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Was fehlt?


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zwischen Erziehungswissenschaft, Naturwissenschaft und Theologie, in: zur debatte 6/2014, 1-8.

      Rahner, J., Einführung in die katholische Dogmatik, Darmstadt 22014.

      Rohrhirsch, F., Christliche Führung – Anspruch und Wirklichkeit. Führen mit Persönlichkeit und Ethik, Wiesbaden 2013.

      1Bloch, Etwas fehlt, 413.

      2Marx u.a., Glaube und Wissenschaft, 4 (Bildunterschrift).

      3Ebd.

      4Ebd., 5.

      5Ebd.

      6Rahner, Einführung, 37.

      7Malik, Auf ins Ungewisse, 26.

      8Ebd.

      9Bucher, R., Stabilität, 30.

      10Vgl. Rohrhirsch, Christliche Führung, 60.

      11Bucher, A.J., ‚Das Weltkind in der Mitten‘, 73.

      Quid est homo?

      Der Mensch in Zeiten seiner körperlichen Transformation

       Klaus Wiegerling, Karlsruhe

      Die Theologie erfährt durch neue Möglichkeiten der Transformation des menschlichen Körpers bzw. der Steigerung körperlicher Vermögen eine Herausforderung, die bisher kaum beachtet wurde.

      Das katholische Menschenbild, durch ein auf der Gottesebenbildlichkeit beruhendes Naturrecht gegründet, wird mit in erheblichem Maße technisch bedingten Veränderungen menschlicher Ressourcen und damit möglicherweise des Menschseins selbst konfrontiert. Die ‚conditio humana‘ hat längst eine bio- bzw. informationstechnologische Dimension.

      Wir müssen die Frage stellen, ob der Mensch der Zukunft, der zumindest in den hochtechnisierten Teilen der Welt wohl nicht nur in einer natürlichen Deszendenz, sondern zunehmend auch in einer technischen Entwicklungsreihe stehen wird, noch problemlos angeschlossen werden kann an das, was wir heute unter einem Menschen verstehen. Was bleibt vom ‚Wesen‘ des Menschen, wenn dieses Wesen eine völlig andere Disposition erfährt. Es stellt sich in der Nachfolge von Heideggers Destruktion der Metaphysik die Frage, ob die bisherige Endgestalt der Metaphysik, die er in der zu seiner Zeit modernen Technik sah, nicht dann eine Überbietung erfährt, wenn das technische Denken, als ‚stellendes‘ Denken, den Menschen selbst erfasst, und zwar als ein technisches Artefakt, in dem bio- und informationstechnische Verfahren konvergieren. Dies ist in dem Sinne zu verstehen, dass der Mensch erstens in biotechnischen Verfahren von Geburt an eine von Menschen hergestellte besondere genetisch-physiologische Disposition erfährt und sozusagen als ein Biofakt zur Welt kommt; zweitens erfährt der Mensch im Laufe seines Lebens eine informationstechnologische Aufrüstung durch intelligente Implantate und Prothesen, die verknüpft mit einer intelligenten Umwelt Möglichkeiten einer quasi instantanen Anpassung an Umweltbedingungen bzw. Rollenanforderungen sowie eine Möglichkeit der permanenten Überwachung und Regulierung von vitalen Prozessen bietet; drittens ist noch denkbar, dass informationstechnologische Funktionen von entsprechend gestaltetem organischem Material übernommen werden, dass es also in gewisser Hinsicht zu einer Aufhebung des Gegensatzes von Informations- und Biotechnologie kommt. Es stellt sich damit in einer neuen Art und Weise die Frage nach dem Adressaten der Heilsbotschaft. Wer also ist der künftige Mensch, wer der künftige Adressat der Heilsbotschaft? Im Folgenden soll in fünf Thesen die Dringlichkeit der Frage nach dem künftigen Adressaten der Heilsbotschaft exponiert werden.

      These 1: Wir leben in einer Zeit, in der die Frage nach dem Adressaten der christlichen Heilsbotschaft eine neue Qualität erlangt, insofern der Mensch in seiner organischen Disposition eine Transformation erfährt, die sogar Einfluss auf seine Denkfähigkeit zu nehmen vermag

      Man hat traditionell die physiologische Disposition des Menschen von dem unterschieden, was unter dem Begriff ‚conditio humana‘ gefasst wurde. Längst ist die physiologische Disposition des Menschen allerdings Teil einer technischen Verfügungsmacht geworden. Bio- und informationstechnologische Möglichkeiten werden bereits zur ‚Herstellung‘, zur Erhaltung, aber auch zur Aufrüstung menschlichen Lebens genutzt. Das heißt, die ‚conditio humana‘, die sich wesentlich in sozialen bzw. kulturellen Bedingungen äußert – wie sie von Anthropologen wie Plessner oder Gehlen etwa formuliert wurden –, erfährt eine Art Unterwanderung durch technische Verfügungsmittel, die Teil unserer physiologischen Disposition geworden sind. In gewisser Hinsicht dringt Technik, die freilich schon immer ein Ausdruck der kulturellen bzw. historischen Disposition des Menschen war, in die organischen Grundlagen des Menschen. Sie ist damit nicht nur das, was man zur äußeren Bewältigung des Lebens nutzt, sondern sozusagen ‚innerer‘ Bestand unserer ‚Natur‘. Der menschliche Körper stand immer in einer besonderen Beziehung zu den Bedingungen seiner Lebenswelt.

      Immer schon gab es kulturelle Rhythmisierungen und Prägungen unseres Körpers bis hin zum Schmerzempfinden – man denke an das Schmerzempfinden Angehöriger von Jagdvölkern oder der Fakirkultur. Dies geschieht durch passive und aktive Anpassungsvorgänge, durch Sozialisierung, durch Trainingseffekte, Gewöhnung und Erziehung.

      Die neuen Techniken zur Steigerung der Fähigkeiten des menschlichen Körpers sollen aber Möglichkeiten bieten, den menschlichen Körper quasi im Instantverfahren auf veränderte Lebensbedingungen und deren Erfordernisse einzustellen. Dies kann bedeuten, dass es situative Anpassungen geben wird, etwa wenn der Biorhythmus eines Piloten bei Transatlantikflügen so verändert wird, dass eine möglichst optimale Aufmerksamkeit gewährleistet ist. Die organische Regulierung des Körpers kann nun in automatisierter Weise durch intra- aber auch extrakorporal vorgenommene informatische Steuervorgänge erfolgen.

      Ohne Frage wird man menschliche Gebrechen künftig nicht nur mit dem Skalpell oder mit Medikamenten behandeln, sondern auch vom Rechner aus, indem man intelligente Implantate neu justiert. Die ‚conditio humana‘ des modernen Menschen in den technisch hochgerüsteten Teilen der Welt sieht also so aus, dass die Natur – die nach aristotelischem Verständnis etwas sich von selbst Bewegendes, Wachsendes bzw. Zurückentwickelndes und den technischen Fähigkeiten des Menschen Gegenüberstehendes ist – substantiell auf einen hyletischen Restbestand reduziert wird. Ja man kann sogar sagen, dass Natur in einen Reflexionsbegriff transformiert wird, der die Bedingung eines Verhältnisses fokussiert, aber kein eindeutiges Referenzobjekt mehr hat.

      Die moderne synthetische Biologie geht von einem radikal reduzierten Naturverständnis aus, wenn sie Leben aus unbelebten physikochemischen Grundbeständen zu schaffen beansprucht. Dass die transhumanistischen Vorstellungen eines technisch aufgerüsteten menschlichen Körpers oft naiv sind, steht dabei außer Frage. Man kann nicht ohne weiteres das menschliche Gehör auf das Niveau des Gehörs eines gesunden Hundes bringen, ohne dass dies Auswirkungen auf den Gesamtorganismus und vor allem die Psyche des Menschen hätte.

      Natürlich muss jede Steigerung körperlicher Fähigkeiten mit dem gesamten Organismus vermittelt werden. Es sind aber durchaus enorme Möglichkeiten der Leistungssteigerung – etwa im Feld der Orthopädie – denkbar. Dabei ist allerdings auch nach langfristigen Folgen für den Gesamtorganismus zu fragen. Kurzfristige Leistungssteigerungen werden – wie beim Doping im Sport – nicht selten mit den Organismus schädigenden Spätfolgen erkauft. Dennoch müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass Eingriffe in den menschlichen Organismus möglich sind, die sogar einen Einfluss auf die Stimmung und die Denkleistung jenseits pharmazeutischer Möglichkeiten ausüben.

      These 2: Die körperliche Transformation des Menschen hat Auswirkungen auf sein leibliches Selbstverständnis und seine Weltwahrnehmung

      Unsere Leiberfahrung unterscheidet sich von der in der Dritten-Person-Perspektive gemachten Körpererfahrung nicht nur dadurch, dass es sich bei ihr um eine Wahrnehmung in der Ersten-Person-Perspektive, sondern vor allem auch dadurch, dass es sich um die Wahrnehmung einer historisch-kulturellen Entität handelt. Der Leib als naturalisiertes Kulturstück bzw. als kultiviertes Naturstück kann nicht nur naturwissenschaftlich erklärt werden, sondern muss wie jedes historische