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500 Jahre Reformation: Bedeutung und Herausforderungen


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ihre Glaubwürdigkeit, wenn er sich nur als Geist von Doping und Geld entpuppt.

      Unsere Kirchen werden sich immer wieder daran messen lassen müssen, ob das solus Christus der Reformatoren den Geist bestimmt. Und daran, ob sie der Gemeinschaft dienen. Für Protestanten gilt es, auch mit Blick auf das 500-jährige Jubiläum darüber nachzudenken, was es bedeutet, dass der Geist der Spaltung sie so oft umweht hat. Das ist eine berechtigte Anfrage. Als ich im Juni in den USA war, hat mich noch einmal neu berührt, dass es dort 22 lutherische Kirchen gibt, die nicht alle Abendmahlsgemeinschaft haben. Was für ein Zeichen ist das?

      Gott sei Dank gibt es auch eine 500-jährige Lerngeschichte der Reformation. Seit 40 Jahren haben wir mit der Leuenberger Konkordie eine Form von Kirchengemeinschaft in Europa gefunden, die Unterschiede respektiert, aber doch die gegenseitige Anerkennung als Kirchen und damit das gemeinsame Abendmahl möglich macht.

      «Es sei denn, dass jemand geboren werde aus Wasser und Geist, so kann er nicht in das Reich Gottes kommen.» (3, 5b) Vielleicht will Johannes vor allem sagen: Du musst dich auch öffnen für den Geist. Nikodemus verschwindet ja eigentümlich leise aus dieser Szene, der Dialog geht über in eine Offenbarungsrede Jesu. Ob das andeutet: Nikodemus kann sich nicht wirklich öffnen? Kann sich auf den Weg Jesu nicht einlassen? Bultmann sieht das Wort als «Mahnung – freilich nicht eine moralistische, sondern die Mahnung, sich selbst in Frage zu stellen»16. Es geht nicht um «Besserung des Menschen»17, sondern darum, dass der Mensch seinen Ursprung in Gott findet und begreift, dass er das Leben nicht im Griff hat. Das finde ich einen äußerst hilfreichen Gedanken. Heil lässt sich nicht |49| herstellen, nicht kaufen, sondern ist Gottesgeschenk, Gnade. Ich muss mich mit meinen Sicherheiten in Glaubens- und in Lebensfragen öffnen, mein ganzes Vertrauen auf Gott werfen, nicht auf all das, was so richtig und wichtig erscheint: Geld, Rechtgläubigkeit, Konformität.

      Die Taufe ist ein Zeichen der Zugehörigkeit. Sich auf Gottes Geist einlassen ein Zeichen für Gottvertrauen. Das gilt im persönlichen Leben. Das gilt aber auch für Kirchen als Institutionen, die immer mal wieder ein Geistbrausen brauchen, wenn sie es sich allzu behaglich in der Welt eingerichtet haben. Ich denke an unsere Strukturen, aber auch an die Herausforderungen, in den Fragen der Gerechtigkeit, der Flüchtlinge, des Kriegs und der Waffengeschäfte, der Bedrohung der Zukunft dieser Erde mutige Worte und Taten zu wagen. Am Ende aber können wir uns als Getaufte in all unserem Ringen nur Gott anvertrauen, dem Wirken des Geistes Gottes, das wir immer wieder spüren dürfen.

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      Klára Tarr Cselovszky, Budapest

      Matthäus 5, 13–16

      Liebe Schwestern und Brüder

      1838 gab es ein gewaltiges Hochwasser in Budapest. Vergleichbar mit dem diesjährigen Hochwasser im Frühling in Ulm, an der Donau und im Elb-Raum in Deutschland. Kurz zuvor, im Jahr 1811, wurde die Kirche am Deak Platz gebaut. Sie ist die Kirche der Gemeinde, in der mein Mann heute als Pfarrer dient und neben der wir leben. Die Kirche ist auf der flachen Pester Seite der Stadt ein hohes und festes Gebäude. Wegen des sandigen Bodens wurde sie höher gebaut. Als nun 1838 das Hochwasser kam, blieb nur die Kirche trocken. Viele Hunderte von Menschen fanden in ihr Zuflucht, unter anderem auch die Mitglieder der jüdischen Gemeinde in der Nähe. Nachdem der Wasserstand wieder gesunken war, schenkte die jüdische Gemeinde unseren lutherischen Vorfahren einen Abendmahlskelch, der seitdem als «Hochwasserkelch» bezeichnet wird. Die Kirche war Zufluchtsort, eine feste Burg, eine Stadt auf dem Berg. Über dieses Bild und andere lesen wir bei Matthäus, im Kapitel 5, die Verse 13 bis 16:

      «13 Ihr seid das Salz der Erde. Wenn nun das Salz nicht mehr salzt, womit soll man salzen? Es ist zu nichts mehr nütze, als dass man es wegschüttet und es von den Leuten zertreten lässt.

      14 Ihr seid das Licht der Welt. Es kann die Stadt, die auf einem Berge liegt, nicht verborgen sein.

      15 Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter; so leuchtet es allen, die im Hause sind.

      16 So lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.»

      Das Wesen dieser Verse kann man mit einem Wort zusammenfassen: Ausstrahlung.

      Heutzutage hören wir dieses Wort in vielen Zusammenhängen.

      In der Meteorologie steht es für die Wärmeabgabe der Erdoberfläche bzw. der Atmosphäre. Ausstrahlung sagt aber auch etwas über die Anziehungskraft oder das Charisma eines Menschen. Das Wort Ausstrahlung bedeutet Sendung, Übertragung. Das Gegenwort ist Empfang, der Oberbegriff Ermittlung. |51|

      Als «geborene» Linguistin habe ich der ursprünglichen Bedeutung von Strahl nachrecherchiert. Strahl ist demnach in der Mathematik bzw. Physik eine einseitig infinite Linie, die an einem festen Punkt beginnt, bzw. ein von einer Energiequelle ausgehendes Bündel elektromagnetischer Wellen.

      Die Schlagwörter in unserem Bibelwort, das Licht, die Stadt auf dem Berg, das Salz, sind kleine Einheiten, die eine sehr große Auswirkung, Ausstrahlung haben. Man kann sie nicht mehr abdecken, verleugnen, ihre Wirkung verändern, wenn sie einmal angefangen haben, das zu tun, was ihren Sinn ausmacht: Das Licht – Helligkeit auszustrahlen, um die Dunkelheit völlig zu vernichten. Die Stadt auf dem Berg – sich als Leuchtturm, als Wegweiser, als Schutz zu erweisen, damit sie von weiter Entfernung sichtbar ist. Und das Salz – die fad schmeckende Speise schmackhaft werden zu lassen.

      Es ist bewundernswert, wie genau Sprache wiedergibt, was der biblische Sinn des Wortes Ausstrahlung ist: Sendung und Übertragung. Ausstrahlung bedeutet in der Physik, dass Strahlen kommen, die von einer Energiequelle ausgehende Bündel elektromagnetischer Wellen sind. Von einer einzigen Energiequelle. Diese Quelle wird oft gar nicht wahrgenommen, wir spüren nur ihre Wirkung. Die Helligkeit, den Geschmack und das Sicherheitsgefühl. Auch Jesu Nachfolger sind nur Mittel. Durch ihre Taten, ihr Leben und mit ihren Worten geben sie das Evangelium weiter. Sie wirken wie eine Schmerztablette: Sie sind klein, haben aber eine große Wirkung. Ich komme ja aus Ungarn, aus dem Land des Paprikas. Einmal kaufte ein Bekannter aus Deutschland irgendwo Kirschpaprika. Das sind diese ganz kleinen, kirschförmigen Paprika. Er wollte sie zu seinem Sandwich essen. Er biss hinein, konnte aber den Paprika nicht mehr essen, weil er so scharf war. Er spürte die Wirkung noch lange auf der Zunge. So erlebe ich die Kirche auch. Die Diasporasituation bedeutet lange nicht, dass es mit der Kirche zu Ende ist. Seit meiner Geburt lebe ich als Teil einer Diasporakirche. Das war mir aber immer ganz natürlich, denn die Wirkung einer Kirche hängt nicht nur von der Größe ab. Wir brauchen aber auch feste Städte, die stark und groß sind. Nicht jeder kann jedoch in der Nähe einer festen Burg leben. Eine Ausnahme sind wohl nur die Österreicher, denn sie haben eine Stadt, die von gleich zweien unserer Bilder, vom Salz und der Stadt auf dem Berg geprägt ist: Das ist Salzburg.

      Licht: Bis weit in die Neuzeit hinein war weitgehend unklar, was Licht tatsächlich ist. Teilweise glaubte man, dass «Strahlen» von den Augen |52| ausgehen, die die Umwelt beim Sehvorgang abtasten. In Wahrheit ist nicht das Auge die Lichtquelle, sondern das menschliche Auge und das Gehirn nehmen mit Hilfe des Lichtes die Umwelt wahr. Ohne Licht kann man die Umwelt überhaupt nicht sehen, gar nicht wahrnehmen.

      Das Licht kommt in mehreren Bibelstellen vor, zu allererst aber im Buch Genesis. Der dritte Satz in der Schöpfungsgeschichte berichtet, dass bereits am ersten Tag Gott das Licht schuf! Unmittelbar nachdem er Himmel und Erde geschaffen hatte. Das Licht ist die Trennung des Hellen vom Finsteren. György Jakubinyi, ein katholischer Theologe aus Siebenbürgen, schreibt 1991: «Das Licht ist die Erlösung durch Jesus Christus aus der Dunkelheit der Gottesferne.» Wilhelm Stählin (1958) sagt sinngemäß: Es ist das Licht, was die Dinge voneinander unterscheiden lässt. Das Gute vom Bösen. Das Helle vom Dunklen. Das Bild des Lichtes, die Flamme selbst ist sehr vielsagend, denn das Feuer ist kein Gegenstand, es ist ein Prozess. Im Prozess der Veränderung passiert etwas ganz Wichtiges: Aus einem Gegenstand, aus Holz, und aus einem Funken wird Licht. Das ist das Mandat der Jünger. Das Licht in der Welt zu werden.

      Das Salz: Salzen tut einer Speise gut. Eine Speise kann nicht mehr entsalzt werden, wenn