nein! Meine Aufgabe an Herrn Wampfler ist noch nicht vorbei. Noch immer bete ich jeden Tag für ihn. Und noch immer bin ich für ihn da.»
Diese Worte berührten mich sehr.
Eines Tages wurde ich unerwartet ins Büro des damaligen EJPD3-Generalsekretärs gerufen. Er hatte mein Buch gelesen und bat mich um eine Widmung.
«Und wie ist es eigentlich mit unserem Chef, Herrn Blocher?», fragte er. «Ist er schon im Besitz ihres Buches?»
«Keine Ahnung!»
«Das wollen wir doch gerade herausfinden», sagte er und griff zum Telefon. Während er wählte, hängte er noch an: «Vielleicht hat er ja gerade einen Moment Zeit für Sie?»
Tatsächlich wurde ich ins Büro von Bundesrat Blocher gerufen.
Ich war höchst überrascht, dass er sich für mich interessierte. Trotzdem hielt sich meine Freude in Grenzen. Herr Blocher hatte sich nämlich kurze Zeit zuvor darüber beschwert, wie Bundesangestellte ihrer Arbeit in Birkenstöcken nachgingen. «Das ist keine angemessene Bekleidung!», meinte er. Natürlich trug ich zu besagtem Zeitpunkt Birkenstöcke. Doch was sollte ich tun? Die Einladung ausschlagen war sicher keine gute Option.
Nach einer kurzen Begrüssung sagte Herr Blocher mit einem Augenzwinkern: «Jetzt will ich doch auch einmal ein paar Worte mit dem bekanntesten Mitarbeiter der Bundesverwaltung wechseln.»
Eigentlich hatte ich schon eine Bemerkung auf der Zunge, dass er bezüglich Bekanntheit wohl kaum etwas zu klagen hätte –, aber ich zwang mich, für einmal den Mund zu halten. War vielleicht besser so.
Herr Blocher lud mich ein, auf einem Polstersessel Platz zu nehmen. Er setzte sich zu mir und er sprach zwanzig Minuten mit mir über ganz verschiedene Themen. In seiner früheren Firma habe er sich auch oft um Mitarbeiter mit Alkoholproblemen gekümmert.
Schliesslich schien der Bundesrat das Gespräch langsam zum Abschluss bringen zu wollen.
«So, Herr Wampfler, sagen Sie mir jetzt nur noch: wie viel kostet Ihr Buch?»
«Es kostet 20 Franken, Herr Blocher», erwiderte ich.
«Dann nehme ich eines. Aber bitte mit Widmung. Schreiben Sie doch einfach ‹Für Silvia und Christoph Blocher ›.»
Auf einem echten Marmortisch schrieb ich die Widmung und überreichte das Buch ganz feierlich dem neuen Besitzer. Dieser öffnete seine Geldbörse und nahm einen grossen Geldschein hervor. Ich glaubte, meinen Augen nicht zu trauen: Herr Blocher streckte mir tatsächlich eine 1000er-Note entgegen.
«Hier ist etwas für Ihr Buch und jetzt wünsche ich Ihnen noch einen schönen Tag!»
Damit war der Besuch zu Ende und ich verliess das Büro mit einer Tausendernote in meiner Hand – und Birkenstöcken an meinen Füssen.
Doch nicht nur im Bundeshaus wurde ich oft auf «Vom Wirtshaus ins Bundeshaus» angesprochen. Es dauerte nicht lange, bis sich die Medien bei mir meldeten. Ich hatte einen grossen Aufwand betrieben, Zeitungen, Radiosender und Magazine anzuschreiben und Rezensionsexemplare zu verschicken. Diese Arbeit schien sich bezahlt zu machen. Zuerst meldete sich die BernerZeitung, kurz darauf der Bund, der Berner Oberländer, Radio 24 und zahlreiche andere. Das öffentliche Interesse an meiner Lebensgeschichte überraschte mich sehr.
Schnell sah ich mich von Medienterminen und persönlichen Gesprächen in Beschlag genommen. Noch immer befand ich mich in einem sonderbaren Zustand – es war mir nicht möglich, all das Geschehene richtig zu verarbeiten. Kaum war ein Interview mit einer Zeitung vorbei, stand auch schon das nächste an.
Mehrere Wochen nach Veröffentlichung wurde ich aber doch noch einmal überrascht. Mein Handy klingelte.
«Wampfler», meldete ich mich zu Wort.
«Guten Tag, Herr Wampfler», tönte es mir entgegen. «Mein Name ist Patrick Rohr vom Schweizer Fernsehen.»
«Hoppla», dachte ich bei mir selbst. «Was will denn der ‹Rohr› von mir?» Seine Sendung ‹Quer› hatte ich schon oft und gerne gesehen. Nach kurzen einführenden Worten kam er auf den Punkt.
«Herr Wampfler, wären Sie bereit in meiner Sendung als Querkopf aufzutreten?»
«Ja, das mache ich gerne. Für mich ist das eine grosse Ehre», erwiderte ich ohne langes Nachdenken. Und schon stand ein weiterer Termin fest – und sogar ein grösserer Auftritt beim Schweizer Fernsehen. Der kurze Beitrag, der bereits für «Schweiz aktuell» gedreht worden war, war zu diesem Zeitpunkt noch nicht ausgestrahlt worden.
Eine kleine Sache musste Patrick Rohr dann aber doch noch loswerden.
«In unserer Sendung wurde noch nie jemand als Querkopf eingeladen, der eine so geringe Bekanntheit hat wie Sie», führte er aus. Und ja: darüber hatte ich mich auch schon gewundert. Das «Problem» sollte dann einfach so gelöst werden, dass vorgängig eine kurze Reportage über mein Leben gedreht werden sollte. Auf diese Weise konnte ich den Zuschauern kurz vorgestellt werden. Ich war gerne bereit, einem Filmteam Einblick in mein Leben zu gewähren.
Einige Zeit später kam ein dreiköpfiges Filmteam zu mir nach Bern. Jemand führte die Interviews, während die anderen zwei die Kameras bedienten. Sie stellten mir viele Fragen über meine Vergangenheit. Um dem Zuschauer einen Einblick in mein früheres Leben als Alkoholiker geben zu können, suchten wir die Plätze auf, wo ich damals verkehrt hatte. Dort wurde ich wiederholt von unterschiedlichen Menschen erkannt, die sofort grüssend auf mich zukamen. Es ergaben sich einige ungestellte Szenen, welche das Filmteam festhalten konnte.
Einige Szenen wurden aber auch bewusst inszeniert. Beim Besuch der stadtbekannten Kneipe «Traube» musste ich mich an den Stammtisch setzen und meinen früheren Saufkumpanen mit einem Glas Cola zuprosten. Gleichzeitig beantwortete ich Fragen des Reporters.
Wir machten auch einen kleinen Abstecher zum Stauffacher, der Buchhandlung der Stadt Bern. Eine Verkäuferin hatte «Vom Wirtshaus ins Bundeshaus» gelesen und war hell begeistert. Daraufhin versuchte sie, das Buch bestmöglich zu bewerben. Was wir dann im Geschäft antrafen, war auch für mich eine Überraschung. Mein Buch wurde gross angepriesen. In vielen hohen Stapeln wurde es dem Käufer präsentiert und sogar in der aktuellen Stauffacher-Bestsellerliste war es aufgeführt. Auf Rang 8.
So stand ich also in diesem Buchgeschäft, sah mich auf der Bestsellerliste, während mein Buch intensiv beworben wurde. Begleitet war ich von einem Filmteam, welches davon überzeugt war, dass meine Geschichte sogar für den Zuschauer im Schweizer Fernsehen interessant war. Ganz ehrlich: Ich hatte zum damaligen Zeitpunkt keine Ahnung, was mit mir geschah. Mit solchen Dingen hatte ich nicht gerechnet. Wahrscheinlich hatte dies niemand.
Irgendwie ergab es sich dann so, dass mein Kurzporträt in «Schweiz aktuell» und mein Auftritt in der Sendung «Quer» am selben Abend ausgestrahlt werden sollten. Ich kann mir bis heute nicht vorstellen, wie es dazu kam.
An diesem Abend war ich sehr aufgeregt. Live im Fernsehen aufzutreten war für mich schon eine ganz grosse Sache. Vorbereitend wurde ich geschminkt und sorgsam auf die Sendung vorbereitet.
Bruder Klaus Wampfler
Die Show selbst war ziemlich schrill. Zumindest in meinen Augen – den Augen eines Diemtigtalers. Die damalige Miss Schweiz wurde in eine Flüssigkeit eingelegt, wo sie während der ganzen Sendung bleiben musste. Erst am Ende wurde sie herausgehoben. Das war irgendeine Veranschaulichung zum Thema des Abends: «Fröhliche Wissenschaft».
Es gab sehr viele Eindrücke, die auf mich einprasselten. Das Schönste war, als ich Jesus Christus als denjenigen bezeugen konnte, der mich freigemacht hatte. Aber auch die Anwesenheit von mir nahestehenden Personen im Studiopublikum bedeutete mir sehr viel. Dass sogar mein Bruder Klaus, der unter meinem Suchtverhalten jahrelang leiden musste, nach Leutschenbach (Zürich) gefahren war, berührte mich sehr. Er hatte den Weg auf sich genommen, um meinen Auftritt live mitzuerleben.
Als wir nach der