immer noch einen Schritt moderner klingende Bezeichnungen abzugrenzen. Dann werden im Kern eigentlich sehr ähnliche Dinge völlig verschieden dargestellt. Hinzu kommt, dass sich in der „agilen Community“ eine Begriffswelt etabliert hat, die für in klassischen Umfeldern ausgebildete und sozialisierte Menschen nicht immer ganz leicht zu verstehen ist.
Vor dem Hintergrund dieser – zugegebenermaßen etwas überspitzt formulierten – Gemengelage aus unzweifelhafter Relevanz und einem Wildwuchs aus Begriffen, Methoden und Empfehlungen, ist die Idee entstanden, ein Buch zu schreiben bzw. zusammenzustellen, das dem Leser sowohl ein Ordnungsgerüst für den Gesamtkomplex „agile Organisation“ bietet (im umfangreichen Einführungsbeitrag), als auch konkrete Erfahrungen und Beispiele von verschiedenen, typisch für den deutschen Sprachraum anzusehenden Unternehmen vorstellt und Vertiefungsmöglichkeiten einzelner Teilaspekte liefert. Weil es schwierig ist, den Gesamtkomplex Agilität in einem „verdaubaren“ Buch mit dem nötigen Tiefgang zu behandeln, haben wir den Fokus ganz bewusst auf die Organisation – im Sinne von Methoden, Prozessen und Strukturen – gelegt. Die angrenzenden Aspekte, insbesondere Fragen der Zusammenarbeits- und Führungskultur, werden zwar angesprochen und grundlegend eingeordnet, aber eben nicht in aller Tiefe behandelt.
Das Buch richtet sich primär an klassisch ausgebildete bzw. sozialisierte Manager und Menschen, die nach Strukturierung, Systematik und konkreten Praxisbeispielen im „Agilitäts-Kosmos“ suchen. Diesen soll das Buch ein – an die klassische Organisationslehre anschlussfähiges – Ordnungsgerüst für die zentralen Begriffe und Konzepte einer agilen Organisationsgestaltung liefern. Neben dieser Strukturierung liefern die diversen Buchbeiträge Inspiration, Umsetzungskonzepte und konkrete Methoden auf dem Weg zu einer agileren Organisation. Die Unternehmensbeispiele dienen als Orientierung – nicht als 1:1-Kopiervorlage –, um den eigenen Arbeitsbereich, einen Unternehmensbereich oder gar das ganze Unternehmen agil(er) aufzustellen. Dabei wird aber auch immer wieder betont, dass Agilität weder heiliger Gral noch Allzweckwaffe ist, sondern eine Art der Ausrichtung bzw. der Gestaltung von Arbeitsteilung und Koordination zur besseren Erreichung der Ziele darstellt.
Das Buch möchte die Leser befähigen, kritisch reflektiert über Ansätze für mehr – oder in einigen Fällen möglicherweise auch weniger – Agilität zu entscheiden. Wir hoffen, dass es aufgrund dieser reflektierten und undogmatischen Ausrichtung nicht einfach noch ein weiteres Agilitäts-Buch unter vielen ist, sondern einen entscheidenden Mehrwert liefert.
Bedanken möchten wir uns an dieser Stelle ganz herzlich bei allen, die am erfolgreichen Zustandekommen dieses Buches mitgewirkt haben. Dies sind in erster Linie natürlich die renommierten Experten aus Wissenschaft und Praxis, die sich trotz vielfältiger anderer Verpflichtungen die Zeit genommen und die Muße gefunden haben, als Autoren an diesem Buch mitzuwirken. Schließlich gebührt natürlich auch unserem Verleger Prof. Dr. Götz Schmidt ein großes Dankeschön. Ebenfalls ganz herzlich bedanken möchten wir uns bei Dagmar Hofmann-Kahlke, Ulla Nappi, Andreas Valentin Schmidt und Axel-Bruno Naumann vom Verlag Dr. Götz Schmidt für ihre professionelle Umsetzung der Buchbeiträge und die kreative Gestaltung des Buchlayouts.
Wiesbaden und Gießen, März 2021
Prof. Dr. Thorsten Petry und Christian Konz
Über dieses Buch
Das vorliegende praxisorientierte Herausgeberbuch richtet sich primär an klassisch ausgebildete bzw. sozialisierte Manager und Menschen, die nach Strukturierung, Systematik, konkreten Erfahrungen und greifbaren Beispielen im aktuell so modernen und gehypten „Agilitäts-Kosmos“ suchen. Diesen erfahrenen Praktikern, aber auch den in die Praxis strebenden Studierenden und ihren Dozenten bietet der erste Teil des Buches ein – an die klassische Organisationslehre anschlussfähiges – Ordnungsgerüst für die zentralen Begriffe und Konzepte einer agilen Organisationsgestaltung. Die diversen Beiträge im weiteren Verlauf des Buches liefern vertiefende Unternehmensbeispiele, Erfahrungsberichte, Umsetzungskonzepte und konkrete Methoden auf dem Weg zu einer agileren Organisation.
Teil A: Gesamtbild der agilen Organisation
Den ersten Teil des Buches bildet ein umfangreicher Überblicks- bzw. Einführungsbeitrag. In diesem geben die beiden Herausgeber, der Hochschullehrer, Forscher und Berater PROF. DR. THORSTEN PETRY sowie der Agile Coach und Geschäftsführer der IBO AKADEMIE CHRISTIAN KONz einen Überblick über den Gesamtkomplex „Agile Organisation“.
Sie erläutern die Relevanz und die Grundlagen von Agilität sowie die Kernelemente von Organisation. Auf dieser Basis stellen sie die zentralen Charakteristika einer agilen Organisationsgestaltung vor. Im weiteren Verlauf des Beitrags erläutern und vergleichen die beiden Autoren die wichtigsten agilen Prozessmethoden und Strukturansätze. Dies soll den Lesern dabei helfen, die für die eigene Situation am besten passenden Ansätze auszuwählen bzw. eine gute Ausgangsbasis zur Entwicklung eines eigenen agilen Organisationsansatzes zu haben.
Da Organisation nie ohne die in den Prozessen und Strukturen agierenden Menschen funktionieren kann, wird auch ein Blick auf die Aspekte einer agilen Führungs- und Zusammenarbeitskultur geworfen. Auch auf die agile Ausgestaltung weiterer Unternehmensführungselemente (z. B. Strategie, Portfoliomanagement, Budgetierung, Unternehmensentwicklung, Ökosystem-Management) wird am Ende des Beitrags kurz eingegangen.
Der umfangreiche Beitrag ist so etwas wie das „Herzstück“ dieses Buches. Er bietet einen guten Einstieg in die Thematik und liefert ein Ordnungsgerüst für die folgenden Buchbeiträge, auf die im Einführungsbeitrag immer wieder verwiesen wird.
Teil B: Beispiele agiler Organisation und Transformation
Im Teil B folgen sechs Beiträge, die konkrete Beispiele einer agilen Organisationsgestaltung und -entwicklung vorstellen. Verschiedene Praktiker erläutern, wie sie ihre – z. T. sehr unterschiedlichen Unternehmen – agil organisiert haben. Sie berichten über ihre Antriebe zur Veränderung, Stolpersteine sowie Erfahrungen in der agilen Transformation. Die vorgestellten Ansätze sollen den Lesern als Anregung für Veränderungen im eigenen Unternehmen dienen – sind aber nicht als 1:1-Blaupause zu verstehen, sondern unternehmensindividuell anzupassen.
Im ersten Beitrag des Teils B berichtet STEPHAN HEILER,wie er das bis dato klassisch hierarchisch geführte Handwerks- und Familienunternehmen ALOIS HEILER GMBH nach der Geschäftsübernahme von seinem Vater zusammen mit Unterstützung von GEBHARD BORCK agil organisiert und zu einem weitgehend hierarchiefrei selbstorganisierten Unternehmen transformiert hat. Das Unternehmen setzt auf Selbststeuerung durch die Mitarbeiter. Statt Abteilungen gibt es Organe, Wissen ist verteilt. Klassische Führungskräfte fehlen komplett. Entscheidungen „von oben“ sind verboten. Die Mitarbeiter entscheiden selbst. Und das Reporting richtet sich, anders als üblich, an den Bedürfnissen der operativen Basis aus.
Im folgenden Beitrag erläutern die Leiterin der globalen Unternehmenskommunikation DR. BERNADETTE TILLMANNS-ESTORF, der ehemalige Vorstandsvorsitzende PROF. DR. HEINZ-WALTER GROßE und die Change-Architektin DR. JULIA GUMULA die Grenzen klassisch hierarchiebasierter Organisationsformen in einer VUCA-Welt und wie die B. BRAUN MELSUNGEN AG hierauf reagiert hat. Das Unternehmen hat bewusst keine „Lösung von der Stange“ verwendet, sondern einen eigenen, zu den Spezifika von B. BRAUN passenden, Ansatz entwickelt. Bei dem entstandenen „Tasks & Teams“-Ansatz handelt es sich letztlich um eine Form der Selbstorganisation auf Basis agiler Werte und unter Nutzung von Holacracy-Elementen. Neben den Kernelementen und zentralen Praktiken des „Tasks & Teams“-Ansatzes erläutern die drei Autoren die zentralen Erfahrungen von B. BRAUN mit agiler Organisation und Zusammenarbeit und geben Handlungsempfehlungen für andere Unternehmen.
Der „Regisseur“ MARKUS STELZMANN erläutert in seinem Beitrag, wie die Revolution der Arbeitswelt bei TELE HAASE 2011 begann und wo das Unternehmen heute steht. Unterstützt wird er dabei von BARBARA REININGER, die als selbstständiger Teil des „TELE-Kosmos“ die Organisationstransformation von Beginn an begleitet. TELE HAASE hat in dieser Zeit nicht nur alle Chefs abgeschafft und eine völlig neue Struktur