Roland Lazenby

Kobe Bryant


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kämpft oder man läuft davon und ich war schon immer ein Kämpfer.“

      Jahre später meinte einer seiner Trainer bei Los Angeles, dass seine Zeit in Italien ihn gelehrt hatte, sich nicht auf seine unerfahreneren und weniger begabten Mitspieler zu verlassen, sondern nur auf seine eigenen Stärken. Als er bei den Lakers begann eigensinnig zu spielen, meinten einige seiner Coaches hinter vorgehaltener Hand, dass Bryant „wieder zurück in Italien wäre“.

      „Er war wirklich egoistisch“, erinnert sich Jacomo Vittori und fügt hinzu, dass dieser Egoismus daher rührte, dass Kobe spielerisch einfach um so viel besser war als die anderen. „Das konnten alle sehen. Er war der einzige Farbige am Feld. Natürlich fiel es jedem auf. Er hatte richtig Talent.“

      Das war auch die Zeit, in der sich gewisse Persönlichkeitsmerkmale, die er mit seiner Mutter teilte, erstmals bemerkbar machten. Er war ihr Nesthäkchen und sie liebte es, ihren Kobe herauszuputzen wie einen kleinen Gentleman, dass er fast wie ein Miniaturerwachsener aussah.

      Pam Bryant hatte eine gewisse Umgangsform und selbst als kleiner Junge sah man starke Ähnlichkeiten in Kobes Verhalten. Italien und eine größtenteils europäische Kinderstube würden ihn immer leicht befremdlich erscheinen lassen, vor allem im amerikanischen Profibasketball.

      Als man ihn am Beginn seiner NBA-Karriere einmal fragte, wie ihn die Zeit in Italien geprägt hätte, antwortete Bryant: „Ich springe hoch. Alles andere an mir ist italienisch.“

      Das Leben in Italien tat den Bryants gut. Joes Tricks und Pässe, die in Philadelphia immer so bejubelt worden waren, kamen in Italien gut an. Gleich nach dem ersten Spiel begriff Joe, dass er hier seinen Lebensunterhalt bestreiten konnte und wieder die Zuneigung der Fans, die ihm so fehlte, bekam. Die Italiener waren ganz begeistert von seinem Können am Ball und beschrieben Joes Spielweise immer mit dem gleichen Wort – „Schönheit“.

      Italien war wirklich ein ganz spezieller Ort für Joe Bryants junge Familie und brachte sie einander wieder näher. Gleichzeitig wurde hier aber auch die Basis für Dinge gelegt, von denen die Familie noch nichts wissen konnte, Dinge, die inmitten des Glücks, das sie in Italien gefunden hatten, schwer zu verstehen gewesen wären, Dinge, die eine gewisse Kälte in ihr Leben bringen würden, Dinge, die der junge Kobe übernehmen und sich zu eigen machen würde.

      So wie in den Vereinigten Staaten mussten die Bryants auch in Italien mehrmals umziehen, was eine gewisse Entfremdung förderte, ein Thema, das sich durch Kobes gesamtes Leben ziehen sollte. Als Kind hatte er es schwer, Freunde zu finden. Kaum hatte er endlich welche, war es auch schon wieder Zeit ‚Ciao!‘ zu sagen. Ihr erstes Heim in Italien hatten die Bryants in Rieti, wo Kobe kurz nach seinem sechsten Geburtstag auch mit der Schule begann. Sharia war damals gerade acht, Shaya sieben.

      Rieti war eine kleine Gemeinde etwas nordöstlich von Rom gelegen und bekannt für den Stamm der Sabiner, deren Frauen der Legende nach von den Römern geraubt worden waren. Der malerische Ort liegt am Fluss Velino sowie an einem idyllischen See und grenzt im Süden an die Sabiner Berge. Mehrere Päpste hatten ihren Wohnsitz in diese Region verlegt.

      Die Bryants lebten sich schnell ein. Der Verein stellte ihnen ein Haus und einen Wagen zur Verfügung. Zwar konnten sie kein Italienisch, doch die Kinder verbrachten ihre Nachmittage damit, sich gegenseitig mittels Wortspielen die Sprache beizubringen. Innerhalb von wenigen Monaten führten sie bereits ein angenehmes Leben in einer Welt, die so anders war als die, die sie zurückgelassen hatten. Für die Bryants war es aber auch eine wichtige Erfahrung in puncto zwischenmenschlicher Beziehungen.

      „Wir hatten es sehr gemütlich dort“, sagte Kobe einmal. „Wir haben uns gleich eingelebt. Das Rückgrat ist die Familie. Wenn das einmal passt, ist alles andere auch gut. Das ist die Einstellung, die wir in Italien entwickelt haben. Egal, ob du 50 Punkte machst oder null, deine Familie steht hinter dir. Die Italiener machen das genauso. Es sind sehr warmherzige Menschen.“

      Und so wurde Kobes Familie zum Fundament des Selbstvertrauens, das ihm sein Vater immer wieder versuchte mit auf den Weg zu geben. Joe Bryant erzählte später einmal, dass er es immer bereut hätte, zu wenig Vertrauen in sich selbst gehabt zu haben und nannte dies auch als einen der Gründe für sein Versagen. Für ihn war es wichtig, dass sein Sohn nicht die gleiche Schwäche haben würde. Ein weiterer Faktor für Kobes Selbstvertrauen war, dass er schon in frühester Kindheit dem Sport ausgesetzt war, was auch Fahrten zu den Spielen im Teambus mit seinem Vater einschloss. Jedes Profiteam hatte sein eigenes Jugendteam. Für das Jugendteam zu spielen und seinen Vater beim Training zu beobachten, half Kobe sein Spielverständnis zu entwickeln.

      Im Nachhinein betrachtet war seine Zeit in Italien die wohl beste Basketballschule, die man sich vorstellen konnte. „Ich begann drüben auch Baseball zu spielen“, sagte er in einem Interview. „Das war großartig, da ich zum ersten Mal die grundlegenden Dinge von Anfang an lernte. Ich glaube, die Kids, die hier in den Staaten aufwachsen, lernen zuerst einmal diese ganzen Tricks, die so toll aussehen. In Italien bringen sie dir die Grundlagen bei und lassen diesen ganzen anderen Nonsens weg.“ Auch das zeigt, dass er über ein geschärftes Bewusstsein für den „Nonsens“ verfügte, der die Karriere seines Vaters ruiniert hatte.

      Einige Coaches würden dem später einmal widersprechen und sagen, dass er sich gerade dadurch seine eigene Welt schuf, die ihn zu einem unbeliebten Mitspieler machen sollte. Doch auch seine Kritiker mussten zugeben, dass ihm diese Zeit auch in spielerischer Hinsicht half sich zu verbessern. „Ich denke, dass in Italien der Grundstein zu seiner Spielweise gelegt wurde“, meint Leon Douglas, Joes Teamkollege aus der italienischen Liga. „Dort konnte er alles ausprobieren und jeden einzelnen Aspekt des Spiels erlernen.“

      Etwas anderes, das Bryant aus Italien mitgenommen hatte, war, dass er mit unglaublichem Willen und beinahe manischer Akribie daranging, sein Repertoire zu erweitern, wenn er meinte, dass ihm gewisse spielerische Skills fehlten. Eigentlich hörte er nie auf an sich zu arbeiten, wenn es um Basketball ging, das war schon als Kind so. Wenn er nicht gerade selbst spielte, sah er sich Videos von NBA-Stars an, erinnert sich Vittorio, der viele Stunden mit Kobe in seiner Kindheit verbrachte. „Kobe wollte immer nur Basketball spielen. Immer.“

      Während der nächsten Jahre zeigte sich, dass er verstanden hatte, wie wichtig es war, immer fokussiert zu bleiben und er hatte bereits das entwickelt, was er später als „den Code“ bezeichnen würde. Kobe wusste schon früh, dass er Basketballprofi werden wollte, was wiederum bedeutete, dass er dieses Ziel nie aus den Augen verlieren durfte. Italien erwies sich dabei als ein wesentlicher Bestandteil, der ihn zu dem Spieler machen sollte, der er sein wollte. Neben den netten Menschen und der entspannten Atmosphäre spürte man auch viel Leidenschaft, egal wo man hinblickte. Von den zahllosen Renaissance Kathedralen und Kirchen bis hin zu den Basketballstadien vollgepackt mit singenden und tanzenden Fans. Sowohl diese Erfahrung als auch Joes Hartnäckigkeit waren es, die Kobes unverwüstlichen Glauben an sich selbst befeuerten.

      Je größer sein Selbstvertrauen wurde, desto weniger beachtete er seine Mitspieler. Einige seiner damaligen Teamkameraden erinnerten sich über die Jahre immer wieder daran, wie geringschätzig sie sich von ihm behandelt fühlten. Sie beschwerten sich so lange, bis die italienischen Trainer begannen Bryant auf die Bank zu setzen, um den anderen Spielern auch Gelegenheit zu geben sich zu profilieren. „Ich war oft in Schwierigkeiten damals, andauernd den Mund offen und dumm gequatscht, was die älteren Burschen noch mehr verärgerte“, erinnert er sich.

      Während dieser ersten Jahre in Italien, erkannten die Bryants bereits die Zukunft ihres Sohnes und begannen ihn auf seinem Weg zu unterstützten. „Sie haben dort Minikörbe für die Siebenjährigen“, erzählte Joe damals. „In einem Spiel erzielte Kobes Team 22 Punkte, von denen er selbst 16 warf. Danach holten sie ihn in die Altersgruppe der Zehnjährigen hinauf und auch dort war er besser als die anderen. Er hat einen gelben Gürtel in Karate und Baseball trainiert er auch.“

      Zeit mit der Familie

      Als Fremde in einem fremden Land lernten die Kinder der Bryants und ihre Eltern, was es hieß, aufeinander angewiesen zu sein. „Wir mussten uns einer anderen Kultur anpassen“, erinnert sich Kobe. „Meine Familie und ich mussten uns zusammenraufen. Es war als