of Teams“-Strukturen (vgl. Kapitel 8), diese sollen die Balance zwischen einerseits möglichst handlungs- und anpassungsfähigen Modulen und andererseits einem stimmigen, koordinierten gemeinsamen Vorgehen gewährleisten.108
Rollen
Die Zuordnung von Aufgaben erfolgt in agilen Teams bzw. Modulen auf Rollen – statt wie bei klassischen Strukturen auf Stellen.109 Rollen definieren sich über abgegrenzte und übersichtliche Zuständigkeits- und Verantwortungsbereiche, die es den Rolleninhabern ermöglichen, eigenständig Prioritäten zu setzen und über die Ausübung der Rolle selbst zu entscheiden. Mit einer Rolle ist die Erwartung und das Vertrauen an den jeweiligen Rollenträger verbunden, ein wertschöpfendes Ergebnis eigenverantwortlich und möglichst verschwendungsarm zu erbringen.
Damit verbunden ist der Anspruch, dass die Rolleninhaber die jeweiligen Anforderungen an ihre Rolle kennen, diese selbstständig präzisieren und selbstorganisiert – bei Bedarf abgestimmt mit Dritten – zielführend bewältigen. Im Idealfall übernehmen Mitarbeiter auch die Rollen, d. h. sie „ziehen“ sich die Rollen, für die sie sich berufen fühlen und die aktuell Priorität genießen, selbstständig (Pull-Prinzip, vgl. Kapitel 4.2). Es existiert daher kein fest definiertes, personenbezogenes Stellensystem, sondern ein flexibles Rollenmodell. Die Rollenbildung erfolgt dabei sinn- und zweckstiftend, d. h. Rollen entstehen durch die aktuellen unternehmensexternen und -internen Anforderungen und Erwartungen. Auf diese Weise erhält jede Rolle ihre notwendige Legitimation und Akzeptanz. Es entsteht eine agile Organisation, die eine hohe situative Flexibilität ermöglicht.
Wie unterscheiden sich solche agilen Rollen aber nun von klassischen Stellen (vgl. Kapitel 3.3)? Bei der Stellenbildung wird von einer bestimmten qualitativen und quantitativen Kapazität eines fiktiven Aufgabenträgers ausgegangen. Die Quantität an Aufgaben richtet sich an einem realistischen Leistungsvermögen aus. Andernfalls könnte nicht entschieden werden, wie viele Stellen und Mitarbeiterkapazitäten für bestimmte Aufgaben erforderlich sind. Die Stellenbildung geht davon aus, dass größtenteils vorhersehbare, wiederkehrende Aufgaben zu erledigen sind, die auch in einer gewissen Regelmäßigkeit anfallen. Erst wenn sich über einen längeren Zeitraum deutliche Veränderungen ergeben, werden Stellen angepasst. Darüber hinaus werden an Stellen und Stellenbeschreibungen oft besondere regulatorische und personalwirtschaftliche Anforderungen gestellt. So dienen sie z. B. als Grundlage für die Erstellung von Geschäftsverteilungsplänen und als dokumentierter Nachweis für die Erfüllung der Sorgfaltspflicht im Rahmen der Grundsätze ordnungsgemäßer Geschäftsführung. Neben der Zuordnung zu einer Kostenstelle werden in einer Stellenbeschreibung tarifliche und außertarifliche Gehaltsbestandteile des Stelleninhabers aufgeführt. Häufig beinhalten sie auch Vertretungsregelungen und vertraglich festgelegte Bedingungen zu Arbeitszeiten und Urlaubsansprüchen. Jeder Mitarbeiter hat typischerweise eine Stelle.
Eine Rolle dagegen ist unabhängig von der Kapazität einer Person. Im Rollenmodell kann eine Person flexibel mehrere Rollen übernehmen, wenn es die Situation erfordert und es die vorhandene Auslastung erlaubt. Eine einzelne Rolle wird daher häufig sehr überschaubar und pragmatisch beschrieben, um den jeweiligen Rolleninhabern eine selbstorganisierte Ausübung zu ermöglichen. Je umfangreicher Rollen beschrieben und „aufgeladen“ werden, desto größer ist die Gefahr, dass sich Rolleninhaber mit anderen abstimmen müssen, sich verzetteln oder Priorisierungsprobleme haben. Umgekehrt ist einer Rolleninflation ebenso entgegenzuwirken, um nicht den Überblick zu verlieren und Mitarbeiterkapazitäten möglichst sinnvoll und wertschöpfend einsetzen zu können. Aufgrund regulatorischer oder gesetzlicher Anforderungen kann es jedoch dazu kommen, dass auf eine Stellendokumentation nicht verzichtet werden darf, und Rollen übergeordneten Stellen oder Funktionen zugeordnet werden, beispielsweise um die Tariftreue sicherzustellen. Auf diese Weise kann es zur Koexistenz von Rollen- und Stellenbeschreibungen in ein und demselben Unternehmen kommen.
Flexible Ressourcenallokation
In agilen Strukturen werden zeitliche und finanzielle Budgets, Mitarbeiterkapazitäten sowie technische und sonstige Ressourcen nicht einmal pro Jahr oder zu fixierten Zeitpunkten ausgewählten Projekten, Abteilungen oder Bereichen fest zugeordnet (vgl. Kritik an klassischen Organigrammstrukturen in Kapitel 3.3), sondern flexibel und bedarfsorientiert, je nach inhaltlichem und aktuellem Fokus verteilt. Der iterativ-inkrementelle „Test und Lern“-Ansatz kann nur dann funktionieren, wenn basierend auf den neuesten Erkenntnissen auch die Ressourcen entsprechend flexibel disponiert werden können.
Dementsprechend sind auch die Rollen in agilen Strukturen flexibel gestaltet. Basierend auf aktuellen unternehmensexternen und -internen Informationen, Anforderungen und Erwartungen bspw. von anderen Rolleninhabern können Rollen situativ, schnell und unkompliziert gebildet und angepasst werden. Gleiches gilt für agile Teams bzw. Module. Auch diese sind nicht dauerhaft fixiert, sondern sind i. d. R. mithilfe standardisierter und verbindlicher Anpassungsmechanismen flexibel gestaltbar (vgl. bspw. Governance Meeting in Kapitel 8.3). Dadurch soll gewährleistet werden, dass die personellen Kapazitäten und Kompetenzen dort eingesetzt werden, wo sie ihr größtes Potenzial entfalten. Da Rollen in agilen Organisationen nicht an bestimmte Personen gebunden sind, sondern eher kompetenzorientiert gebildet werden, sind diese flexibler zu besetzen und wieder abzugeben, als dies in einer hierarchisch geprägten Stellenorganisation der Fall ist.
Und auch finanzielle und technische Ressourcen werden nicht auf lange Zeiträume verplant, sondern flexibel allokiert und möglichst selbstorganisiert verteilt (vgl. bspw. den Beitrag von SCHMIDT et al. oder das Tactical Meeting in Kapitel 8.3). In agilen Organisationen kann sich die Ressourcenallokation jederzeit ändern – bei Bedarf von Woche zu Woche oder sogar täglich, wenn es das Umfeld und die Rahmenbedingungen erfordern.
Die in Kapitel 4.3 dargestellten Charakteristika einer agilen Strukturgestaltung sind in der Abbildung 20 nochmal zusammengefasst dargestellt. Das Kapitel 8 stellt verschiedene Ansätze vor, wie dies konkret umgesetzt werden kann.
Abb. 20: Charakteristika agiler Strukturgestaltung
4.4 Agile Koordination
Weil sich die Charakteristika der Koordination in agilen Unternehmen nicht 1:1 den Prozessen bzw. Strukturen zuordnen lassen, sondern die folgenden Koordinationsprinzipien für Prozesse und Strukturen gelten, werden sie hier in einem eigenen Kapitel 4.4 vorgestellt. Wie diese Koordinationscharakteristika in konkreten agilen Methoden und Ansätzen angewendet bzw. umgesetzt werden, wird dann später in den Kapiteln 6 bis 8 erläutert.
Selbstorganisation
Die Koordination innerhalb agiler Prozesse und Strukturen erfolgt nicht durch detaillierte Pläne, festgelegte Prozessbeschreibungen oder eine übergeordnete Instanz, sondern „auf Augenhöhe“ zwischen den Mitgliedern innerhalb der Teams im Rahmen definierter Rahmenprozesse. Das heißt, statt Fremdorganisation (vgl. Kapitel 3.4) erfolgt Selbstorganisation. Selbstorganisation im unternehmerischen Sinne bedeutet, dass Akteure eigenverantwortlich darüber entscheiden, wie sie die zu erledigenden Aufgaben