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Deutschland trauert


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werden in der Trauer nicht allein gelassen, Seelsorgerinnen und Seelsorger sollen ihnen zur Seite stehen, soweit dies kirchlicherseits eben möglich ist. Dafür wird ein eigener Ritus der Beisetzung entworfen. Die Frage ist, ob es im Szenario für Trauerfeiern nach Großkatastrophen nicht eine ähnliche Entwicklung geben kann und bereits gegeben hat. Auf eine neue pastorale Situation hin ist ein neuer Ritus entwickelt worden. Die Kirche kommt aber nicht begleitend hinzu, sondern hat die Leitung inne.48 Sie muss jetzt die Offenheit zeigen, anderen Religionen Platz zu bieten. Die Beispiele aus Köln und München zeigen, dass dies im Angesicht des Todes möglich ist.

      Interessant ist eine andere Situation, zu der sich das kirchliche Dokument „Tote begraben und Trauernde trösten“ ebenfalls äußert. Es geht um die Mitwirkung der Kirche an der Bestattung von Nichtkatholiken. Das Papier geht von einem Handeln „aus Gründen der Pietät gegenüber dem Verstorbenen wie auch der christlichen Diakonie an den Hinterbliebenen“ aus.49 Die Kirche trennt zwischen doktrinär-rechtlichen Vorgaben – genauer benannt wird das nicht – und pastoralen Erfordernissen. Die Bitte der Hinterbliebenen könne „Ausdruck dafür sein, dass in der Situation der Trauer vom christlichen Glauben Halt und Trost erhofft werden.“50 Im Blick ist ein Nichtgetaufter, „der in einer gewissen äußeren oder inneren Nähe zur katholischen Kirche gelebt hat“.51 Die Situation wird so beschrieben: „In der Praxis der Seelsorge kommt es vor, dass für verstorbene Nichtkatholiken von den Angehörigen die Mitwirkung der katholischen Kirche bei der Bestattung erbeten wird.“52 Es werden dann verschiedene pastorale Situationen durchgespielt und das mögliche Handeln der Kirche reflektiert. Was sind die Motive dafür, einen Nichtgetauften zu bestatten? Genannt werden die „Pietät gegenüber dem Verstorbenen“, hingewiesen wird auf die „christliche […] Diakonie“, aber ebenso auf Trost aus dem Glauben heraus.53 Das sind nun durchaus Motive, die sich auf die Trauerfeiern nach Großkatastrophen übertragen lassen. Das Andenken der Verstorbenen steht im Vordergrund. Es geht klar um ein diakonales Handeln sowohl an den Toten als auch an ihren Hinterbliebenen und der gesamten Gesellschaft. Der Zuspruch von Trost ist selbstverständlich zentral für diese Feiern. Anders ist zum einen, dass es um Verstorbene geht, die nicht dem christlichen Glauben nahestanden, und dass solche Trauerfeiern zum anderen Elemente verschiedener Religionen enthalten sollten. Aber wieder zeigt sich, dass es bereits katholische Liturgien gibt, in denen situationsbezogen gehandelt werden soll.54

      Ein weiteres kirchliches Dokument soll noch hinzugenommen werden, um mögliche Positionen der katholischen Kirche weiter herauszuarbeiten. Gemeint sind die „Leitlinien für das Gebet bei Treffen von Christen, Juden und Muslimen“. Sie sprechen von verschiedenen „Anlässe[n] zu religiösen Begegnungen“ und meinen damit offensichtlich Gottesdienste, denn anders würde der folgende Satz keinen Sinn ergeben: „Sie können für keine der genannten Religionen und für Christen insbesondere das eigene kirchliche, also das konfessionelle sowie das ökumenische Gebet ersetzen.“ Es handelt sich um Ausnahmeereignisse, zu denen u. a. Katastrophen gerechnet werden.55 Es wird nicht von „Gottesdiensten“, sondern von „Gebetstreffen“ gesprochen. Dabei müssten die „Unterschiede zwischen den Vertretern der christlichen Konfessionen und der anderen beteiligten Religionen von den Mitfeiernden wahrgenommen werden können.“56 Wichtig ist vor allem, dass solche „Gebetstreffen“ anlässlich von „Ausnahmeereignissen“ denkbar sind. Das passt zu der diakonal-pastoralen Grundierung, die sich in der Schrift „Tote begraben und Trauernde trösten“ finden lässt. Wie ein roter Faden zieht sich durch, dass keine religiösen Handlungen und Gebete gewünscht sind, die Unterschiede zwischen den Religionen verwischen oder einen der beteiligten Partner vor den Kopf stoßen könnten. Als Ort wird ein neutraler Raum empfohlen, doch handelt es sich allein um eine Empfehlung. Denkbar ist, dass nach dem Vorbild des Assisi-Modells alle Religionen zunächst an einem eigenen Ort beten und dann erst zusammenkommen. Aber das wird nicht vorgeschrieben, scheint allerdings favorisiert zu werden. Vieles davon wäre nach dem bereits Dargelegten kritisch zu diskutieren.

      Für die Gebetstreffen verschiedener Religionen werden zwei Modelle der Vorbereitung angeboten: gemeinsame Vorbereitung (Team-Modell) oder Einladung in den Gottesdienst einer Religion (Gastgeber-Modell). Die bisherigen Trauerfeiern nach Großkatastrophen entsprechen dem letztgenannten Modell. Es soll kein gemeinsames Gebet geben. Vielmehr ist ein Rahmen mit Eröffnung und Abschluss vorgesehen, innerhalb dessen einzelne Partner Texte vortragen und Gebete sprechen. Dies muss so geschehen, dass jeder mit Respekt folgen kann.

      Zweierlei muss festgehalten werden: Im Blick sind Juden und Muslime, zu anderen Religionsgemeinschaften werden keine Aussagen gemacht. Und: Die Erstauflage der Leitlinien sprach noch im Titel von „multireligiösen“ Feiern. Nun ist der Begriff getilgt worden, er kommt im Text nur ganz am Rande vor. Die kirchlich Verantwortlichen scheuen offensichtlich Entsprechendes, obwohl theologisch gesehen Entwicklungsmöglichkeiten gegeben sind und die Praxis zum Teil schon weiter ist. Dennoch zeigt dieses kirchliche Dokument, dass sich Suchbewegungen beobachten lassen, und zwar gerade im Umgang mit Tod und Trauer.

      3.2 Kein gemeinsames Gebet? –

      Theologische Rückfragen

      Aus theologisch-wissenschaftlicher Perspektive müssen allerdings gerade an das zuletzt genannte Dokument einige Fragen gestellt werden, die für die weitere Diskussion hilfreich sein können:

      Ist angesichts der Tragödie, die sich hinter solchen Trauerfeiern verbergen, ein gemeinsames Gebet wirklich kategorisch ausgeschlossen? Wenn man die Aussagen von Nostra Aetate und die theologische Aussage der gemeinsam geteilten Heilsgeschichte ernst nimmt, muss in einer solch extremen pastoralen Situation eine Nähe im Gebet vor Gott möglich sein. Es gibt eine Geschwisterlichkeit der Menschen, die schon allein aus christlichem Schöpfungsglauben resultiert, die sich in solch bedrohlicher Lage bewähren muss. Bewährung kann bedeuten, einen Schritt zu tun, der in anderen Situationen so nicht möglich wäre. Mit LG 16 geht die Kirche davon aus, dass Juden und Muslime mit den Christen „den einen Gott anbeten“. Und über die „anderen, die in Schatten und Bildern den unbekannten Gott suchen“, heißt es, Gott sei ihnen „nicht ferne“. Wenn man hinzunimmt, dass NA 2 im Rekurs auf Hinduismus und Buddhismus sagen kann, die Kirche lehne in diesen Religionen nichts ab, was in ihnen „wahr und heilig ist“, dann ist so viel Nähe beschrieben, dass eine sensibel gestaltete gemeinsame gottesdienstliche Trauerfeier im Angesicht der Toten möglich sein muss.

      Zugleich muss gefragt werden, ob alles, was an „Doktrin“ der Kirche in einem Gottesdienst zur Sprache kommt, in jedem Detail von allen geglaubt und dadurch mitvollzogen werden muss.57 Entscheidend ist im konkreten Fall, dass mit allen Anwesenden die Überzeugung geteilt wird, im Rahmen einer religiösen Feier gemeinsam zu trauern, sich Hoffnung zusprechen zu lassen, der Toten zu gedenken und – so man den Gottesglauben teilt – für sie, füreinander und miteinander zu beten. Auf keinen Fall geht es um einen Dialog, ein Ringen um Glaubenswahrheiten oder deren Sicherung. Es geht nicht um die Infragestellung der sonstigen Liturgie der Kirche, ihrer Theologie und Praxis. Vor diesem Hintergrund ist ein gemeinsames Trauern und Hoffen im Rahmen einer Liturgie möglich.

      Ganz fremd scheint dieser Gedanke den Verfassern der eben genannten „Leitlinien“ nicht zu sein. Im Anhang des Papiers findet man eine „Auswahl christlicher Gebete“, von denen einige deutlich christologisch oder trinitarisch formuliert sind, andere aber so offen bleiben, dass sie zumindest für Juden und Muslime akzeptabel sein dürften. Darunter befindet sich das Gebet der Vereinten Nationen:

      „Herr, unsere Erde ist nur ein kleines Gestirn im großen Weltall. An uns liegt es, daraus einen Planeten zu machen, dessen Geschöpfe nicht von Kriegen gepeinigt werden, nicht von Hunger und Furcht gequält, nicht zerrissen in sinnlose Trennung nach Rasse, Hautfarbe oder Weltanschauung. Gib uns den Mut und die Voraussicht, schon heute mit diesem Werk zu beginnen, damit unsere Kinder und Kindeskinder einst mit Stolz den Namen Mensch tragen.“58

      Der Text stammt aus dem Jahre 1942, ist von Stephen Vincent Benét verfasst worden und von US-Präsident Franklin D. Roosevelt am 14. Juni 1942 in einer Radioansprache zum Flag Day rezitiert worden. Der englische Text, der wesentlich umfangreicher ist als die gerade wiedergegebene deutsche Übersetzung, beginnt mit den Worten: „God of the free, we pledge our hearts and lives today to the cause of all free mankind.“