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Agile Organisation – Methoden, Prozesse und Strukturen im digitalen VUCA-Zeitalter


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4.2 festhalten, dass agile Prozesse danach streben, in einem inkrementellen, auf jeweils einzelne Aspekte fokussierten und von Kundenfeedback geprägten Lernprozess, eine möglichst optimal zum wahren Kundenbedürfnis passende Lösung zu entwickeln. Die Aufgaben bzw. Aktivitäten werden dabei nicht fremdorganisiert vorgegeben, sondern von den operativ verantwortlichen Menschen bzw. Teams selbst „gezogen“.

      4.3 Agile Strukturgestaltung

      Auch im Hinblick auf die Gestaltung von Strukturen gibt es einige typische Charakteristika einer agilen Organisation, die im Folgenden vorgestellt werden. Wie diese in konkreten Strukturansätzen angewendet bzw. umgesetzt werden, wird dann später in Kapitel 8 erläutert.

      Cross-funktionale Teams

      Was TOYOTA in den sechziger Jahren eingeführt hat, versuchen andere bis heute: autonome Teams, die Probleme schneller lösen als funktionale Spezialisten oder Arbeitsgruppen.96 Für viele Experten und Managementberater sind funktionierende Teamstrukturen das wichtigste Merkmal einer erfolgreichen Unternehmens- und Organisationsentwicklung. JEFF SUTHERLAND, der Erfinder von Scrum, formuliert bespielhaft: „[T]eams are what makes the world go ‘round.”97

      Weil agile Teams eine Themenstellung umfassend bearbeiten sollen, müssen auch alle benötigten Kompetenzen und Perspektiven im Team vertreten sein. Dafür braucht es Vertreter verschiedener fachlicher Funktionen, weshalb von cross-funktionalen Teams gesprochen wird.98

      Deshalb bilden beispielsweise Krankenhäuser interdisziplinäre Case-Teams, die sich auf den Therapieerfolg ihrer Patienten ausrichten. Banken bilden cross-funktionale Teams, um den digitalen Vertrieb für Privatkunden zu positionieren. Stadtwerke besetzen ihre ÖPNV-Teams für die Steuerung und Organisation des öffentlichen Personennahverkehrs interdisziplinär mit Programmierern, Produktmanagern, Business-Analysten und Verkehrsplanern. Dabei müssen keinesfalls immer alle Unternehmensfunktionen enthalten sein, aber die für die konkrete Problemstellung relevanten. Das heißt, wenn z. B. ein Chatbot für den Kundenservice gebaut werden soll, dann sollte zwingend ein Mitarbeiter aus dem Kundenservice im Team sein. Genauso muss ein Vertriebler eingebunden sein, wenn ein neues Vertriebssystem entwickelt wird.

      Bei der Zusammenstellung der Teams gilt die Regel: Das Team muss (im Hinblick auf die nötigen Kompetenzen und Perspektiven) so groß wie nötig sein, aber (im Hinblick auf die Koordination) so klein wie möglich. Um schnell handlungs- und anpassungsfähig zu sein, sind agile Teams, mit typischerweise maximal 9 Personen, relativ klein.

      Ein wichtiger Erfolgsfaktor agiler Teams ist daher auch die Kompetenz der Teammitglieder. Agilität ist keine Abkehr vom Leistungsprinzip, kein Bällebad, Ponyhof oder „Ringelpiez mit Anfassen“, sondern fordernd und anstrengend. Agile Teams müssen leisten. Dafür braucht es gute bzw. exzellente Leute.

      Der Streaming-Anbieter NETFLIX beispielsweise ist sehr agil aufgestellt und setzt auf ausgeprägte Entscheidungsfreiheit. CEO REED HASTINGS äußert häufig und gerne, dass er kaum Entscheidungen trifft bzw. treffen muss. Aber er erläutert auch, dass es ein wesentliches Element der Erfolgsgeschichte von NETFLIX ist, dass nach der Dotcom-Krise von einer Familienkultur, bei der man das schlechte Benehmen eines Bruders toleriert, zur Leistungskultur einer Fußballmannschaft gewechselt wurde. Man will lieber 10 Top-Spieler als 20 Durchschnittsspieler haben. Jeder darf auch mal einen Elfmeter verschießen, aber wer nicht angemessen „kicken“ kann bzw. das Team nicht weiterbringt, ist in einem anderen Unternehmen besser aufgehoben.99

      Damit die Zusammenarbeit in gemischten Teams funktioniert, sind sogenannte „T-Shaped Profiles“ hilfreich. Diese Kompetenzprofile beschreiben ein breites, interdisziplinäres Basisverständnis (bei möglichst allen Teammitgliedern), kombiniert mit mindestens einer tiefen Fachexpertise (die bei den einzelnen Teammitgliedern unterschiedlich ist). In Summe decken solche Teams dann ein größeres Kompetenzfeld ab als homogene, funktional-fokussierte Teams (vgl. Abbildung 19).

      Abb. 19: T-Shaped Kompetenzprofil

      Solche kleinen, interdisziplinären, kompetent besetzten und autonomen Teams sind prädestiniert dafür, komplexe Aufgabenstellungen iterativ und inkrementell zu lösen.100 Als hierarchiearme Strukturen sind sie relativ gut in der Lage, Veränderungen zu antizipieren, um flexibel darauf zu reagieren. Für Routinetätigkeiten, wie z. B. im Einkauf, im Rechnungswesen oder der Anlagenwartung, wo es üblich ist, klar determinierte Prozesse mit fachlicher Expertise immer wieder auf die gleiche Art und Weise standardisiert abzuarbeiten, sind agile Teams dagegen weniger geeignet.

      RIGBY et al. nennen folgende Voraussetzungen für erfolgreiche agile Teams:101

      

Das Team muss sich auf eine Geschäftschance mit hohem Potenzial konzentrieren,

      

es muss für die konkreten Ergebnisse verantwortlich sein,

      

es muss das nötige Vertrauen, klare Entscheidungsbefugnisse und ausreichend Ressourcen bekommen, um selbstorganisiert arbeiten zu können,

      

es muss entschlossen sein, agile Werte zu leben und agile Methoden anzuwenden,

      

es muss in der Lage sein, eng mit dem Kunden zusammen zu arbeiten,

      

es muss fähig sein, schnell Prototypen zu fertigen und enge Feedbackschleifen zu fahren,

      

es muss von Topmanagern unterstützt werden, die Hindernisse aus dem Weg räumen und dafür Sorge tragen, dass die Ergebnisse der Teamarbeit auch verwendet werden.

      Wichtig für den Erfolg ist es auch, die Teamautonomie so zu dosieren, dass operativer Wildwuchs vermieden und kreative Freiräume geschaffen werden können. Auf diese Weise funktionieren z. B. OP-Teams im Krankenhaus und Teams im Flugzeug-Cockpit. Bei Mannschaften im Teamsport ist es ähnlich. Eine Basketball-Mannschaft hat einen Spielmacher, Flügel- und Center-Spieler. Sie spielen genau auf der Position, die sie am besten beherrschen, können sich aber auch gegenseitig aushelfen und sich neu sortieren, falls es mal „knapp“ werden sollte. Und alle folgen einer gemeinsamen Strategie und dem Ziel, dieses Spiel zu gewinnen und die Saison erfolgreich abzuschließen. Vor diesem Hintergrund kommt dem Thema Führung – auch bzw. gerade in agilen Teams – eine große Bedeutung zu. Führungskräfte sind gut beraten, wenn sie ihre Leadership-Aufgabe trotz autonomer Teamstrukturen weiterhin wahrnehmen (vgl. Kapitel 9 und die Beiträge von HARTMANN und SCHULLER/FUCKER).

      Modularisierung

      Agile Teams agieren weitgehend als autonome Einheiten bzw. Module, mit möglichst klar abgegrenzten Gestaltungs- und Verantwortungsbereichen.102 Die crossfunktionale Zusammenstellung dient dazu, dass die Teams möglichst ein ganzes Produkt(teil) oder einen kompletten Kunde-zu-Kunde- bzw. End-to-end-Prozess (vgl. Kapitel 4.2) abbilden, sodass die Kundenausrichtung nicht unter unnötigen internen Schnittstellen leidet. In agilen Strukturen wird auch gerne die Entwicklung (Development) mit dem Betrieb (Operations) zu einem „DevOps“-Modul verbunden, statt in getrennten Silos gegliedert. Dadurch ist es reibungsloser, d. h. abstimmungsärmer möglich,