Dietrich Schulze-Marmeling

Davidstern und Lederball


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Eine Fußballabteilung existierte darin vorerst nicht, wie in anderen jüdischen Vereinen wurde zunächst geturnt. Auch in den frühen 20er Jahren wurde Fußball zunächst nicht angeboten, wie bei vielen Makkabi-Klubs auch mit dem Argument einer falschen »Spezialisierung«. Wie ablehnend die jüdischen Turner der Popularisierung des Fußballs gegenüberstanden, illustrierte der polemische Artikel »Die ›neu-tralen‹ Fußballvereine« im Verbandsorgan »Makkabi« aus dem Jahre 1923, der ein Jahr später im gleichen Wortlaut nochmals gedruckt wurde. Der Autor, ein Dr. Erich Moses, kritisierte darin vor allem die Tatsache, dass viele deutsche Juden in konfessionell ungebundenen Vereinen wie Tennis Borussia aktiv seien und so ihre jüdischen Wurzeln verraten würden. »Kritiklose Nachahmung, gedankenlose Assimilation an alles, was man gerade vorfindet«, sei das Kennzeichen jener Juden, schimpfte Moses, »Assimilation ist eben Trumpf und so übernimmt man die ungeistige Einstellung von Ballklotzern ebenso unüberlegt und leichtfertig wie die Namen, die uns als Sinnbild unserer Erziehungsarbeit vorleuchten.« Nichts an diesen Vereinen sei jüdisch, so Moses, der anschließend die Motivation jener assimilierten jüdischen Sportler geißelt: »Vielleicht glauben sie dem Judentum und der jüdischen Ehre besonders nützlich zu sein, weil sie den Nichtjuden beweisen, dass die Juden auch Fußball spielen können, mindestens so gut – oder vielleicht besser? –, dass man also die Juden auf körperlich-technischem Gebiet als gleichwertig bezeichnen muss. Wozu sonst jüdische Namen? – Ich glaube nicht, dass es der Sinn des Judentums ist, Akrobaten großzuziehen. Aber es ist eine alte assimilantische Methode, dass man den Nichtjuden zeigen will, dass wir auch alles können und dass für sie das Wesen des Judentums darin liegt, zu beweisen, dass z.B. die Juden nicht mehr Wucherer haben wie jedes andere Volk; zu beweisen, dass die Juden im Kriege sich nicht gedrückt haben, zu beweisen, dass die Juden keine Betrüger sind und dass sie Fußball spielen können. Trotzdem ist der Antisemitismus nicht geringer geworden.«

      In dem Bekenntnis der Vereine des Dachverbandes DRA zur politischen und konfessionellen Neutralität erblickte Moses einen Akt zur Diskriminierung. »In den Statuten unserer Fußballklubs«, hieß es in seiner Polemik, »darf das Wort ›Jude‹ nicht vorkommen, weil es in diesem Fall unmöglich sein würde, in einem großen Ballspielverband aufgenommen zu werden. Nach den Statuten sind die Fußballklubs also Vereine, die die Pflege des Fußballsports treiben, weiter nichts. In Wirklichkeit sagt man uns immer wieder, man kann natürlich in diesem Fußballklub jüdisch arbeiten, ohne dass es andere zu wissen brauchen. Erstens: Man kann, wenn man will, aber man will ja gar nicht. Zweitens: Ohne dass Außenstehende es merken. (…) Haben wir es nötig, des Fußballes wegen ein ghettohaftes Leben zu führen? Heraus aus den Verbänden, die sich scheuen, Vereine aufzunehmen, die sagen, dass sie Juden sind und sich jüdisch betätigen wollen, da alles andere Verhalten einer Würdelosigkeit gleichkommt.« Es war indes nicht allein die Gefährdung der jüdischen Sache, die diese Polemik provozierte, sondern auch die unbestrittene Tatsache, dass der Fußball in den 20er Jahren dem Turnen viele Mitglieder abwarb, auch den jüdischen Turnvereinen – und Moses turnte in Dresden.

      In Berlin entstand unterdessen am 17. Mai 1924 mit dem S.C. Hakoah ein Verein, der sich vorwiegend dem Fußball widmete. Das Datum dieser Genese entsprang keineswegs dem Zufall, denn kurz zuvor war die weltberühmte Wiener Hakoah zu zwei Gastspielen nach Berlin gekommen (im März erreichte Tennis Borussia ein 3:3-Remis, im Mai gewann Hertha BSC 4:3). Ein Jahr später hatte der Verein bereits 400 (meist Fußball spielende) Mitglieder gewonnen, 1928 konnte der Vereine mit doppelter Mitgliederzahl sogar größere Sportanlagen finanzieren. Doch die jüdische Erziehungsarbeit in Klubs dieser Prägung schien Turnern wie Erich Moses immer noch nicht zu reichen. »Auffallend ist, dass die Mitglieder der Fußballklubs sich zu 99% aus Ostjuden rekrutieren«, schrieb Moses in besagtem Text, »wenn die jüdischen Fußballklubs nur deutsche Juden als Mitglieder hätten, könnte man die ajüdische Einstellung verstehen, da sie es von Haus aus nicht besser verstehen. Oder glauben unsere ostjüdischen Brüder, dass sie es nicht mehr nötig haben, sich mit jüdischen Dingen zu beschäftigen?« Auch im Fußball spiegelte sich mithin der Konflikt der jüdischen Gemeinden: der große Konflikt zwischen etablierten, assimilierten und just immigrierten Juden.

      Der S.C. Hakoah Berlin jedenfalls entwickelte sich zu dem größten jüdischen Fußballklub Deutschlands, und seine Mitgliederstärke bewog den etablierten Klub »Bar Kochba« 1930 sogar zur Fusion mit der Hakoah. Was der Makkabi-Verein damit bezweckte, verriet die letzte Sitzung vor dem Zusammenschluss. Ein Vorstandsmitglied glaubte, so steht es im Protokoll, das in der Zeitschrift »Makkabi« veröffentlicht wurde, »dass man den Enthusiasmus der Ostjuden für den Fußballsport auf das Gebiet des Zionismus leiten könne. Wenn der Hakoah auch nichts mitbringe als diesen Enthusiasmus, so liege es nur an uns, diesen in die richtigen Weg zu leiten.« Sportlich indes waren die Ha-koahner mitnichten so erfolgreich wie ihre Wiener Vorbilder, 1928 reichte es zum Aufstieg in die Kreisliga, der zweithöchsten Klasse Berlins. Dennoch waren in ihr einige bekanntere Spieler aktiv, so etwa der ehemalige TeBe-Repräsentative Hanne Reiff, der allerdings seinen sportlichen Zenit bereits überschritten hatte, als er Ende der 20er Jahre zu Hakoah kam. Aus der eigenen Jugend kam dagegen Paul Kestenbaum, der nicht nur 1932 im deutschen Team an der 1. Makkabiade in Palästina teilnahm, sondern auch für Palästina die zwei Qualifikationsmatches zur WM 1934 gegen Ägypten bestritt.

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      Vereinsemblem SC Hakoah Berlin

      Nach 1933: Scheinblüte und Vernichtung

      Nie wieder hat sich der jüdische Sport vom Holocaust wirklich erholt, nie wieder haben in Berlin so viele Juden Fußball gespielt wie in den 20er und 30er Jahren. Die weiterhin elitäre Tennis Borussia hatte zwar seit dem Zweiten Weltkrieg mit dem Showmaster Hans (»Hänschen«) Rosenthal und dem Musikproduzenten und vormaligen Fußballprofi Jack White wiederum jüdische Vereinspräsidenten, doch nie wieder – auch nicht in den erfolgreichen 50er Jahren – besaß der Verein einen vergleichbaren Status wie in jenen Jahren der Weimarer Republik. Nach den Auflösungen aller jüdischen Klubs 1938 existiert seit dem 26. November 1970 mit dem TuS Makkabi Berlin heute wieder ein jüdischer Verein mit über 600 Mitgliedern. Er betrachtet sich als legitimer Nachfolger des 1898 gegründeten Vereins »Bar Kochba«, im Vordergrund steht der Breitensport. Es existiert auch eine etwa 240 Mitglieder umfassende Fußballabteilung, die momentan in der Bezirksliga spielt. Nach Auskunft des Vereins sind antisemitische Pöbe-leien während der Spiele in den letzten Jahren weniger geworden.

      Der jüdische Fußball besaß nicht nur seine Wurzeln in Berlin, er beein-flusste auch von Berlin aus maßgeblich die Entwicklung des gesamten deutschen Fußballsports. Die Gebrüder Manning gerieten zu großen Vorbildern der ersten Berliner Fußballgeneration, ganz zu schweigen