Will Berthold

Adams Letzte


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persönliche Zutat«, stellte Lulu fest.

      »Das ist es wohl«, erwiderte die Freundin.

      »Aber das soll kein Vorwurf sein, vielleicht ist es mit den Präsenten, die ich ihm mache, genauso. Vermutlich begehe ich den gleichen Fehler. Wir sind — wir waren — von jeher — eine ziemlich kühle Familie. Auf unseren Beziehungen lag immer so etwas wie Rauhreif.« Milena lächelte gezwungen. »Keine Auseinandersetzungen. Keine Probleme. So gut wie nie Streit. Natürlich auch keine Affären.«

      »Wie alt ist dein Vater jetzt?«

      »Er wird einundsechzig«, antwortete Milena. »Aber das siehst du ihm nicht an.«

      »Macht er sich jung?« fragte Lulu.

      »Nein. Er war eigentlich niemals richtig jung, und so wirkt er jetzt auch nicht wirklich alt.«

      »Keine modischen Anzüge, keine bunten Krawatten?«

      »Wie kommst du darauf?« fragte die Hausherrin verständnislos.

      »Nun ja, Martin Laimer ist jetzt ins gefährliche Alter gekommen —«

      »Da kennst du ihn aber schlecht. Er hat sich nicht einmal eine Midlife-Crisis geleistet.«

      »Er macht sich nicht viel aus Frauen?« fragte die Frau des Romanciers direkt.

      »So würde ich es nicht formulieren«, erwiderte Milena nach kurzem Nachdenken. »Mein Vater ist vermutlich im Umgang mit Frauen ein ganz normaler Mann, nur —«

      »Nur —?« ermunterte Lulu die Freundin zum Weitersprechen.

      »— hat er keinen diesbezüglichen Umgang«, behauptete die Tochter. »Er stellt alles zurück, was ihn auch nur eine Stunde von seinen Firmengeschäften abhalten könnte, Du mußt das verstehen, Lulu. Er kam aus kleinen Verhältnissen und wollte ganz hoch nach oben. Das hat Martin Laimer geschafft, in verblüffend kurzer Zeit, mit seiner exemplarischen Tüchtigkeit. Er ist ein Besessener. Sein Konzern ist sein Lebenswerk, seine Familie, seine Frau, seine Geliebte, die Summe seiner Wünsche und Träume.«

      »Keine menschliche Schwäche?« hakte Lulu nach.

      »Schwäche nicht«, antwortete die Freundin. »Vielleicht eine Marotte. Er hat sich konstant geweigert, meiner Mutter, mir oder meiner Tochter Firmenanteile zu übertragen.«

      »Habt ihr das verlangt?«

      »Niemals. Aber der Syndikus und unsere Finanzberater haben es vorgeschlagen, um die Steuerlast durch Besitzverteilung zu verringern. Davon wollte Vater nichts wissen, er antwortete da mit so einem dummen Spruch: ›Sein Hemd behält man bis zuletzt an und liefert es erst am Grab ab‹. Wenn du von ihrem Schmuck — Geschenke meines Vaters — absiehst, ist meine Mutter eigentlich als unbemittelte Frau gestorben.«

      »Du hast von ihr die Juwelen geerbt?«

      »Allerdings; sie sind übrigens von beträchtlichem Wert.«

      Milena hatte nie über diese Dinge gesprochen, aber vielleicht machten sie zwei Glas Champagner heute gesprächiger. »Es war uns auch gleichgültig, denn mein Vater ist immer generös zu uns gewesen. Wir wissen, daß er nicht aus Geiz oder Mißtrauen so handelte, er wollte einfach den Konzern zusammenhalten und den Gewinn wieder investieren. Dadurch hat er sich aber auch eine beispiellose Tretmühle geschaffen; der Erfolg ist die Peitsche, mit der er sich selbst hetzt. Schade«, setzte sie hinzu. »Meinst du, daß es für einen Mann in einer solchen Situation übliche Versuchungen gibt, Fehltritte, andere Frauen?«

      »Gerade für einen solchen Mann«, erwiderte Lulu, die Erfahrene. »Absurd«, gab Milena zurück. »Und welche Frau von einiger Qualität würde einen Mann solcher Lebensart überhaupt ei tragen?«

      »Oh, da kenne ich viele«, entgegnete die Freundin. »Es ist gewiß ein Allgemeinplatz, aber der Erfolg eines Mannes ist nun einmal sein Sex-Appeal.«

      »Du mußt es ja wissen.« Die Gastgeberin wurde anzüglich.

      »Natürlich muß ich es wissen«, versetzte Casagrandes dritte und sechste Ehefrau. »Ich bin weder eine Heilige noch eine Heuchlerin, und ich war auch einmal jung und habe Erfahrungen gesammelt mit den Herren in den besten Jahren. Eigentlich gar keine so schlechten. Diese grauschläfigen Gentlemen sind meistens betucht, erfahren und großzügig, pflegeleicht und keine Langweiler. Sie setzen zwar zu großen Sprüngen an und legen dann mitunter Bauchlandungen aufs Parkett, aber im Gegensatz zu ihren jungen Geschlechtsgenossen wissen sie, was sie wollen — und wollen nicht unentwegt wie die Kaninchen. Und man kann sie auch mal allein lassen, ohne daß sie gleich einer anderen hinterherhecheln —«

      »Interessant«, antwortete Milena gähnend. »Da hab’ ich ja wohl einiges versäumt in meinem Leben.«

      »Wenn du mich fragst, hast du viel versäumt«, bestätigte die Freundin, »aber nicht unbedingt alternde Liebhaber. Sie machen nicht nur Freude.« Lulu schöpfte aus dem Schatz ihrer Erfahrung. »Der Haken ist der, daß die alten Schwerenöter immer älter werden, und ab einer bestimmten Epoche zählen die Jahre doppelt und dreifach. Stets mußt du ihnen bestätigen, wie jung sie eigentlich sind, und das wird, wenn du fünfundzwanzig Jahre und noch weit mehr ausgleichen sollst, mit der Zeit ermüdend. Ich will nicht pietätlos werden, aber diese Schwierigkeiten wären leichter zu ertragen, wenn man wüßte, wann der verliebte Methusalem den Löffel abgeben wird. Man würde dann weniger Gefahr laufen, seine besten Jahre zu vertrödeln — um dann wieder allein dazustehen —, und die Gefahr wäre gebannt, daß du eines Tages nicht mehr die Geliebte sein wirst, sondern nur noch eine Krankenpflegerin oder Nurse, die dem Alternden rechtzeitig seine Medizin verabreicht.« Sie sah, daß ihre Freundin die Stirn runzelte. »Ja, ja«, setzte Lulu hinzu, »Medizin ist bitter.«

      »Wie kann man nur so zynisch sein«, rügte Milena. »Du sprichst doch wohl nicht im Ernst?«

      »Und ob«, antwortete die Freundin. »Und für das erste Stadium gilt: ›Wenn alte Scheunen einmal in Brand geraten, brennen sie lichterloh‹.«

      »Sprichst du jetzt von Cecil Casagrande — oder von Martin Laimer?« attackierte die Gastgeberin ihre Freundin. »Entschuldige, Lulu«, schwächte sie den Angriff gleich wieder ab. »Ich war taktlos — wie kommen wir eigentlich auf dieses Thema?«

      »Nicht ganz zufällig«, erwiderte die Zynikerin und drückte ihre Zigarette aus. »Es tut mir leid, aber du mußt dir jetzt eine Geschichte anhören.«

      »Wenn du meinst«, entgegnete Milena. »Ich höre.« Sie versteifte sich unbewußt.

      »Die Phil-Palance-Story spielte in New York. Der Mann war Industrieller, ein Aufsteiger, ein Gigant des Erfolgs, ein bißchen älter als dein Vater, dem er in vielem ähnelte, zum Beispiel im Fanatismus für seine Firma und —«

      »Du brauchts mir den Mann nicht weiter zu schildern«, unterbrach Milena. »Er war bereits Gast in unserem Düsseldorfer Haus — als Geschäftspartner unseres Konzerns.«

      »Dann weißt du ja Bescheid. Mit Frauen hielt es Mr. Palance übrigens anders als dein Vater. Für sie hatte er immer eine Stunde übrig, aber die austauschbaren Gespielinnen kosteten ihn keine Minute Zeit darüber hinaus. Übrigens war er seit Jahren Witwer und wollte wohl auch seine männliche Aktivität beweisen. Plötzlich kam dann eine radikale Umkehr: Phil Palance war der Frau begegnet, von der viele Männer insgeheim träumen, zumindest, wenn sie in die Jahre kommen. Angeblich eine Halb-Ungarin, Mitte bis Ende Zwanzig, bildhübsch, anpassungsfähig wie keine andere, offensichtlich eine Spezialistin für gewisse Herren. Der Eintritt in ihren Club hat seine Bedingungen: Der Kandidat muß fortgeschrittenen Alters — sagen wir mal mindestens sechzig —, Millionär und noch gut erhalten sein. Phil Palance zum Beispiel, ein Hüne von einem Mann, angeblich kerngesund, war schon weit über Mitte Sechzig. Ein Autokrat in seinem Konzern, der keinen anderen ans Ruder ließ, schon gar nicht seine unfähigen Söhne. Zunächst wußte niemand von seiner Romanze mit einer jungen Frau, deren Vorleben übrigens auch jetzt noch völlig im Dunkel liegt.«

      »Vielleicht ist sie eine Frau ohne Vergangenheit«, spottete Milena.

      »Die schöne