vor Ort erläutern werde. Die Sache ist dringend, deshalb biete ich Ihnen ein doppeltes Honorar. Nehmen Sie an?«
Ich schwieg. Was war denn das für ein seltsamer Typ? Jedenfalls keiner, der lange um den heißen Brei herumredete. Klare Bedingungen, klare Gehaltsvorstellungen. So vergab man professionell Aufträge. Ja, wahrscheinlich hatte der Anrufer sein ganzes Leben lang Aufträge erteilt, und nun war eben Max Koller dran. Er klang völlig anders als später bei unserer Begegnung auf dem Bergfriedhof, ohne Sarkasmus, ohne Schärfe in der Stimme, eher gelangweilt, der Sache überdrüssig – so, als habe er sich die Finger wund gewählt und wolle endlich zu einem Ende kommen. Nehmen Sie an oder lassen Sie es, Herr Koller.
Dabei brannten mir verschiedene Fragen auf der Zunge. Warum erklärte er mir den Auftrag nicht am Telefon? Warum dieser alberne Treffpunkt mitten in der Nacht? Wie konnte der Anrufer anonym bleiben, wenn ich ihm gegenübertreten würde? Vielleicht wohnte er ja um die Ecke. Und was war so wichtig, dass er mir so viel Geld bot?
Liebend gerne hätte ich ihn all das gefragt. Aber es war klar, dass ich keine Antwort bekommen würde.
»Was ist, Herr Koller? Sind Sie interessiert? Oder soll ich mich an die Konkurrenz wenden?«
»Vergessen Sie die Konkurrenz«, entgegnete ich, und das war ja nicht einmal übertrieben. Wenn sich jemand auf seine haarsträubenden Bedingungen einlassen würde, dann nur ein Hallodri wie ich. »In Heidelberg werden Sie niemanden finden, der Ihre Spielchen mitmacht, das gebe ich Ihnen schriftlich. Für mich stellt sich ein anderes Problem.«
»Die Sache ist völlig ungefährlich. Da brauchen Sie …«
»Das meinte ich nicht«, unterbrach ich ihn. »Wenn ich Sie heute Abend treffen will, muss ich einen Termin verschieben. Und je nachdem, wie Ihr Auftrag sich gestalten sollte, wird das in den nächsten Tagen immer wieder der Fall sein. Ich habe schließlich nicht nur einen Kunden.«
»Natürlich«, sagte er, und vielleicht glaubte er mir sogar.
»Da ist mir die mündliche Honorarzusage durch einen Mann, der anonym bleiben will, ein bisschen dürftig, wenn ich ehrlich bin.«
Der Anrufer zögerte nicht eine Sekunde. »Sie bekommen heute Abend von mir 2000 Euro bar auf die Hand; und wenn ich Ihnen einen doppelten Tagessatz verspreche, dann bleibt es auch dabei. Um solche Peanuts zu feilschen, ist mir zu dumm.«
Peanuts! Er sagte es tatsächlich. Mir blieb der Mund offen stehen. 2000 Euro bar auf die Kralle, und er sprach von Peanuts. Hatte er die Scheine unterm Briefbeschwerer liegen? Am liebsten hätte ich ihm in die Fresse geschlagen. Von diesem Augenblick an war mir der Unbekannte zutiefst unsympathisch.
Nur die 2000 Euro waren mir nicht unsympathisch, die nicht.
»Und wenn ich den Auftrag, nachdem ich ihn kenne, nicht übernehme?«, hakte ich nach.
»Dann behalten Sie das Geld als Aufwandsentschädigung«, versprach er, und zum ersten Mal schwang ein wenig Ärger in seiner Stimme mit. »Was ist nun, Herr Koller? Kommen Sie oder kommen Sie nicht?«
»11 Uhr am Steigerweg? Die Seitenpforte?«
»Richtig.«
Die Kühlschranktür stand immer noch offen und ich davor. Meine Knie wurden allmählich kalt. Mit dem Lammfleisch wollte ich morgen die Auberginen füllen, vielleicht mit den Okraschoten als Beilage. Das Zeug war teuer gewesen, außerdem musste ich ja irgendwann eine Entscheidung treffen. Ich warf die Kühlschranktür zu.
»Okay«, sagte ich. »Ich komme. Zum Bergfriedhof.« Verdammt, war ich neugierig!
»Bis später«, erwiderte er und legte auf.
3
»Selbstmord?«, fragte ich. »Selten so gelacht. Wer hat Ihnen das denn eingeredet?«
»Für alle die beste Lösung. Keine Fragen, keine Nachforschungen. Niemand wird behelligt, weder ein Privatdetektiv von mäßigem Leumund noch sonst jemand.«
Mäßiger Leumund? Möglich. Aber woher wusste er das? Hatte er Erkundigungen über mich eingezogen oder sah man mir meinen Ruf an? Denkbar war beides. Es war sogar denkbar, dass sich der Mann gezielt an mich gewandt hatte: an einen Ermittler, der ab einer bestimmten Summe jeden Auftrag akzeptieren würde.
»Selbstmord«, nickte er nachdenklich. »Ich denke, damit können wir alle gut leben.«
»Wir, ja. Nur der Mann auf dem Grab nicht.«
Er schmunzelte leicht und nahm den Fuß vom Gaspedal.
Wir saßen im Wagen des Alten, einem beigefarbenen BMW mit schwarzen Ledersitzen und Furnierholz am Armaturenbrett. Seine bläulich-weißen Lichter strichen über die Stämme des Heidelberger Stadtwalds. Ab und zu kam uns ein Auto entgegen. Noch einige 100 Meter, dann würden wir auf Höhe des Schlosses in die Klingenteichstraße einbiegen. Der Weg hinab in die Stadt war kurvig. Mit einer Hand hielt ich mich am Griff über dem Beifahrerfenster fest.
»Ich möchte meinen Auftrag umformulieren«, sagte der Mann am Steuer. »Auch wenn Ihnen das ungewöhnlich vorkommen mag. Mein neuer Auftrag an Sie lautet: keine Nachforschungen. Vergessen Sie, dass wir uns begegnet sind. Das Treffen hat nie stattgefunden. Genießen Sie das Wochenende und den Feiertag. Das Wetter soll ja schön werden.«
»Quatsch«, sagte ich. »Es ist Regen gemeldet.«
»Dann ist eben Regen gemeldet. Auch gut.«
»Auch gut«, echote ich wütend. »Auch gut, Mister Unbekannt. Nun passen Sie mal auf: Mit mir haben Sie Pech. Ich bin neugierig. Eine Berufskrankheit, unheilbar. Genau wie Ihre Allergie.«
Er warf mir einen kurzen Seitenblick zu und schaltete vor der nächsten Kurve einen Gang zurück.
»Verdammt neugierig sogar«, sagte ich. »Wer der Mann auf dem Grab ist, interessiert mich nämlich brennend. Mich interessiert, warum er da liegt und weshalb ich nachts um 11 auf dem Bergfriedhof erscheinen sollte. Meinen Sie wirklich, Sie können mir diese Neugier abkaufen?«
Nun gönnte er mir einen ausgiebigeren Blick.
»Natürlich«, sagte er verwundert. »Was denn sonst?«
Ich lachte.
»Natürlich kann ich das«, behauptete er in einem Ton, als hätte ich bezweifelt, dass zweimal zwei vier ist. »Ich beauftrage Sie, Ihre berufsbedingte Neugier, für die ich im Übrigen größte Sympathie hege, ausnahmsweise zu unterdrücken. Nur dieses eine Mal. So lautet mein Auftrag, und dafür zahle ich. Wenn Sie mein Honorar nicht akzeptieren, verhandeln wir. Sehen Sie, ich bin ein alter Mann …« – verdammter Lügner, dachte ich, denn er war alles Mögliche, aber nicht das, was man sich unter einem alten Mann vorstellte – »Ich bin ein alter Mann, Herr Koller, und mir ist meine Ruhe einiges wert. Wenn Sie einmal mein Alter erreicht haben, werden Sie das verstehen.«
»Ich bin gerührt. Darf ich Ihnen die Schnabeltasse reichen?«
Gelangweilt zuckte er die Achseln. Antworten wie diese hatte er wohl schon tausendmal in seinem langen Leben vernommen.
»Gut«, sagte ich. »Nehmen wir an, ich lasse mich auf den Deal ein und schnüffle anschließend trotzdem hinter Ihnen her. Was dann?«
»Warum sollten Sie das? Was bringt es Ihnen?«
»Keine Ahnung.«
»Eben. Also können Sie es auch gleich lassen. Wenn Sie hoffen, mir etwas anhängen zu können – vergessen Sie es. Mit der Leiche auf dem Grab habe ich nicht das Geringste zu tun. Ich wollte Sie in einer Familienangelegenheit um Ihre Hilfe bitten, aber nun ist mir die ganze Sache zu heikel geworden. Reichen Ihnen diese Informationen?«
»Wer ist der Tote?«
»Ich weiß es nicht.«
»Natürlich wissen Sie es. Ein alter Studienfreund vielleicht? Ein Kumpel aus dem Lions Club?«
»Herr Koller, bitte …«
»Oder hat Sie der Mann letzte Woche in