Dietrich Schulze-Marmeling

Davidstern und Lederball


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nicht immer vorbildlich, jedenfalls wurde nicht selten an die Umgangsformen im Sport und an den gehobenen Status des Vereins erinnert. »Vergessen Sie nicht«, appellierte die Klubführung im Frühjahr 1924, »dass Sie Mitglieder von Tennis-Borussia sind, die auch auf dem Sportplatz ein ihrer gesellschaftlichen Stellung entsprechendes Wesen zur Schau tragen sollen.«

      Die meisten Zeitgenossen indes hätten es abgelehnt, im Fall von Tennis Borussia von einem spezifisch »deutsch-jüdischen« respektive »berlinischjüdischen Beitrag« zur Sportkultur in der Weimarer Republik zu sprechen. Auch die Vereinsmitglieder selbst hätten sich vermutlich die Frage nach einer Verbindung zwischen Sportbetrieb und jüdischem Glaubensbekenntnis verbeten. Und so geben auch die »Club-Nachrichten« keinen ausdrücklichen Hinweis auf eine derartige Motivation. Vielmehr wurden viele jüdische Mitglieder erst im Jahre 1933 zu solchen erklärt, als sie ihrer Konfession wegen ausgeschlossen oder zum Rücktritt bewegt wurden. Fraglos besaßen jüdische Sportler und Funktionäre große Verdienste um den Klub, doch erwarben sie sich diese – und darauf hätten sie selbst großen Wert gelegt – nicht als deutsche Juden, sondern eben als Sportler und Funktionäre. Es erscheint daher abwegig, in diesem Verein einen speziellen Ort »jüdischer Identitätsstiftung« zu erblicken, so wie es die Mitglieder der zionistischen Klubs fraglos taten. Dieser Verein propagierte all diejenigen Ideale, die in anderen Sportvereinen des bürgerlichen Lagers ebenso offensiv vertreten wurden: Sport diente als Instrument, er sollte unter anderem Jugendliche zu guten Staatsbürgern erziehen und die, wie sie damals bezeichnet wurde, Volksgesundheit stärken.

      Bei Tennis Borussia scheint dieser Versuch bis 1933 recht erfolgreich gewesen zu sein; unabhängig von Konfession und weitgehend unbelästigt von antisemitischen Auswüchsen bot dieser Verein offenbar seinen jüdischen Mitgliedern eine ideale Plattform der Assimilation. Die »Machtergreifung« im Januar 1933 beendete jäh dieses Modell. Bereits am 11. April 1933 wurde bei Tennis Borussia eine außerordentliche Mitgliederversammlung wie folgt protokolliert: »Die stark besuchte Versammlung, 158 Mitglieder, wird von Herrn Rüdiger eröffnet, der in seiner Rede darauf hinweist, dass die Politik nunmehr auf den Verein Einfluss bekommen hätte und nicht nur die Herren jüdischer Konfession ihre Vorstandsämter zur Verfügung gestellt haben, sondern auch der größte Teil unserer jüdischen Mitglieder ihren Austritt erklärt haben. Er bedauert dies, da sich unter diesen auch einige sehr verdienstvolle Mitglieder befinden.« Zwangsläufig waren einige Gründungsmitglieder des Vereins unter den faktisch Ausgeschlossenen, darunter Alfred Lesser, die Gebrüder Karp und Theodor Sachs. Bereits einen Monat später, am 22. Mai 1933, initiierten einige von ihnen den neuen Klub »Berliner Sportgemeinschaft 1933«. Auf der ersten Generalversammlung im Juni 1933 wählten die rund 200 Mitglieder Alfred Lesser zu ihrem Präsidenten, zu seinem Vize den Bankier Georg Michaelis, Theodor Sachs und Vereinsarzt Dr. Wisotzki wurden in den Spielausschuss gewählt.

      Die Makkabi-Bewegung in Berlin

      In Berlin konstituierten sich bald weitere Sportvereine, deren Mitglieder sich aus den Verstoßenen des bürgerlichen Sports rekrutierten, etwa der »Verein ehemaliger Schüler« und der »Verein Kaffee König«. Der Wettkampfverkehr mit Vereinen aus dem bald umformierten NS-Sportverband war nun de facto nicht mehr möglich; fortan konnten Lesser und seine alten Weggenossen nur gegen Vereine antreten, deren Mitglieder Juden waren bzw. nach NS-Rassenverständnis als Juden ausgewiesen wurden. Wenn auch nur zögerlich, kam es so zu Kontakten mit Klubs aus der frühen jüdischen Sportbewegung. Grob zusammengefasst, handelte es sich bei ihr um zwei zerstrittene Gruppierungen. Unter dem Dachverband »Schild«, der Sportgruppe des Reichsbundes jüdischer Frontsoldaten (RjF), waren diejenigen Klubs organisiert, die sich auch anhand sportlicher Aktivitäten gegen eine, wie es in der Satzung des RjF hieß, »Herabsetzung ihres vaterländisches Verhaltens im Kriege« wehrte; ein jüdischer Abwehrverein assimilierter deutscher Juden. Die sportlichen Aktivitäten beschränkten sich zumeist auf Kampfsportarten wie Jiu-Jitsu, Fußball wurde kaum betrieben. Die zweite, zweifellos größere Säule jüdischen Sports bereits in der Weimarer Republik waren die Klubs im zionistischen »Makkabi«-Verband. Dieser sah im Sport ganz ausdrücklich ein Mittel zur körperlichen Ertüchtigung, um sich so auf den zu gründenden Staat Israel vorzubereiten.

      Während der Weimarer Republik waren aber die wenigsten sportlichen Juden in diesen ausdrücklich jüdischen Sportverbänden und -vereinen aktiv. So zog anno 1929 etwa der deutsche Makkabi, der Dachverband der zionistischen Sportbewegung, eine ernüchternde Bilanz. In der Juni-Ausgabe seines Zentralorgans »Makkabi« wurde festgestellt, dass mit den rund 5.000 organisierten Mitgliedern in 26 Vereinen nur ein Prozent der jüdischen Bevölkerung erreicht worden waren. »Besonders ungünstig«, hieß es weiter, »liegt das Prozentverhältnis in Berlin, wo nahezu die Hälfte der jüdischen Bevölkerung lebt, wo aber der Bar Kochba mit rund 1.300 Mitgliedern nur 0,4 Prozent der jüdischen Bevölkerung umfasst.« Als Grund nannte der Kommentar unter anderem, »dass sich außerordentlich viele Juden noch in den großen paritätischen Turn- und Sportorganisationen«, sprich in konfessionell ungebundenen, »normalen« Sportvereinen betätigten. Wie viele genau, das vermochte keiner zu sagen. Eines aber stand fest: Nirgendwo betrieben so viele deutsche Juden Sport wie in Berlin, und