den Endkunden verkauft und im Keller aufgestellt hat. Solange die Heizung dann lief, passierte – außer der Wartung – nicht mehr viel. Es gab so gut wie keinen Kontakt zwischen Heizungsbauer und Endkunden.
Start-ups wie TADO und THERMONDO sowie die zugekaufte GOOGLE-Tochter NEST ermöglichen es aber nun, Thermometer oder auch die ganze Heizung online zu bestellen und diese per Smartphone vom Sofa oder auf dem Nachhauseweg aus dem Auto zu steuern. Das ist bequem, einfach und kann dabei helfen, Energie und damit auch Stromkosten zu sparen. Unter anderem weil vielen Installateuren das Knowhow fehlte, haben Anbieter wie bspw. TADO mit ihren smarten Thermostaten direkt den Endkunden adressiert. Dadurch verändern sich die Marktbeziehungen grundlegend. Im Umfeld von Smart Home und Smart Energy entstanden bzw. entstehen diverse neue Geschäftsmodelle, verbunden mit einem erheblichen Wettbewerbsdruck in dem ehemals sehr stabilen Markt.
Die etablierten Anbieter haben die Herausforderung erkannt und bieten mittlerweile smarte Thermostate und Steuerungs-Apps an. Auch erlauben innovative Angebote den Installateuren bzw. Handwerkern einen digitalen Zugriff auf die Heizungsanlage und ermöglichen so z. B. eine Ferndiagnose. Zum Teil erfolgt die Entwicklung von neuen Produkten und Geschäftsmodellen in Zusammenarbeit mit Start-ups (z. B. VIESSMANN mit TADO) oder in eigens dafür gegründeten digitalen Einheiten (z. B. VIESSMANN WATTX). Auch investieren die traditionellen Player über Venture Capital Fonds in vielversprechende Start-ups und Innovationen. VIESSMANN bspw. wandelt sich vom Heizungsbauer zu einem „Gestalter von Lebensräumen für zukünftige Generationen“. Durch eine agil(er)e Ausrichtung war das Familienunternehmen auch in der Lage, während der Covid-19-Pandemie relativ schnell mobile Beatmungsgeräte und Luftreiniger für die Frischluftzufuhr, die sich bspw. für den Einsatz in Klassenräumen eignen, zu entwickeln und zu produzieren.6
Mit den Fortschritten in der künstlichen Intelligenz und sich auf Basis von z. B. Bewegungs- und Wetterdaten selbstregelnden Heiz- bzw. Klimasystemen stehen die nächsten Innovationen bereits vor der Tür. Auch hierauf müssen BOSCH-BUDERUS, VIESSMANN & Co. schnell und adäquat reagieren.
Vor ähnlichen Herausforderungen stehen bzw. standen einige der in diesem Buch vorgestellten Unternehmen, wie z. B. HEILER, TELE HAASE, B. BRAUN MELSUNGEN, SIEMENS oder die R+V VERSICHERUNG. Auch lassen sich ohne großen Aufwand weitere Branchen und Unternehmen nennen, denen es ähnlich ergeht. Darauf soll aus Platzgründen aber verzichtet werden. Generell ist festzustellen, dass sich die Welt immer schneller verändert, sowie immer komplexer und unübersichtlicher wird. Diese Thematik wird in den letzten Jahren häufig und gerne mit dem Akronym VUCA beschrieben.
VUCA setzt sich zusammen aus den vier Begriffen Volatility, Uncertainty, Complexity und Ambiguity. Das Akronym stammt ursprünglich aus dem amerikanischen Militärjargon und hat sich in den letzten Jahren in der Managementliteratur etabliert.7
V steht für Volatility (Volatilität bzw. Unbeständigkeit), d. h. für häufige Veränderungen und sprunghafte Entwicklungen, die aber nicht zwingend unvorhersehbar sein müssen.
U steht für Uncertainty (Ungewissheit bzw. Unsicherheit), d. h. für eine unklare Situation bzw. nebulöse Veränderungen.
C steht für Complexity (Komplexität bzw. Vielschichtigkeit), d. h. für eine Situation, in der viele bzw. vielfältige Elemente ineinander spielen.
A steht für Ambiguity (Ambivalenz bzw. Mehrdeutigkeit), d. h. eine unklare, unscharfe und ggf. sogar widersprüchliche Umwelt.
Insbesondere die exponentielle technologische Entwicklung, die globale Vernetzung und die (dadurch bedingten) gesellschaftlichen Veränderungen führen zu einer immer stärker als VUCA zu charakterisierenden Umwelt. In solchen Umfeldern sind Geschäftsentwicklungen immer weniger vorhersehbar und dementsprechend schwieriger plan- und steuerbar.
Aber auch wenn es richtig ist, dass die Welt immer stärker VUCA wird, sollte man dem aktuellen Hype um dieses Akronym mit Vorsicht begegnen. Denn, dass Dinge volatil, unsicher, komplex und widersprüchlich sind, das gab es auch schon früher. Mal mehr (z. B. in Phasen technologischer Umbrüche wie Dampfmaschine, Elektrizität oder Verbrennungsmotor), mal weniger. Und VUCA gilt auch heute nicht für alle und alles – verschiedene Menschen, Länder, Funktionen und Industrien sind unterschiedlich betroffen. Schließlich sollte man beachten, dass sich das VUCA-Akronym zwar gut eignet, um für die grundsätzliche Thematik zu sensibilisieren, es eignet sich aber nicht als Analysekonzept, weil die Kategorien dafür zu unspezifisch sind.
Seit kurzem sprechen manche Autoren und Berater auch von einer BANI-Welt.8 Dieses Akronym steht für brittle (brüchig), anxious (ängstlich, besorgt), nonlinear (nicht-linear) und incomprehensible (unbegreiflich). Zwar sind auch diese Adjektive zur Beschreibung (der Veränderung) unserer Welt nicht falsch, aber es ist nicht nötig „noch einen drauf zu setzen“ und VUCA nochmal steigern zu wollen. Der Mehrwert eines neuen Akronyms dürfte überschaubar sein und eine tiefere Auseinandersetzung bzw. Abgrenzung von VUCA und BANI ist für das praktische Management nicht wirklich hilfreich. Wichtig ist es „lediglich“, sich dieser Umwelt(veränderung) bewusst zu sein. Sowohl für VUCA als auch für BANI gilt, dass es auch früher bereits Dinge gab, die so waren, dass aber die Häufigkeit bzw. der Ausprägungsgrad zunimmt. Unsere Welt ist bzw. wird immer stärker VUCA (bzw. BANI).
In einer VUCA-Welt wird die Fähigkeit, schnell (re)agieren zu können, immer wichtiger. Gefordert ist ein schnelles, kreatives, flexibles und kundenorientiertes Denken und Handeln. In einer VUCA-Welt muss man mit mehreren Optionen „jonglieren“ und „auf Sicht fahren“. Ein pragmatisches Ausprobieren und Lernen ist dann i. d. R. erfolgreicher als detaillierte Analyse und Planung. Kurz gesagt: VUCA erfordert Agilität. Im folgenden Beitrag und in diesem Buch wird erklärt, was Agilität bedeutet und wie eine agile Organisation gestaltet werden kann.
Dieser Einleitungs- und Überblicksbeitrag soll ein Ordnungsgerüst für das Thema „agile Organisation“ liefern und die wesentlichen Aspekte vorstellen und abgrenzen (vgl. Abbildung 1). Nachdem in Kapitel 1 die Relevanz von Agilität in unserer zunehmend VUCA-artigen Umwelt aufgezeigt wurde, geht Kapitel 2 kurz auf die Entwicklungsgeschichte und die wesentlichen Elemente von Agilität im Allgemeinen ein. Die Kapitel 3 bis 8 fokussieren dann auf die Gestaltung einer agilen Organisation (d. h. Methoden, Prozesse und Strukturen).
Hierfür werden in Kapitel 3 die zentralen Elemente von Organisation allgemein sowie einer klassischen, hierarchischen und bürokratischen Ausgestaltung von Organisation vorgestellt. Das folgende Kapitel 4 stellt als Gegenmodell dazu die zentralen Charakteristika einer agilen Organisationsgestaltung vor. Diese Bausteine werden dann in den Hauptkapiteln immer wieder aufgegriffen. Kapitel 5 erläutert das potenzielle Zusammenspiel von klassischen und agilen Organisationselementen. Dabei wird betont, dass beide Modelle ihre Berechtigung haben – je nach Situation.
Die Kapitel 6 bis 8 betrachten konkrete Ansätze, Methoden und Praktiken, um Prozesse und Strukturen agil(er) zu gestalten. Dabei geht es in Kapitel 6 zunächst um einzelne Prozess- und Projektmethoden (Ablauforganisation). Kapitel 7 stellt verschiedene Ansätze bzw. Rahmenmodelle (Frameworks) zur Skalierung von Agilität vor, d. h. für die Ausweitung von einzelnen auf mehrere agile Teams. Kapitel 8 schließlich betrachtet verschiedene Ansätze zur agilen Gestaltung von Strukturen (Aufbauorganisation). In Summe liefern die Kapitel