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Was fehlt?


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sich des Körpers bemächtigt und ihn in seiner ästhetischen Dimension sowie seinen Funktionsweisen definiert, steht in eigenartiger Diskrepanz zur Phänomenologie des Körpers in seiner Fragilität, Verletzbarkeit und Lust. In therapeutischen und inszenatorischen Prozessen wird der Körper zumeist unverhohlen und bewusst eingesetzt, weil er nicht selten sprachlich schwer zu fassende Themen offenbart.

      Erfahrungen zu benennen, sie auszusprechen und in den wissenschaftlichen Diskurs einfließen zu lassen ist eine Form, die Körperlichkeit nicht auszusparen. Der Körper lässt dem Verborgenen und dem Verdrängten keine Ausweichmöglichkeiten. Er konfrontiert mit seiner Stärke und Kraft, aber auch mit seiner Schwäche und seinem Verfall. Das Aussparen von Erfahrung und Körperlichkeit in der theologischen Wissenschaft heißt, auf andere Formen der Wahrnehmung, Deutung und Integration und die damit verbundenen Entdeckungsvarianten zu verzichten.

      2.Kommunikatives Handeln

      Karl Rahner hat davon gesprochen, dass jedem Fach auch ein „pastoraltheologisches Moment“ innewohnen muss. Auch hier kommt die Theorie-Praxis-Problematik ins Spiel. Die Leerstelle, die sich zwischen Theorie und Praxis auftut, bezieht sich jedoch nicht allein auf die Relationen zwischen den jeweiligen Forschungsgegenständen und ihren Bezügen zur Praxis des Volkes Gottes. Es handelt sich dabei um eine tiefe Kluft, die mit den Scheuklappen und Blickverengungen einer Theologie zu tun hat, die sich vom Leben der Menschen, ihren Hoffnungen und Sehnsüchten, Sorgen und Ängsten immer weiter entfernt hat.

      Theologietreibende Subjekte, die Augenmerk und Sensibilität für die individuellen, aber auch strukturell-systemischen Ursachen einer lebensfernen Theologie entwickeln, tauchen ein in das Wechselspiel von Analyse und kommunikativem Handeln. Die Vermittlungs- und Verbindungsarbeit wird so vordergründig: im Bereich der eigenen Forschungsambitionen, die dann womöglich weniger von der Einbahnstraße, die die Karriere vorgibt, geprägt sind, oder im Zusammenhang mit der Lehrtätigkeit, die somit auf die Provokation der Studierenden angewiesen ist.

      Krankmachende Kommunikationsstrukturen, mangelnde Anerkennung und Wertschätzung, verdeckt unbewusste Ressentiments, Alltagsmechanismen der Angst – all das kann auch die akademischen theologisch-wissenschaftlichen Lehrstätten heimsuchen und ist dort auch oft genug zu finden. Die theologischen Fakultäten sind in dieser Hinsicht keinen Deut besser als ihre Nachbarfakultäten. Dennoch haben sie von den Ressourcen ihrer Tradition und ihrem Auftrag her ein sehr spezifisches Potenzial, sich dieser menschlichen Schattenzonen anzunehmen und konstruktiv mit ihnen zu verfahren. Das Aussparen dieser Leerstelle in den eigenen Reihen konfrontiert die Theologie mit ihren eigenen Wurzeln und dem daraus resultierenden Auftrag. Glaubt sie eigentlich an den tragenden Grund all dessen, womit sie sich beschäftigt?

      Kommunikatives Handeln inkludiert das Wie in der Bewältigung menschlicher Lebensrealitäten in ihren Licht- und Schattenseiten. Es ist verknüpft mit den eigenen inneren Vorstellungen, Prägungen und Erfahrungen, die sich in der inneren Haltung der theologierteibenden Subjekte widerspiegeln. Dazu gehört auch die eigene internalisierte Theologie. Sie bestimmt die Handlungen und Reflexionen, sie wird nicht nur reflektiert, sondern auch gelebt – sei es bewusst oder unbewusst.

      3.Ambiguitätstoleranz

      Wissenschaft lebt vom Diskurs, der intellektuellen Auseinandersetzung. Daran knüpfen sich relativ streng ritualisierte Organisationsformen und Karrierevorgaben. Wer sich so theologisch wissenschaftlich betätigt, gerät häufig zwischen die Fronten von Ignoranz und Abwertung. Andere methodische Zugänge oder bislang wenig erprobte Perspektiven laufen dem Mainstream der Community zuwider. Diese nicht von vornherein als unzureichend, schlecht und negativ zu bewerten, sie aber auch nicht gleichgültig als unbedeutend zur Seite zu schieben, ist keine Leistung des Intellekts.

      In der Pastoralpsychologie spricht man von der Notwendigkeit zur Ambiguitätstoleranz, wenn Menschen gefordert sind, Uneindeutigkeit, mehrdeutige Informationen oder Widersprüchliches auszuhalten. Die Fähigkeit zu dieser Form der Toleranz hat in erster Linie mit aufmerksamer Wahrnehmung zu tun, die darauf verzichtet, auf das Fremde sofort mit Abwertung zu reagieren. Der Versuch einer solchen Phänomenologie inkludiert umgekehrt, auch von einseitig positiven Bewertungen Abstand zu nehmen. Ambiguitätstoleranz ist eine Grundvoraussetzung für gemeinschaftliches Zusammenleben, Persönlichkeitsentwicklung und Identitätsbildung und stellt die Grundlage jeglicher interkulturellen Kompetenz dar. In diesem Sinn geraten die wissenschaftstreibenden Subjekte hier an eine Grenze, weil das Praktizieren von Ambiguitätstoleranz in der Regel nicht mit intellektuellem Bildungsniveau, sondern mit Persönlichkeitsreife einhergeht.

      Das Fatale ist, dass das Bemühen um die „Sache“ und das in der Wissenschaft gängige Einmahnen einer sachlichen Ebene hier zu kurz greifen. Dem vermeintlich um der Wissenschaft willen engagierten Austragen von Diversitäten auf der Sachebene liegen häufig subtile Formen von Aggression, Geltungsbedürfnis oder Anerkennungsdefiziten zu Grunde. Den daraus entstehenden Konflikten ist auf der Ebene intellektueller Auseinandersetzung nicht beizukommen. Die WissenschaftlerInnen sind an der Stelle auf sich selber verwiesen und mit der Frage nach den eigenen Ambitionen, Wünschen und Sehnsüchten konfrontiert.

      Was hier fehlt ist das Anerkennen der Tatsache, dass fehlende Ambiguitätstoleranz nicht nur Auswirkungen auf die kollegiale Zusammenarbeit hat, sondern auch die intellektuelle Betätigung in Forschung und Lehre beeinflusst. Wie gelangen eine angstfreie Atmosphäre, ein wertschätzender Umgang mit sich selbst und anderen sowie eine aufmerksam interessierte Haltung Menschen und Inhalten gegenüber in den Wissenschaftsbetrieb? Ist die Leere an dieser Stelle womöglich die Antwort auf das mangelnde Bewusstsein solcher Notwendigkeiten?

      4.Risiko

      In Bezug auf risikoreiche Lehr-, Lern- und Denkformen war die Theologie schon einmal einfallsreicher, als sie es derzeit ist. Das mag mit den Zwängen Bologna-konformer Curricula zu tun haben. Dennoch kann man sich kaum des Eindrucks erwehren, dass sich an den theologischen Lehrstätten stellenweise auch ein gehöriges Maß an Resignation, Gleichgültigkeit und Banalität eingeschlichen hat.

      Vielleicht reagiert hier die Theologie, das Diskurssystem der Kirche, ähnlich wie die binnenkirchlichen Handlungsorte in postmodernen Zeiten: Das noch Bestehende und Funktionierende ist unbedingt zu erhalten. Kreativität im spielerischen Erproben neuer Handlungsweisen verursacht in diesen Kontexten vorwiegend Skepsis und Abwehr, weil sie unter Verdacht stehen, auch die letzten noch funktionierenden Strukturen in ihrem Bestand zu gefährden.

      Das spielerische und zweckfreie Sich-Einlassen auf einen gemeinsamen kommunikativen Begegnungsprozess, bei dem die Personen, die jeweilige Situation und die Tradition gleichermaßen beachtet werden und in ein reziprokes Spannungsverhältnis gelangen, ist auch im Korsett wissenschaftlicher Rituale und Symbolhandlungen eine Herausforderung. Diese spielerischen Zugänge erfordern eigene Zeit-, Raumund Kommunikationsstrukturen, die in dieser Form nicht automatisch innerhalb der gegenwärtig bestehenden Strukturen gewährleistet werden können. Dennoch sind sie notwendig. Kriterien für das Gelingen solcher Versuche haben zu tun mit den zu einem Spiel gehörenden Merkmalen: Rolle, Prozess, Experiment, Vertrauen sowie der Fähigkeiten zum Risiko.

      Wie eine theologische Fakultät ihre Forschung organisiert, welche Lehr- und Lernformen sie wählt, in welcher Art und Weise sie sich mit anderen Disziplinen vernetzt und gesellschaftlich und pastoral relevante „Außenkontexte“ wahrnimmt, bestimmt letztlich ihr Profil und ist maßgebend für ihre Existenz in postmodernen Zeiten. Von kirchlichen Handlungsfeldern, die Tradition und Existenz kreativ aufeinandertreffen lassen, kann die wissenschaftliche Theologie etwas lernen.

      An diesen Orten ist nicht nur wahrnehmbar, was „experimentieren“ heißt, sondern auch welche Haltungen, Atmosphären und Formen der Ästhetik Experimente begünstigen. Experimente benötigen in allererster Linie Freiräume und Freiräume entstehen vor allem dort, wo Altes aufgegeben wird.

      Pastoral risikofreudige kirchliche Orte haben einen klaren Bezug zur Tradition, jedoch wird durch die Konfrontation mit dem Leben im Hier und Jetzt jeder Prozess einmalig und einzigartig. Die AkteurInnen üben in jedem Prozess neu ein, sich von den alten Vorstellungen und Verhaltensmustern zu befreien und die herkömmlichen