in dem die Temperatur über das normale Maß steigt.“
Obgleich wir Virchows unangezweifelte Autorität als Pathologe ersten Ranges anerkennen, weigern wir uns, diese Definition zu akzeptieren, denn hier wird offensichtlich Wirkung mit Ursache und Physiologie mit Pathologie verwechselt.
Es kann durchaus zu einer über den Normalzustand hinausgehenden Temperaturabweichung nach oben kommen, ohne dass es sich dabei um Fieber handelt. Extreme Kälte oder Hitze, der man über längere Zeit ausgesetzt ist, ständiger Aufenthalt in tropischen Regionen, exzessives Essen oder Trinken – insbesondere von Stimulanzien – sowie exzessive und lang andauernde Bewegung können die Temperatur verändern, ohne notwendigerweise Fieber hervorzurufen. Freilich können sich derartige Temperaturen auch zu messbarem Fieber entwickeln. Es besteht jedoch keine unbedingte Korrelation. Wenn also das Thermometer einen Temperaturanstieg anzeigt, ist das noch kein zuverlässiges Anzeichen für Fieber.
Dr. Soullier berichtet in einer neueren Ausgabe des Lyon Medical vom Fall einer jungen Frau unter 30, bei der über drei aufeinander folgende Tage ein Temperaturanstieg auf 43,8 Grad Celsius festgestellt wurde, ohne dass Fieber oder ein verstärkter Puls bestand. Ohne irgendeine vorhergehende hysterische Krankengeschichte verfiel sie plötzlich in einen narkoleptischen Schlaf. Der Schlaf zeichnete sich durch seine Tiefe aus, der Puls war normal, die Extremitäten waren entspannt und die Pupillen kontrahiert. Es bestand keine anomale Hauttemperatur, doch die vaginale Temperatur betrug 42,7 Grad Celsius. Die Patientin erhielt ein zehnminütiges Bad von 28 Grad Celsius. Dadurch fiel die Temperatur zwar zunächst auf unter 40 Grad Celsius, sie stieg aber danach bald wieder auf über 43,8 Grad Celsius. Die Hautoberflächen fühlten sich noch heißer an als zuvor, der Puls betrug 84. Die Patientin erhielt ein weiteres, 15-minütiges Bad von gleicher Temperatur wie beim ersten Mal. Ihre Körpertemperatur fiel dadurch auf etwa 37,8 Grad Celsius, stieg aber am nächsten Tag erneut auf 44 Grad Celsius und hielt an, bis die Patientin nach einem 36-stündigen Schlaf erwachte. Beim Erwachen hatte sie das Problem, das dem Beginn des Anfalls vorausgegangen war, völlig vergessen. Es bestand keine Fiebrigkeit, kein anomaler Harnbefund, lediglich ein leicht beschleunigter Puls. Am vierten Tag erhielt die Patientin ein drittes Bad von gleicher Temperatur wie zuvor, woraufhin ihre Körpertemperatur auf 41,1 Grad Celsius fiel. Am sechsten Tag sank die Temperatur und lag nun leicht unter den Normalwert. Soullier betrachtet dies als einen reinen Fall von Hyperthermie ohne irgendwelche anderen Fiebersymptome.
Weitere interessante Fälle reiner Hyperthermie im Zusammenhang mit dem Beginn eines Anfalls von Blutspucken sowie bei Meningitis, Peritonitis, Erkältungen usw. hat Cuzin präsentiert.
Ist die Temperatur fiebrig, steht sie diagnostisch für Fieber. Warum entsteht diese fiebrige Temperatur? Sie ist zweifellos verbunden mit einem Fehlen der Nervenkontrolle, die im physiologischen Zustand die Gewebe vor exzessiven Oxidationsprozessen schützt. Bei Fieberzuständen fehlt diese Nervenkontrolle oder verliert ihr Gleichgewicht, was wiederum einen Temperaturanstieg auslöst und zur Zerstörung oder Behinderung der Nervenregulation führt. Was genau zerstört, bremst oder behindert diese Nervenkontrolle? Möglicherweise sind es Bakterien bzw. deren Produkte, die sich in den Geweben befinden bzw. ins Blut übergehen, von dort in die Nervenzentren gelangen und diese dann irritieren. Eventuell sind aber auch die Gewebe bei Erkrankung betroffen und die davon ausgehende Reflexirritation beeinflusst die Nervenzentren. Auch traumatische Zustände oder Läsionen können die Nervenkraft vom Flüssigkeitskreislauf abschneiden, wodurch die Gewebe in Fehlernährung geraten, der in der gleichen Reflexirritation der Nervenzentren resultiert. Man hat z. B. festgestellt, dass septische Abflüsse von Wunden, Abszessen usf., die von der Nervensubstanz absorbiert werden, einen Temperaturanstieg hervorrufen können und dass die direkte Verletzung des Nervenzentrums auch ohne irgendeine äußere Ursache eine Fiebertemperatur herbeiführen kann. In beiden Fällen stört die resultierende Temperatur die gesunde Balance des Lebens und kann den Körperorganismus später in einen Fieberzustand versetzen.
In normalen Körperzuständen wird die Temperatur bei 37 Grad Celsius gehalten. Diese konstante Stabilität hängt vom thermotaktischen Mechanismus ab, der die Generierung und den Verlust von Wärme reguliert. Bei der Wärmeproduktion spielen die Muskulatur und die Drüsen die wichtigste Rolle. Am Wärmeverlust sind darüber hinaus verschiedene physische und physiologische Prozesse beteiligt: Wärme wird in den Körperfunktionen und -aktivitäten verbraucht und der Überschuss durch Verdunstung, Ableitung, Konvektion usf. aus dem Organismus ausgeschieden. Die Regulation dieser Prozesse, insbesondere die Balance von Produktion und Verlust, steht unter der Kontrolle des Nervensystems, einschließlich der thermischen Zentren, der thermischen Fasern und möglicherweise weiterer Nerven.
In pathologischen Zuständen ist dieser thermotaktische Mechanismus auf vielerlei Art gestört. So kann etwa der Wärmeverlust gebremst oder modifiziert sein, was zu Wärmeansammlung führt. Oder die Wärmegenerierung ist – bei normalem oder vermindertem Wärmeverlust – beschleunigt, was ebenfalls in einer Wärmeakkumulation resultiert. Wärmegenerierung und -verlust können gleichzeitig verstärkt stattfinden, was keine wesentliche Temperaturveränderung zur Folge hat, obgleich es zu einem fiebrigen Verfall kommt. Es kann aber auch sein, dass der Wärmeverlust auch ohne erhebliche Veränderung in der Wärmegenerierung erhöht ist, was zu einer subnormalen Temperatur führt.
Es gibt eine ganze Reihe physiologischer Temperaturschwankungen, wie etwa die zirkadianen maximalen und minimalen Veränderungen. Letztere stehen für die Ebbe des Lebens zwischen zwei und vier Uhr morgens, erstere für die Aktivitätsperiode während des Tages. Diese und die anderen, schon erwähnten Zustände müssen durch Ausschluss aus den pathologischen Veränderungen eliminiert werden. Variationen, die sich nicht auf so einer physiologischen Grundlage erklären lassen, sind als pathologisch zu betrachten. Man hat verschiedene Stufen pathologischer Temperatur aufgezeichnet, wie Kollaps, subnormale, normale, schwach fiebrige, fiebrige und hyperpyretische Temperatur. Was den Gefahrenpunkt anbelangt: Er ist nicht nur abhängig vom Temperaturanstieg, sondern auch vom Stadium des pathologischen Zustandes bzw. der Erkrankung sowie von deren Dauer. Wir befassen uns hier nicht mit den verschiedenen Typen von Fieber, weil diese von der Differenzialdiagnose abhängen.
Ein Temperaturanstieg stellt – das dürfte aus dem Gesagten klar geworden sein – kein Fieber dar. Wärmegenerierung im Körperorganismus beruht nicht allein auf einer Zunahme der Gewebeveränderungen. Die Zunahme an Wärme kann auch aufgrund von Kohlehydratoxidation bedingt sein. Aus physiologischer Sicht kann ein Temperaturanstieg erfolgt sein, ohne dass die Exkretionen, die einen verstärkten Gewebestoffwechsel darstellen, zugenommen haben. Gestiegene Temperatur allein zeigt also noch kein Fieber an. Der eigentliche Indikator ist vielmehr die Modifikation des Wärmesteuerungsmechanismus.
Zu den Phänomenen, die Fieber zugrunde liegen, gehört in erster Linie der Abbau von Gewebe. Sogar dann, wenn das Fieber nicht hoch oder lang anhaltend ist, kommt es zu einem großen Gewebeschwund, wozu auch Blutveränderungen gehören, die zu einer Störung der Gewebeaktivität führen, sowie Flüssigkeitsschwund, der sich z. B. in Durst und dürftigem Urin äußert. Ein weiteres Symptom von Fieber ist die gesteigerte Pulsfrequenz, verursacht durch den Temperaturanstieg und andere Veränderungen. Bei manchen Fieberzuständen wie etwa meningealem Fieber ist der Pulsschlag nicht erhöht. Die beschleunigte Pulsfrequenz lässt sich nicht vollständig mit der Zunahme der arteriellen Spannung und der verstärkten Frequenz des Blutflusses erklären. In der Anfangsphase des fiebrigen Zustands ist für gewöhnlich ein heftiger, starker Puls bei großer arterieller Spannung feststellbar. Später tritt dann meist eine Entspannung ein, der Puls wird schwach mit geringem Druck. Zu diesem Zeitpunkt ist der Pulsschlag schnell, der rasche Herzschlag drückt das Blut in die Arterien, ohne bei jedem Schlag die Kammer zu leeren, wodurch sich die Blutzufuhr verringert, obgleich Herz- und Pulsfrequenz erhöht sind. Diese geschwächte Herztätigkeit kann mit der erhöhten Temperatur erklärt werden, die in der Erzeugung von Gewebeabfall resultiert. Gleiche oder ähnliche degenerative Veränderungen finden in der Leber und in den Nieren statt, was zu einem geschwächten Rhythmus dieser Organe führt. Der verstärkte Herzschlag wird begleitet von einer verstärkten Respirationstätigkeit, bedingt aufgrund der engen Korrelation von Herz und Lungen im Kontext der großen rhythmischen Regulationszentren im Gehirn. Der pyrektische Befund des Blutes vermag direkt auf die respiratorischen Zentren zu wirken, oder aber die toxischen Elemente