es geschafft hatte, den kleinen Ball mit einem Schlag in ein nur etwas größeres Loch zu befördern.
»Wie ich höre, sind Sie die Gattin des berühmten Schriftstellers, gnä’ Frau«, wandte sich ein höflicher Hamburger an Lulu.
»Er ist die Sonne, ich bin der Mond«, erwiderte sie ironisch.
Ihre Stimme ließ erkennen, daß sie nicht länger mondsüchtig bleiben wolle. Milena warf ihr einen warnenden Blick zu, aber die Freundin beherrschte die Kunst der verschlüsselten Indiskretion.
»Your husband is a very famous author«, bemerkte ein sommersprossiger Engländer und provozierte Lulu zu der gereizten Frage, ob Cecil Casagrande das As geschossen hätte oder sie.
»Ihr Gatte ist kein Golfer?« fragte ein Schweizer.
Die Wienerin verneinte.
»Das ist aber wirklich schade«, bemerkte er mit dem Bedauern eines Missionars gegenüber einem Andersgläubigen. »Können Sie ihn denn nicht überreden?«
»Gott bewahre«, versetzte Lulu lachend. »Hoffnungslos, Cecil wird sich in keinem Fach versuchen, in dem er nicht glänzen kann.«
»Aber das könnte sich doch ändern —«
Sie strich sich die kurzgeschnittenen blonden Haare aus dem Gesicht. »Golf erzieht zur Demut«, stellte sie fest. »Aber mein Mann muß immer gleich im Mittelpunkt stehen«, behauptete sie. »Meinen Sie, daß sich das vereinbaren läßt?«
Es wurde ein kostspieliger Spätnachmittag. Der Ober brachte bereits die elfte Flasche. Immer mehr Spieler kamen jetzt von der Runde zurück, ein Ende war noch nicht abzusehen — aber einem Golfer ist sein größter Parcourstag viel wert. Der Club würde der Organisatorin, einer bekannten Spirituosenfabrik, das Ereignis mitteilen, und Lulu wäre dann die Empfängerin einer wertvollen Flasche und — weit wichtiger für sie — einer Pergamenturkunde über die Aufnahme in den „Hole-in-one-Club«. Asse sind höchst selten — bei großen internationalen Pro-Turnieren setzen Automobilfabriken häufig Nobelfahrzeuge für diesen Coup aus — sie brauchen sie nur selten zu übergeben.
Die ersten Golferfreunde gingen, neue kamen hinzu, unter ihnen Sissy Keil, die alterslose, löwenmähnige Frau eines Bankiers und Milenas Angstgegnerin bei Turnieren.
»Großartig.« Sie umarmte Lulu. »Wie haben Sie das nur geschafft?«
»Der Wind, der Wind, das himmlische Kind«, alberte die Blondine. »Aber sagen Sie es nicht weiter, Sissy.«
»Warum nicht?« erwiderte die andere. »Gute Resultate leben doch meistens von Bahnzufällen.«
Die Umstehenden lachten gequält und schoben der Düsseldorfer Bankiersgattin einen Hocker zu. »Mein Mann ist auch hier«, sagte sie dann, als wolle sie die Schützenkönigin auf ihn aufmerksam machen, beugte sich zu Lulu und raunte ihr zu: »Bitte sprechen Sie mit ihm.« Sie hatte das Gesicht einer Verschwörerin. »Es ist — ist wirklich enorm wichtig.«
Die reife Blondine betrachtete sie verständnislos.
»Wegen Milena«, setzte Sissy Keil hinzu; sie erfaßte Lulus ungestellte Frage. »Sicher weiß ich, um was es geht«, gab diese zurück. »Aber es ist besser, wenn Sie mit meinem Mann sprechen, er kennt die Aspekte im Hintergrund besser als ich.«
Lulu nickte der Frau mit der Löwenmähne zu; sie hatte sie nicht verstanden, aber begriffen, und sie suchte den Bankier mit den Augen.
Er stand ein wenig abseits.
Sie schob sich an ihn heran. »Sie trinken keinen Schampus, Herr Keil?« sprach sie den Bankier an.
»Ich darf doch nicht, gnä’ Frau«, erwiderte er. »Mein Zuckerspiegel — und der Bluthochdruck —« Der Finanzfachmann brauchte keine weiteren Erklärungen abzugeben. Jeder wußte, daß er ein Hypochonder war.
Die beiden gingen unauffällig nach draußen und entfernten sich ein wenig vom Clubhaus, als wollten sie frische Luft schnappen und dem Trubel entgehen.
»Es tut mir leid, Sie bemühen zu müssen«, begann der kleine Mann mit den schütteren Haaren. »Ich weiß gar nicht, ob es richtig ist, aber diesmal folge ich einer Idee meiner Frau.«
»Der Gedanke ist sicher richtig«, ermunterte ihn seine Gesprächspartnerin. »Sissy ist eine patente Person.«
»Sie werden sich wundern, daß ich nicht mit Frau Deutler selbst spreche«, fuhr Keil fort, »aber es wäre mir einfach zu peinlich. Ich hatte gehofft, andere würden es tun, aber es hat ihnen wohl der Mut gefehlt —«
»Sie sind also mutiger als — als weitere Mitwisser?«
Der Bankier überging Lulus Spott.
»Mein Geldinstitut ist seit vielen Jahren die Hausbank der ›Martin Laimer Companie,‹« berichtete er. »Und aus der Zusammenarbeit hat sich auch ein gewisses freundschaftliches Verhältnis entwickelt. So etwas verpflichtet auch privat, selbst wenn es nicht in den Verträgen steht.«
»Ich muß Ihnen gleich sagen, Herr Keil«, unterbrach ihn die Frau des Schriftstellers, »daß ich von wirtschaftlichen Dingen kaum etwas verstehe.«
»Es handelt sich auch — zunächst wenigstens — nicht um eine wirtschaftliche Geschichte. Wissen Sie«, erklärte er, »es gibt im Leben Probleme, die man einfach nicht frontal angehen kann. Man muß versuchen, sie zu umgehen »Sie also von hinten knacken«, versetzte Lulu burschikos.
»Sissy ist der Meinung, daß Frauen besser geeignet sind, solcherlei Dinge an die Frau zu bringen«, erklärte der Bankier mit einem verunglückten Lächeln. »Außerdem ist es eine alte Gepflogenheit, sich zuerst an den Schutzpatron zu wenden, bevor man gleich zum lieben Gott läuft.«
»Besten Dank«, entgegnete Lulu Casagrande; sie hatte ein wenig gegen ihren Schwips anzukämpfen, und so wurde sie jetzt neugierig — und besorgt. Sie verstand sich auf Männer und wußte, daß der Bankier Keil weder ein Wichtigtuer noch ein Panikmacher war.
Als er jetzt zur Sache kam, erfaßte Lulu sofort das Ausmaß des Unheils, das der Freundin, deren Mann, Tochter und Vater drohte; sie wurde auf einen Schlag wieder nüchtern.
3
Cecil Casagrande war nach Verlassen der Hotelhalle in sein Apartment hochgefahren und hatte dem unerschöpflichen Fundus seiner Roman-Belegstücke — von der »Lufthansa« war ihm deswegen Überfracht berechnet worden — zwei Exemplare seines Romans »Der Biß der Jahre« entnommen. In eines schrieb er eine Widmung für den Direktor des »Oriental«, Paul Sarrasin, einen urbanen Westschweizer; für das zweite plante er einen besonderen Versuch.
»Oh, Mr. Casagrande«, sagte der Manager in seinem Office und erhob sich beflissen. »Was kann ich für Sie tun?«
»Ich stör’ Sie doch nicht?« fragte der Besucher höflich.
»Aber ich bitte Sie, Mr. Casagrande. Unser Haus pflegt, wie Sie wissen, berühmte Autoren in ganz besonderer Weise.«
»Ich weiß«, bestätigte der hochgewachsene Schriftsteller mit der vorspringenden Nase und den sich andeutenden Tränensäcken. »Somerset Maugham, Josef Conrad —«
»— und natürlich Cecil Casagrande«, ergänzte sein erfahrener Gesprächspartner. Ein Hotelmanager, der beim plumpesten Kompliment auch nur mit der Wimper zuckte, war seiner Meinung nach eine Fehlbesetzung: »Ich bedauere sehr, daß Ihre Gattin Sie diesmal nicht begleitet.«
»Das bedauere ich auch«, behauptete der Autor. »Aber Sie wissen ja, Sarrasin, die Weihnachtsvorbereitungen und so —«
»Es ist uns jedesmal eine große Freude, Sie wieder bei uns zu haben.« Der Majordomus des »Oriental« dämpfte ein wenig die Stimme und beschleunigte die Sprechweise: »Sie erhalten selbstverständlich wieder den Prominenten-Rabatt, den wir nur ganz wenigen, ausgesuchten Gästen gewähren. Sie wissen, wir haben es nicht nötig und —«
»Ich hätte es auch nicht nötig, mein Guter«, erwiderte der Mann aus Monaco launig. »Doch ich akzeptiere