werden, sondern nur als Hilfsbegriffe der Forschung, als Denkmittel. Daher haben auch andere Philosophen die Atome verworfen und statt ihrer entweder geistige Einheiten oder kleinste Substanzteilchen oder Kraftzentren angenommen. So Giordano Bruno (1548 bis 1600), Leibniz (1646-1716), Herbart (1776-1841) und Lotze (1817-1881). – Nach neuerer naturwissenschaftlicher Anschauung sind die Atome Ansammlungen zahlreicher positiv und negativ geladener Teilchen, die Korpuskeln oder Monaden genannt werden, von der Größe 0,2 mm [1 mm d. h. Millimikron = 1/1000000 Millimeter]. Vielleicht besteht (nach Thomson) die Verschiedenheit der Atome nur in der verschiedenen Anzahl der Korpuskeln (s. d.), wodurch sich das verschiedene Gewicht der Atome erklären würde. Zusammengehalten werden die Atome kraft der elektrischen Attraktion der Korpuskeln. Letztere befinden sich in Wirbelbewegung, wodurch die zentrifugale Kraft entsteht, welche das Zusammenstoßen dieser elektrischen Monaden verhindert. Wahrscheinlich besteht die Elektrizität nur in der Wirbelbewegung der Korpuskeln. Vgl. Fechner, die physikal. und philos. Atomenlehre. 2. Aufl. Leipzig 1864. Vgl. Dynamismus, Monadologie, Homoeomerien, Molekül, Korpuskeln.
Atonie (gr. atonia) heißt die Abspannung, der Mangel an Spannkraft und Elastizität der tierischen Gewebe.
Atopie (gr. atopia) heißt Ungehörigkeit, Unschicklichkeit.
Atremie (gr. atremia), heißt der nervöse Zustand, bei welchem die Kranken jahrelang das Bett nicht verlassen und nicht zu gehn vermögen, obgleich ihre Bewegungsfähigkeit sonst normal ist.
Attraktion (lat. attractio) heißt Anziehung (vgl. d. W.).
Attribut (lat. von attribuo = beilegen) heißt eigentlich das Beigelegte, dann das Merkmal, die Eigenschaft, das Kennzeichen eines Dinges. Descartes (1596-1650) versteht unter Attributen die wesentlichen nicht wechselnden Merkmale der Substanz. Bei Spinoza (1632-1677) hat das Attribut den besonderen Sinn, daß darunter die denknotwendigen Prädikate der Substanz verstanden sind, welche der Verstand an der Substanz als deren Wesen ausmachend erfaßt. Die Substanz hat unendlich viele Attribute, aber unser Verstand kann nur zwei davon fassen, nämlich Denken und Ausdehnung; denn alles, was er begreift, ist entweder etwas Denkendes oder Ausgedehntes. Vgl. Modus. Diese Begriffsbestimmung Spinozas ist unklar und nicht widerspruchsfrei. Sie läßt zweifelhaft, ob die Attribute der Substanz nur vom Verstande der Substanz beigelegt werden und nur im Betrachter existierende Erkenntnisformen sind, oder ob sie als reale Eigenschaften der Substanz betrachtet werden müssen, aus denen diese besteht. Die letztere von K. Fischer vertretene Ansicht kommt der Auffassung Spinozas jedenfalls näher als die erstere, welche Erdmann verteidigt hat. – In den bildenden Künsten sind Attribute dem Hauptgegenstande der Darstellung beigegebene Zeichen bestimmter Eigenschaften oder Zustände, also Symbole, wie etwa der Blitz des Zeus, die Schlüssel des Petrus,