ins Wasser. „Männer, fiert das Beiboot ab! Wir sehen uns dieses hübsche Fleckchen Erde genau an, ehe wir unsere Freunde ihrem Schicksal überlassen! Ich will wissen, ob es hier Spanier, Piraten oder mordlustige Wilde gibt!“
Rasch stellte er die Crew für das Beiboot zusammen. Sie bestand aus Barba, Pierre Puchan, Grand Couteau, Tom Coogan, Hinkle, Doc Delon, Marty und ihm. Acht Männer also – sie gingen von Bord und pullten mit der Jolle zum seichten, sandigen Ufer. Siri-Tong übernahm das Kommando an Bord der „Le Vengeur“. Das Schiff war gefechtsklar. Vom Hauptdeck, vom Achterdeck und von der Back aus wurde das Landemanöver der Bootscrew genau verfolgt.
Das Boot taumelte durch die Brandung und lief auf den Strand. Ribault sprang als erster an Land. Die Hand am Säbel, sah er sich nach allen Seiten um. Noch war alles ruhig, aus dem Dickicht hinter den vom Wind gebogenen Palmen ertönten lediglich das Kreischen von Vögeln und das Zetern von Äffchen. Aber die Stille konnte trügerisch sein und täuschen. Die Erfahrung lehrte, daß man dem Frieden nie trauen durfte.
Ribault wartete, bis die Männer ausgestiegen waren, dann teilte er Tom Coogan als Bootswache ein. Zu siebt begaben sich die Männer zu den Palmen, schritten unter ihren mächtigen Wipfeln hindurch und strebten auf das Dickicht zu, das so grün und undurchdringlich war wie das von El Triunfo.
„Achtung“, sagte Ribault plötzlich. „Da regt sich was.“ Er gab seinen Begleitern einen Wink. Sie griffen zu den Waffen und nahmen eine abwehrbereite, abwartende Haltung ein.
Es raschelte im Unterholz. Barba senkte unwillkürlich den Kopf, als gelte es, einen Gegner wie ein Stier anzugreifen. Hinkle stand rechts neben ihm, seine Augen weiteten sich, aber viel vermochte er nicht zu erkennen. Marty drohten die Augen aus den Höhlen zu fallen, er schielte noch stärker als gewöhnlich.
Drei Gestalten lösten sich aus dem Dickicht, ein braunhäutiger Mann und zwei barbusige Mädchen derselben Hautfarbe. Sie lächelten, deuteten etwas an, das wie eine Verbeugung wirkte, und legten dann etwas vor den Füßen der Männer ab, das in Palmenblätter eingewickelt war. Erstaunt nahm Ribault und sein Trupp zur Kenntnis, daß es sich um Kokosnüsse und Datteln handelte.
Der Eingeborene sagte etwas, das niemand verstand. Ribault erwiderte sein Lächeln und hob die Hand zum Zeichen der Freundschaft.
„Doc, es ist mir unverständlich, warum diese Menschen uns Fremden gegenüber so unbekümmert und gastfreundlich sind“, sagte er. „Es kann nur einen Grund dafür geben. Weder die Spanier noch irgendwelche Piraten sind hier jemals gelandet, um zu rauben und zu brandschatzen.“
„Wahrscheinlich gibt es auch nichts zu holen außer Kokosnüssen und Früchten“, sagte der Arzt nüchtern. „Aber diese drei scheinen ihrem Aussehen nach eher einer Südsee-Rasse anzugehören. Sie wirken wie Polynesier.“
„Das stimmt. Vielleicht erfahrt ihr, wie sie hierher geraten sind.“ Ribault folgte dem einladenden Nicken und den Gesten der Mädchen, Barba und Marty schlossen sich ihm spontan an. Die Mädchen kicherten, als sie Marty aus der Nähe betrachteten, aber sie ließen es sich gefallen, daß er sich bei ihnen unterhakte.
„Ich will den Deubel nicht ans Schott malen“, sagte Barba. „Aber das Ganze könnte auch eine raffinierte Falle sein.“
„Natürlich“, sagte Ribault und schenkte dem Eingeborenen ein freundliches Grinsen. „Ihr da hinten, haltet euch ein wenig zurück und paßt auf, was um uns herum vorgeht. Daß mir ja keiner schläft. Ein Mädchenhintern ist noch lange kein Grund, unvorsichtig zu werden.“
„Er wäre ein Grund“, sagte Grand Couteau, der die Mädchen nicht aus den Augen ließ. „Aber irgendwie habe ich mir vorgenommen, nicht auf dieser Insel zu sterben.“
Sie verschwanden im Urwald – und an Bord der „Le Vengeur III.“ sahen die Zurückgebliebenen sich untereinander an.
„Das halt ich im Kopf nicht aus“, stöhnte Roger Lutz. „Wäre ich doch bloß auch an Land gegangen. Diese Mädchen warten nur darauf, mich ein bißchen zu verwöhnen.“
„Du kannst noch hinterherschwimmen“, sagte Sven Nyberg grinsend. „Aber paß auf. Es sind Haie in der Bucht.“
„Ich hatte mal eine Freundin in Le Havre, die hatte genau die gleiche Figur wie eins von den Mädchen“, schwärmte Lutz. Er war nicht mehr zu halten. Und dann begann er, ihre äußerlichen Vorzüge zu beschreiben.
„Das genügt“, unterbrach ihn die Rote Korsarin. Sie war an die Querbalustrade des Achterdecks getreten und stützte sich mit beiden Händen auf. „Wie eine Frau aussieht und beschaffen ist, weiß jeder, Roger, du Schwerenöter. Haltet lieber die Augen offen. Das Ganze gefällt mir nicht. Wenn unsere Männer nicht gleich zurück sind, geben wir einen Signalschuß ab.“
Ribault und die sieben anderen Männer kehrten aber doch schon kurze Zeit darauf zurück und gaben durch Handzeichen zu verstehen, daß alles in Ordnung sei. Der Eingeborene und die beiden Mädchen waren wieder bei ihnen. Roger Lutz beobachtete sie durch den Kieker und stieß einen bedauernden Laut aus. Seine Miene war entsagungsvoll und tieftraurig. Die anderen lachten.
Ribault legte beide Hände an den Mund und rief: „Die Siedler sollen sich bereithalten! Wir setzen mit der Jolle über und holen sie an Land!“
An Bord der „Le Vengeur III.“ begannen die Männer auf und ab zu laufen, eine hastige Betriebsamkeit entwickelte sich. Die wenigen Habseligkeiten waren rasch zusammengepackt. Reihum wurden Hände geschüttelt, man klopfte sich auf die Schultern. Die Siedler nahmen Abschied von der Crew der „Le Vengeur III.“ – und von Siri-Tong, die sogar das Achterdeck verließ, um den Männern eine gute Zukunft zu wünschen.
„Madam“, sagte ein älterer Engländer mit graumeliertem Haar. „Ich will es aufrichtig im Namen aller meiner Kameraden sagen: Es tut uns leid, daß wir Sie nie wiedersehen werden.“
„Vielleicht treffen wir uns doch wieder“, sagte sie. „Diese Insel ist für uns nicht außerhalb unserer Reichweite. Es ist möglich, daß wir sie schon bald wieder anlaufen, was immer uns in diese Gegend führt.“
„Hurra!“ schrie ein junger Franzose. „Ein dreifaches Hurra für die Rote Korsarin – und für Jean Ribault und die Mannschaft der ‚Le Vengeur‘!“
„Hurra!“ brüllten die Siedler.
Die Jolle hatte sich in Bewegung gesetzt, Doc Delon, Marty und Hinkle pullten zum Schiff. Ribault und die anderen warteten solange an Land und schienen sich besonders mit den jungen Schönen ausgiebig zu unterhalten.
Doc Delon mußte unwillkürlich grinsen, als er das Geschrei hörte und ein paar Hüte und Mützen hochfliegen sah, die wieder aufgefangen wurden. Dann aber nahm seine Miene wieder den Ausdruck tiefen Bedauerns an. Als die Jolle längsseits schor, war er der erste, der die Sprossen der Jakobsleiter ergriff und aufenterte. Er kletterte über das Schanzkleid und trat zu den Männern von El Triunfo, die sich zum Verlassen des Schiffes versammelt hatten.
„Ich wäre gern noch eine Weile auf der ‚Vengeur‘ geblieben“, sagte Doc Delon. „Ich schätze Sie und Ihre Männer, Madam.“ Sein Blick ruhte die ganze Zeit über mit offener Bewunderung auf Siri-Tongs Gesicht.
„Vergessen Sie nicht, daß die ‚Vengeur‘ Jean Ribault gehört“, sagte sie und lächelte.
„Ich habe mich bereits bei ihm bedankt für alles, was Sie für uns getan haben.“
„Wenn ich mich nicht irre, haben der gute Jean und Carlos Rivero Ihnen auch etwas zu verdanken.“
„Das war doch nicht der Rede wert.“
„Ho, ho“, sagte Carlos Rivero. „Nur keine falsche Bescheidenheit, Doc! Wir vergessen dich nicht, und wir kommen wieder, um dich hier zu besuchen, verlaß dich drauf! Dann bringen wir auch den Seewolf mit, der dich bestimmt auch kennenlernen will!“
„Der Seewolf Philip Hasard Killigrew?“ Der Arzt nickte. „Darauf lege ich großen Wert, denn über diesen erstaunlichen Mann habe ich schon viel gehört. Also, ich nehme das als ein Versprechen hin.“
„Sehr