Besseren“) beruhenden Prinzipien, die auf Produktion im Kundentakt, Eliminierung von Verschwendungen und mitarbeiterzentrierte Verbesserung in kleinen Schritten setzen, haben den japanischen Automobilbauern ab den 1980ern auf dem Weltmarkt zu ihrem Erfolg verholfen. Der in den 1990ern von den MIT-Wissenschaftlern WOMACK, JONES und ROOS entwickelte Lean-Thinking-Ansatz (Lean Production und im weiteren Verlauf Lean Management und Lean Administration) orientiert sich an den Prinzipien des TPS und ist heute in vielen Unternehmen, vor allem bei solchen in westlich geprägten Industrienationen, zu finden.16
PETER DRUCKER stellte ebenfalls bereits in den 1950er Jahren fest, dass die von FORD und TAYLOR vorangetriebenen rein effizienzorientierten Organisationsansätze an Grenzen stoßen.17 DRUCKER erkannte, dass sich Wissen nur schwer aus den Köpfen der Menschen extrahieren und hierarchisch bündeln lässt. Er setzte sich dafür ein, insbesondere in wissensintensiven Bereichen alternative Formen und Modelle der Zusammenarbeit einzuführen (Wissensarbeit).
Ebenfalls in den 1950er Jahren befasst sich der Soziologe und Systemiker TALCOTT PARSONS mit dem Zusammenhang von Stabilität und Veränderung. Die Ergebnisse seiner empirischen Kleingruppenforschung führten ihn zu der Erkenntnis, dass soziale und mithin organisationale Systeme nur dann dauerhaft überleben können, wenn sie nicht nur stabil und standardisiert funktionieren, sondern sich auch weiterentwickeln und innovieren.18
Anfang 1970 plädiert der als Zukunftsforscher bekannt gewordene ALVIN TOFFLER für die Flexibilisierung des Unternehmens, um der ansteigenden Umweltdynamik begegnen zu können.19 In dieser Zeit gewinnt „Wissensmanagement“ zunehmend an Bedeutung, es etabliert sich der Begriff der „lernenden Organisation“, der sich der Erkundung des Neuen durch Kollaboration und Co-Kreation mit Hilfe sogenannter Dynamic Capabilities (dynamische Fähigkeiten) widmet.20
Eine Übersicht verschiedener (theoretischer) Ansätze und Strömungen einer moderneren, flexibleren Organisationsgestaltung findet sich im Beitrag von BREHM in diesem Buch. Bei OESTEREICH/SCHRÖDER findet sich eine interessante Systematisierung der Entwicklungslinien und Einflussbeziehungen der verschiedenen Theorieströmungen, die dem heutigen Agilitätsverständnis zugrunde liegen.21
Vor allem in der Software-Entwicklung breiten sich in den 1990er Jahren aufgrund der ansteigenden Komplexität und Dynamik agile Ansätze immer mehr aus. Der Kern dieser Veränderungen wurde dann 2001 von einer Gruppe von Software-Entwicklern im sogenannten „Agile Manifesto“ zusammengefasst niedergeschrieben. In diesem Manifest ging es aber nicht um konkrete neue Methoden oder Tools, sondern um eine neue Haltung, um mit den Herausforderungen einer unsicheren und komplexen Umwelt Schritt halten zu können (vgl. Kapitel 2.3).
Vor dem Hintergrund dieses kurzen geschichtlichen Aufrisses kann Agilität bzw. kann eine agile Organisationsgestaltung daher getrost als konsequente Fortführung und Weiterentwicklung der Erkenntnisse und Studien der letzten Jahrzehnte betrachtet werden.
2.2 Zentrale Begriffe
Nachdem in Kapitel 1 die Notwendigkeit und in Kapitel 2.1 die Entwicklungsgeschichte von Agilität kurz erläutert wurden, soll nun ein Blick auf den Begriff Agilität und dessen Bedeutung geworfen werden. Aufgrund der unzähligen Ausgestaltungsvarianten in der Praxis existiert eine Vielzahl an Begriffsbestimmungen, die sich gefühlt ungefähr mit der Zahl „agiler“ Experten und Autoren deckt. Das bringt jedoch die Gefahr mit sich, dass durch die Erfindung und exzessive Nutzung immer neuer Begriffe der Blick für den eigentlichen Kern verloren geht. Daher sollen in diesem Kapitel zunächst die dem Agilitätsverständnis zugrunde liegenden Begriffe dargestellt werden.
Laut Duden bedeutet agil „von großer Beweglichkeit zeugend, regsam und wendig“22. Agilität steht also für Beweglichkeit und Wendigkeit. Im Business-Kontext steht Agilität für Wandlungs- bzw. Anpassungsfähigkeit, also die Fähigkeit, sich schnell an Veränderungen anzupassen. Ein häufig synonym verwendeter Begriff ist Adaptivität. Im Zuge der Entwicklung des „Agile Manifesto“ im Jahre 2001 setzte sich bei einer Abstimmung über die Bezeichnung der Begriff agil mit nur einer Stimme Mehrheit gegenüber adaptiv durch. Wäre diese Abstimmung anders ausgefallen, würde dieses Buch möglicherweise den Namen „adaptive Organisation“ tragen.23 Wie Kapitel 2.1 gezeigt hat, ist die grundsätzliche Thematik bei weitem keine Neuheit des 21. Jahrhunderts, sondern wird in der Managementliteratur bereits seit langer Zeit diskutiert.24 In der Vergangenheit auch häufig unter dem Begriff Flexibilität.25
Allerdings hat sich unter dem Schlagwort Agilität in den letzten Jahren ein deutlich über die reine Anpassungsfähigkeit hinausgehendes Managementverständnis entwickelt. Agiles Management steht heute u. a. auch für ein kundenzentriertes Vorgehen und ein Empowerment der Mitarbeiter, als wesentliche Voraussetzungen für eine entsprechende Anpassungsfähigkeit (vgl. im Detail Kapitel 2.3 und 4).26 Agilität trägt dem unternehmerischen Anspruch Rechnung, in einer durch Unsicherheit und Komplexität geprägten Welt Veränderungspotenziale zu erkennen und, übertragen auf die eigene Situation, zu nutzen. Das bedeutet, Veränderung nicht nur reaktiv, sondern auch proaktiv zu gestalten.27 Es geht darum, auch in einer VUCA-Welt entscheidungs- und handlungsfähig zu bleiben.
Agilität steht für die Fähigkeit, in volatilen, unsicheren, komplexen und mehrdeutigen Umfeldern in kurzer Zeit angemessen (re)agieren zu können – strategisch, organisatorisch und kulturell.
Um eine solche Agilität in Unternehmen zu erreichen braucht es diverse Elemente. Eine gute Systematisierung dieser Elemente bzw. verschiedener zentraler agiler Begriffe liefert die auf SCHELLER basierende Abbildung 2.28 Letztlich sind Unternehmen dann als agil zu bezeichnen, wenn die handelnden Akteure agil denken und handeln. Es braucht demnach eine agile Haltung bzw. ein agiles Mindset („agil sein“). Ein solches agiles Mindset lässt sich durch normative Werte beschreiben, die sich in Prinzipien bzw. Handlungsgrundsätzen manifestieren. Umgesetzt wird das agile Mindset über einzelne agile Praktiken (methodische Bausteine, z. B. Review, Task-Board, Backlog) sowie die Kombination verschiedener Praktiken in Form von ausgearbeiteten Prozessen und Strukturen (z. B. Scrum, SAFe, Holacracy). Durch die Anwendung von agilen Praktiken und Ansätzen wird agil gehandelt („agil machen“).
Abb. 2: Elemente von Agilität29
Die linke Seite der Abbildung steht für eine agile Kultur, der rechte Teil für eine agile Organisation. Zwar ist es letztlich entscheidend und daher erstrebenswert, dass die Akteure agil denken, weil sich das Handeln dann daraus ergibt. Allerdings ist es nicht möglich, direkt an der Kultur zu drehen. Einfach ein Hochglanzplakat mit neuen Leitlinien und Werten an die Wand zu hängen ist meist wenig hilfreich. Kultur ist von Natur aus sehr komplex, träge und lässt sich nur indirekt beeinflussen. Der Weg zur Kulturveränderung führt über die Veränderung des täglichen Verhaltens der Menschen, denn das Verhalten, das sich tagtäglich in der Kommunikation und der Zusammenarbeit zwischen den Menschen innerhalb der Unternehmensgrenzen und darüber hinaus zeigt, ist Ausdruck der Kultur, macht diese sichtbar. Daher steht auch die Kulturveränderung in Richtung Agilität im permanenten Wechselspiel mit dem Einsatz und dem Erleben agiler Ansätze. Durch das Ansetzen an der rechten Seite wird die linke Seite beeinflusst und über die dynamischen Wechselwirkungen die Grundlage für eine wandlungs- und anpassungsfähige Gestaltung agiler Ansätze auf der rechten Seite geschaffen. Deshalb fokussiert das vorliegende Buch und dieser Einführungsbeitrag auf die rechte Seite der Abbildung 2, die „agile Organisation“.
Der