Christiane Benedikte Naubert

Elisabeth, Erbin von Toggenburg. Oder Geschichte der Frauen von Sargans in der Schweiz


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und dieses Feuer nichts weiter gethan, als einiges Tapetenwerk verzehrt hatte. Hat der Graf von Vatz Ursachen, deine Gewogenheit zu wünschen, fuhr Zirio fort, warum geht er nicht den geraden Weg? Warum bewirbt er sich nicht bey mir um dich? Es war eine Zeit, wo ich dich ihm nicht versagt haben würde, wo ich gemeynt hätte, durch seine Verbindung mit der künftigen Erbinn von Vatz und Sargans eine Handlung der Gerechtigkeit auszuüben.

      Ich weiß nicht, welche Nachrichten oder Beobachtungen meinen Oheim, ihn, der von jedermann gut dachte, so schnell geneigt gemacht hatten, Graf Waltern von der schlimmern Seite zu betrachten; ich glaubte den größten Theil dessen, was er sagte, nur halb, und suchte Entschuldigungen für denjenigen, der, so oft ich ihn sah, einen tiefern Eindruck auf mich machte, und mich immer unfähiger ließ, Arges von ihm zu denken.

      Walter von Vatz war unglücklich, war des größten Theils der Rechte seiner Geburt beraubt, schon dieses wär hinlänglich gewesen, mir ihn interessant zu machen; aber er brauchte die wenige Macht, die er besaß, noch dazu, andern Nothleidenden Schutz zu gewähren, und sich dadurch mächtige Feinde auf den Hals zu ziehen; konnte etwas edler und großmüthiger gedacht werden? und war es möglich, daß ein solcher Mann den geringsten Anschein von Verdacht verdiente?

      Hedwig, Gräfinn von Rappersweil, mußte vor ihrem Feinde, dem herrschsüchtigen Abte von Sankt Gallen, fliehen. Sie war Wittwe, und der Argwohn war nicht klein, daß ein Gifttrunk aus dem Keller des geistlichen Herrn sie in diesen Stand gesetzt hatte. Gern hätte seine Bosheit auch die verlassene Dame aufgeopfert, die seinen Hoffnungen um desto furchtbarer war, da das Land einen Erben von ihr erwartete, welcher in die Rechte seines Vaters treten konnte. Hedwig mußte fliehen, sie war dem Augenblick ihrer Niederkunft nahe, die Feinde waren dicht hinter ihr, sie konnte ihr Schicksal errathen, wenn sie in ihre Hände fiel. Sie ermannte sich in der namlosen Angst, welche sie von allen Seiten bestürmte, und faßte unter der schützenden Hülle der Nacht den einigen Entschluß, der sie retten konnte. Sie verließ den Wagen, dessen keuchende Rosse dem fernen Zufluchtsort, den sie gewählt hatte, vergebens entgegen eilten, ohne eine andere Begleiterin mit sich zu nehmen, als ihre unmündige Tochter Elisabeth. Sie gebot ihren Leuten, den Weg, so gut sie könnten, fortzusetzen, und dadurch ihre Verfolger irre zu leiten. Sie dachte sich in den dichten Gebüschen zu verstecken, oder irgend ein ruhiges Bauerhaus zu finden, wo sie sich von ihrer Angst erholen und einem unglücklichen vaterlosen Kinde das Leben geben könne, sicher, von den treuherzigen Bewohnern dieser Gebürge, den Feinden der Unterdrücker, ihrem Tyrannen nicht verrathen zu werden.

      Die Gegend rund umher war öde, ein einsamer Reuter kam den Abhang herauf und begegnete der beklagenswürdigen Dame, welche, von der schwachen Hand der jungen Elisabeth unterstützt, sich kaum mehr aufrecht erhalten konnte. Es war Graf Walter, der von der Jagd kam, und seine Leute bereits vorausgeschickt. Die Gräfinn von Rappersweil brauchte sich ihm weder als eine Hülfsbedürftige zu melden, noch ihren Namen zu nennen, er war ungefordert zur Hülfe bereit. Sein schallendes Horn versammelte sein ganzes Gefolg um ihn her. Schnell ward ein leichter Jagdwagen herbeygeschafft, und ehe eine Stunde verging, befanden sich die Verfolgten in den friedlichen Mauern eines Schlosses, welches vor des Feindes Ueberfall, wär ein solcher zu befürchten gewesen, hinlänglich gesichert war.

      Der Graf Venosta war diesen Tag ebenfalls auf die Jagd geritten, es war weit nach Mitternacht, und ich sah ihm beym Spinnrocken mit meinen Dirnen ängstlich harrend entgegen. Allerley Gedanken durchkreutzten sich in meinem Gehirn, an welchen, wie gewöhnlich, Graf Walter auch seinen Antheil hatte. Da öffneten sich schnell die Flügelthüren meines Zimmers, und der, an welchen ich dachte, stand fast außer Athem vor mir.

      Fräulein, rief er, ich bitte euch um eine Gnade. Mir ist ein Gast gekommen, und keine Dame ist in meinem Hause, ihn zu bewirthen; vor dem Schloßthor wartet ein Wagen, laßt euch gefallen einzusteigen und mich nach meiner Burg zu begleiten.

      Graf! welche Bitte!

      Die kühnste, unverzeihlichste, welche sich denken läßt! aber schließt aus der Unvorsichtigkeit, mit welcher ich sie euch vortrage, auf die Eil, mit welcher ich sie erfüllt zu sehen wünsche.

      Walter hatte nicht die günstigste Zeit gewählt, irgend eine Gnade, besonders eine von so seltsamer Art von mir zu bitten. Ich hatte in der Einsamkeit an die Warnungen meines Oheims gedacht. Die gescheuchten Pferde und die Feuersbrunst waren mir in den Sinn, gekommen, und der Unmuth, in welchem ich mich diesen Abend befand, hatte mich nicht geneigt gemacht, diese Dinge mit dem mir gewöhnlichen Vorurtheil zu betrachten. Ich sahe mit Graf Venostas Augen, und man kann also leicht schliessen, daß der gegenwärtige Antrag mir als die plumpeste List, mich in meines Liebhabers Gewalt zu bringen, vorkam, die sich denken läßt.

      Ihr zürnt? rief Walter, der den Unwillen auf meiner Stirne sah. Gut, ich muß mich um einen Vorsprecher bemühen. – Er eilte mit diesen Worten ins Vorzimmer und kam mit einem kleinen reizenden Mädchen zurück, welches durch die Miene der Angst und des Kummers und durch ihr holdes mit Thränen überschwemmtes Gesicht den Eindruck vermehrte, den ihre plötzliche Erscheinung auf mich machen mußte.

      Gutes, liebes Fräulein! rief die Kleine, indem sie meine Knie umfaßte, ich bitte euch, thut alles, was dieser Ritter euch sagt. Wir, meine Mutter und ich, sind in einem Hause, wo man nichts sieht, als bärtige, wilde Männer, und meine Mutter ist so sehr krank, und sie fragte, ob denn keine Dame vorhanden war, die ihr zu rathen wüßte, da sprach unser Retter, dieser Herr, er kenne eine, die er wie seine Schwester liebte, und er wolle sie wohl herbey holen, wenn sie folgen wollte, und da nahm er mich mit sich, euch erbitten zu helfen, und ihr werdet euch erbitten lassen, ich sehe es, weil ihr mich so freundlich anblickt.

      Ich küßte die kleine Bittende ohne genau zu wissen, was sie wollte, und sah Waltern mit fragendem Blick an. Er erzählte mir das Abentheuer mit der Gräfinn von Rappersweil auf eine so interessante Art, daß ich nicht zweifelhaft hätte bleiben können, was zu thun war, und wenn auch nicht das Schicksal dieser unglücklichen Dame, von welchem in dieser Gegend alles voll war, schon vorher manch trauriges Nachdenken und mancher Wunsch ihr zu helfen, in mir erregt hätte.

      Ich vergaß jede Bedenklichkeit, die ich haben konnte, und warf mich, in Begleitung meiner Amme, einer verständigen Frau, die der Gräfinn wahrscheinlich mehr Trost zu bringen vermochte, als ich, in den wartenden Wagen, dessen Eil ich zu beflügeln wünschte; denn ich war so ganz mit meinen Gedanken bey der Nothleidenden, daß ich kaum ans Walters zärtliche Danksagungen, und auf die Reden meiner Amme achtete, welche mit einigem Murren erwieß, daß wir uns übereilt hatten, daß eigentlich meine Gegenwart hier ganz unnöthig, nur die ihrige erforderlich sey, und daß der Graf Venosta Ursach habe, bey seiner Heimkunft zu zürnen, daß ich in seiner Abwesenheit mit einem Ritter in tiefer Nacht bey Sturm und fallendem Schnee davon gezogen sey.

      Wir kamen an. Unser Anblick verbreitete auf dem Gesicht der schwachen Gräfinn, welche hier unter lauter Männern schlecht genug bedient war, neues Leben. Sie umarmte mich, und nannte mich Schwester. Ich ließ sie in den Händen meiner Amme, und ging hinaus, um zu ihrer Verpflegung Anstalten zu machen und Befehle zu geben, als wenn ich hier zu gebieten hätte. Die Angst um sie, machte mich geschäftig, mir kam in meiner seltsamen Lage nichts wunderbar vor, und ich konnte nicht begreifen, warum mich Graf Walters Leute so mit wundernden Augen betrachteten, und warum er selbst immer in so einem Uebermaaß von Entzücken an meiner Seite war, und mich mit Danksagungen überhäufte, welche unmöglich alle auf die Rechnung der Gräfinn von Rappersweil zu schreiben waren.

      Hedwig ward in dieser Nacht die Mutter eines Sohnes, und das Entzücken, mit welchem sie ihn an die Brust drückte, war mit dem, was andere Mütter in solchen Augenblicken fühlen mögen, nicht zu vergleichen. Sie umschloß in diesem neugebornen Kinde den Ueberwinder ihrer Feinde, den Retter seines Hauses, nichts war nöthig, als seine Geburt, um den feindseligen Abt von Sankt Gallen zu demüthigen, und ihn in die Gränzen eines Lehnsmannes zurück zu weisen. Auch ermangelte Graf Walter nicht, die Nachricht von der Geburt eines jungen Grafen von Rappersweil in der ganzen Gegend kund zu machen, und Freund und Feind durch seine Herolde einladen zu lassen, sich von dem Daseyn des jungen Herrleins durch eigene Augen zu überzeugen.

      Graf Venosta war durch die Nachricht von meiner nächtlichen Verschwindung, deren Grund man ihm nur sehr unvollkommen angeben konnte, zu seltsamen Besorgnissen verleitet worden; er mußte sich selbst von der Wahrheit unterrichten,