Victoria Arlen

Aufgetaucht


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zu sein. Wenn meine Eltern zu Besuch kommen, versucht sie, ihnen einzureden, ich würde nur eine „Show abziehen“, und behauptet, dass ich „bestens klarkomme“, wenn sie nicht da sind.

      Mein Körper schaltet sich immer mehr ab und versagt langsam seine Dienste. Ich habe kaum noch die Energie, die Augen offen zu halten. Ich bin nicht sicher, wie viel ich noch verkraften kann, aber ich versuche weiterzukämpfen. F und einige andere Schwestern und Pfleger versuchen unermüdlich, mich dazu zu bringen, „mit diesen Spielchen aufzuhören“. Die Methoden, derer sie sich dazu bedienen, sind unmenschlich. Das, was sie mit mir machen, würde ich nicht einmal meinem schlimmsten Feind wünschen.

      Das war’s dann wohl.

      Gib den Kampf auf.

      Lass es einfach aufhören.

      Wie viel halte ich noch aus?

      Meine Gedanken überschlagen sich.

      Ich weiß nicht, wie viel ich noch verkrafte, aber etwas in mir versucht es weiter.

      Versuche zu kämpfen!

      Hol dir deine Würde zurück!

      Ich, ich, ich kann nicht.

      Ich will nicht mehr kämpfen.

      Ich möchte unbedingt leben, aber der Wunsch, das alles hinter mir zu lassen, ist stärker.

      In vielerlei Hinsicht fühlt es sich an, als wäre ich zwischen zwei Welten gefangen. Und wenn ich einfach aufhöre, es zu versuchen? Vielleicht ist das der Ausweg, und ich kann den Kampf aufgeben und sterben. Endlich frei sein.

      Ich kann mich nicht erinnern, wann ich mich das letzte Mal frei gefühlt habe. Ich habe grausame Schmerzen und fühle mich so elend, dass der Tod einladend wirkt. Schmerzen und Leiden bestimmen nun vollständig meine Identität und meine Existenz. Ich bete nur noch, dass Gott mir gnädig ist und alles wegnimmt.

      Eines Nachts auf dieser Station werde ich brutal mit der Möglichkeit konfrontiert, dass ich sterben könnte. Obwohl schon lange alles furchtbar ist, ist in dieser Nacht etwas anders, ganz anders. Mein Herz rast, und die Schmerzen erreichen einen neuen Höhepunkt. Ich kann kaum atmen und mein Körper fängt an, sich zu verkrampfen. Ich sterbe. Mein Körper hat sich wie ein Embryo zusammengerollt und kann nicht mehr. Er gibt auf.

      So fühlt sich also Sterben an.

      Ich bin in meinem Zimmer allein. Die Tür wurde abgesperrt. Ich versuche, um Hilfe zu schreien, aber ich kann kaum atmen. Ich schaue aus dem Fenster zum Himmel hinauf und habe das beängstigende Gefühl, dass dies das Ende ist. Mein Körper hat gekämpft, so gut er konnte, aber jetzt ist es Zeit, loszulassen. Die Schmerzen werden immer stärker und mein Atem wird immer schwächer. Mein Körper verkrampft sich und zittert von Kopf bis Fuß. Er fühlt sich an, als würde er explodieren. In meinem Kopf dreht sich alles. Ich kann nicht einmal weinen. Der einzige Trost sind die Wolldecken, die ich schon als Baby hatte. Meine Mutter hat sie mir dagelassen. Das weiche, vertraute Material gibt mir ein bisschen Halt. Für einen kurzen Moment schließe ich die Augen und fühle mich, als wäre ich zu Hause.

      Ich will nach Hause.

      Bitte lasst mich nach Hause.

      Ich will nach Hause.

      Die Realität reißt mich schnell wieder aus diesem angenehmen Gefühl, als ich zur Tür schaue und meinen Blick durch mein leeres Zimmer mit den weißen Betonwänden und den schmutzigen Deckenfliesen wandern lasse. Mir wird bewusst, was das Schlimmste an meiner Situation ist: Ich werde nicht nur an diesem kalten, schrecklichen Ort sterben. Ich bin auch noch allein. Ganz allein. Niemand ist da, der mich tröstet oder in den Armen hält. Ich werde mich nie von meiner Familie oder meinen Freunden oder meinem Leben verabschieden können. Ich werde nie wieder schwimmen können, nie wieder tanzen, nie wieder Hockey spielen, nie wieder zur Schule gehen, nie Auto fahren oder einen Freund haben. Ich werde nie wieder leben, die Welt sehen und lachen können. Mein Grübchen bleibt für immer eine ferne Erinnerung auf Fotos und Familienvideos. Meine großen, braunen Augen bleiben für immer geschlossen. Ich kann mich ehrlich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal gelacht oder auch nur gelächelt habe. Den Ärzten bin ich egal. Wahrscheinlich sind sie einfach froh, wenn das Zimmer wieder frei wird. Sie halten mich sowieso für verrückt.

      Das ist das, was sie wollten.

      Sie haben mich gebrochen.

      Niemand wird je erfahren, was hier wirklich passiert ist.

      Niemand wird je wissen, welche furchtbaren Dinge die Ärzte und das Pflegepersonal mir angetan haben.

      Die grausamen Dinge, die sie gesagt und getan haben.

      Und niemand wird erfahren, wie schwer ich gekämpft habe und wie viel ich ertragen habe.

      Ich werde zum Schweigen gebracht.

      Für immer.

      Und sie werden weiterhin Kinder wie mich misshandeln.

      An diesem Punkt geht es mir unbeschreiblich schlecht. Ich habe die schlimmsten Schmerzen, die man sich vorstellen kann. Ich will nur noch, dass es vorbei ist. Selbst wenn das bedeutet, dass ich sterbe. Ich kann nicht einmal weinen, selbst wenn ich es noch so sehr versuche. Es ist buchstäblich nichts mehr übrig. Mit meinem Körper ist es vorbei. Mit mir ist es vorbei.

      Ich weiß, dass ich ganz kurz davorstehe, frei zu sein und keine Schmerzen mehr zu haben. Ich bin nur noch einen kleinen Schritt davon entfert, diese leidvolle Welt zu verlassen. Ich begrüße den Tod wie einen alten Freund. Einen Freund, den ich nie kannte und den ich bis zu diesem Moment auch nie kennenlernen wollte. Ich sehne mich nach Freiheit und einem schmerzfreien Moment. Nur einen einzigen Moment, an dem ich lächeln und atmen kann, ohne das Gefühl zu haben, von einem Dolch durchbohrt zu werden. An diesem Punkt erscheint mir der Tod als einziger Ausweg. Die Welt um mich herum ist grausam und der Gedanke, noch länger zu bleiben und zu leiden, ist unerträglich. Ich kann nicht mehr. Ich wollte nie sterben oder aufgeben, und ich habe furchtbare Angst – nicht unbedingt vor dem Tod selbst, sondern davor, alles zurücklassen zu müssen und keine Chance mehr zu bekommen, zu leben und meine Träume zu verwirklichen. Aber mir graut noch mehr davor, auch nur einen Tag länger in dieser Hölle zu vegetieren. Wenn ich die Kraft und die Möglichkeit dazu hätte, würde ich mir jetzt wahrscheinlich selbst das Leben nehmen.

      Ich hatte seit meiner Kindheit so große Träume: eine Goldmedaille gewinnen, Schauspielerin oder Fernsehmoderatorin werden, einmal bei Dancing with the Stars auftreten und die Welt zu verändern. Das waren neben vielen anderen Dingen meine Träume, die ich eines Tages verwirklichen wollte. Leider würde dieser Tag nie kommen. Diese Träume wurden mir von diesen Schwestern und Ärzten geraubt. Sie sind fest entschlossen, mich zu brechen. Und sie haben gewonnen.

      Es tut mir leid, dass ich nicht stärker war.

      Es tut mir so leid.

      Während ich im Sterben liege, muss ich unweigerlich daran denken, wie meine Geschichte endet und wie resigniert ich mich fühle. Ich bin ein Opfer. Ein schlimmeres Gefühl kann es nicht geben. Ich habe den größten Kampf meines Lebens verloren. Im buchstäblichen Sinn.

      So habe ich mir das Ende meiner Geschichte nicht vorgestellt.

      Sterben ist furchtbar, aber wegen der Fehler von anderen zu sterben, ist noch viel entsetzlicher. Auch mit elf Jahren weiß ich, dass meine Geschichte eigentlich nicht so enden sollte. Ich habe nicht einmal annähernd das Leben geführt, das ich mir erträumt habe. Aber ich weiß einfach, dass ich nicht länger kämpfen kann. Ich muss loslassen. Ich weiß, dass ich stark bin, aber jetzt ist der Moment gekommen, in dem ich alles Gott übergeben muss. Ich kann nicht anders und bete:

      Bitte Gott, bitte hilf mir.

      Sag meiner Familie, dass ich sie liebe.

      Sag ihnen, dass es mir leidtut.

      Ich wollte nie, dass es so endet.

      Bitte pass besonders auf meine Mama auf.

      Und lass meine Eltern wissen, dass es nicht ihre Schuld ist.

      Der Gedanke, meine Familie zu verlassen,